Green Deal: Angst vor dem großen Bruder

Die USA fordern mit ihrem „Inflation Reduction Act“ die EU heraus. Doch statt den Amerikanern endlich Paroli zu bieten, weichen die EUropäer dem Konflikt aus – und verwässern ihre eigenen Regeln. – Ein Kommentar.

Europa wird Weltmarktführer bei klimafreundlichen, „grünen“ Technologien! Das verkündete EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen schon bei ihrem Amtsantritt 2019 in Brüssel. Der „European Green Deal“ sollte den Weg weisen, von der Leyen verglich ihr Projekt vollmundig mit der Apollo-Mission zum Mond.

Doch statt der Mondfahrt droht eine Bruchlandung. Nicht nur China, auch die USA haben die EU überholt. Mit dem rund 370 Milliarden Dollar schweren „Inflation Reduction Act“ (IRA) fördert US-Präsident Joe Biden sogar die Abwanderung deutscher und europäischer Unternehmen in die USA. Er fordert Europa direkt heraus.

Von der Leyen will dies aber nicht wahrhaben. Die deutsche Bundesregierung auch nicht. Die zwischen Berlin und Brüssel vereinbarte Linie lautet, dass man keinen Handelskrieg mit den USA riskieren dürfe, einen Subventions-Wettlauf soll es auch nicht geben. Doch was wird dann aus dem „European Green Deal“?

Ganz einfach – er wird zum „Green Deal Industrial Plan“ aufgemotzt und auf die Bedürfnisse der Industrie zugeschnitten. Dazu will von der Leyen noch nicht ausgegebenes Geld aus dem Corona-Aufbaufonds recyclen. Außerdem will die Kommission das Beihilferecht lockern, damit nationale Subventionen möglich werden.

Damit legt sie die Axt an den Binnenmarkt – denn längst nicht alle EU-Staaten können sich neue Beihilfen leisten. Vor allem kleine Länder fürchten, an den Rand gedrängt zu werden. Sie vermissen nicht nur ein faires „Level Playing field“, sondern auch solidarische Hilfe. Beim EU-Gipfel in einer Woche droht deshalb heftiger Streit.

Dabei hätte man mit dem IRA auch ganz anders umgehen können. Die EU könnte den Fehdehandschuh aufnehmen und die USA verklagen – wegen Wettbewerbsverzerrung. Sie könnte auch mit gleicher Münze heimzahlen und einen eigenen Finanztopf für die „grüne“ Industriepolitik aufmachen. Das hat Frankreich vorgeschlagen.

Doch das traut sich von der Leyen nicht. Wegen des Ukrainekriegs dürfe man sich nicht mit den Amerikanern anlegen, heißt es in Brüssel. Stattdessen riskiert man lieber Streit in den eigenen Reihen – und einen Konflikt mit den eigenen Regeln. Der „Green Deal“ wird so nicht gefördert, im Gegenteil: Er ist in Gefahr.

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P.S. Der IRA enthält übrigens auch einige positive Aspekte. Er geht das Thema der „grünen Inflation“ an, wird teilweise durch die Unternehmen mitfinanziert und greift auch soziale Probleme auf. Nach all dem sucht man im EU-Plan vergebens. Dabei ist die Inflationsrate in EUropa wesentlich höher, und die groß angekündigte Übergewinnsteuer erweist sich als Flop…