Flüchtlingskrise: Die Ruanda-Illusion ist geplatzt, nun soll es Erdogan richten
Asylverfahren in Ruanda: Auf diese (Schnaps-)Idee war zuerst Großbritannien gekommen, dann haben sie CDU/CSU in Deutschland propagiert. Doch nun lässt ein Londoner Gericht die Illusion platzen.
Der oberste britische Gerichtshof hat Pläne der Regierung zu Asylverfahren in Ruanda als gesetzeswidrig eingestuft. Ruanda könne nicht als sicheres Drittland behandelt werden, urteilten die Richter in London.
Dabei berief sich der Supreme Court vor allem auf Berichte des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR sowie frühere britische Angaben über außergerichtliche Hinrichtungen, Todesfälle in Haft sowie Folter und eine hohe Ablehnung von Asylanträgen aus Konfliktgebieten wie Syrien.
Für die konservative Regierung Sunak ist das ein herber Rückschlag. Die Abschiebung in das mehr als 6400 Kilometer entfernte afrikanische Land sollte Migranten davor abschrecken, von Frankreich aus über den Ärmelkanal nach Großbritannien zu kommen.
Aber auch CDU/CSU müssen nun umdenken. Sie hatten das “Ruanda-Modell” ins Spiel gebracht, um die Ampel-Regierung unter Druck zu setzen. Nun ist die Ruanda-Illusion geplatzt. Merz und Söder müssen sich etwas Neues ausdenken.
Auch die Ampel hat ein Problem. Denn die Flüchtlingskrise geht ungebremst weiter – und die Regierung hat immer noch kein überzeugendes Konzept, um sie zu beenden. Der angeblich “historische” Plan von Kanzler Scholz hat bisher nur Ärger gemacht, aber kein Problem gelöst.
In seiner Not hofft Scholz nun sogar auf den türkischen Sultan Erdogan, den er am Freitag im Kanzleramt empfängt. Mit einem neuen Flüchtlingsdeal soll er für etwas Beruhigung sorgen. Was macht es da schon, dass Erdogan Israel einen “Terrorstaat” nennt…
Arthur Dent
17. November 2023 @ 21:30
@KK
Grundsätzlich macht sich strafbar, wer ohne Pass einreist (Paragraph 3 Aufenthaltgesetz). Die Behörden haben allerdings einen Ermessensspielraum.
Arthur Dent
16. November 2023 @ 11:26
@KK
Armut, Perspektivlosigkeit, Bürgerkrieg, Naturkatastrophen mögen Fluchtursachen sein, sind aber alles keine anerkannten Asylgründe.
Wie man allerdings ohne Ausweispapiere nachweisen will, dass man von der Staatsmacht seines eigenen Herkunftslandes politisch, religiös, rassisch verfolgt wurde, erschließt sich mir nicht. Bulgarien, Estland, Kroatien, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Slowenien, Ungarn sind doch sichere EU-Länder – wollen aber offensichtlich nur die wenigsten Geflüchteten hin. Man kommt des gemäßigt-warmen Klimas und der vielen Sehenswürdigkeiten halber lieber nach Deutschland…
ebo
16. November 2023 @ 11:45
Da sind wir uns einig. Deshalb muß man auch die Asylregeln nachschärfen. Einreise ohne Ausweis könnte ja schon mal unter Strafe gestellt werden. Auch die unerlaubte Weiterreise in ein andees EU-Land könnte sanktioniert werden (so hätee man u.a. den letzten Terroranschlag in Brüssel verhindert). Vor allem aber müssen sich die EU-Staaten an die eigene Nase fassen und die Dublin-Verordnung endlich umsetzen! Denn die regelt ja, wer für ein Asylverfahren zuständig ist (normalerweise nicht Deutschland). Doch sie wir einfach nicht mehr angewendet…
KK
16. November 2023 @ 13:45
“Einreise ohne Ausweis könnte ja schon mal unter Strafe gestellt werden. ”
Das ist aber arg naiv – tatsächlich politisch Verfolgte haben idR gar keine Möglichkeit, an einen Ausweis zu gelangen, ohne ihr Leben oder zumindest ihre Freiheit zu riskieren.
Darf ichbeispielhaft an den Verlauf des Besuch Jamal Kashoggis in der saudischen Botschaft in Istanbul erinnern, weil er zwingend Dokumente für seine Hochzeit brauchte? Und das war in einem fremden Land, weswegen wir davon überhaupt nur erfahren haben – was glauben Sie denn, wie das erst in den Behörden der entsprechenden Heimatländer abläuft? Die Leute gehen “nur mal eben einen Pass beantragen” – und wurden nie mehr gesehen. Ähnlich wie bei den berühmten Zigaretten, nur nicht so witzig.
ebo
16. November 2023 @ 14:34
Nein, das ist nicht naiv. Viele, wenn nicht die meisten Bootsflüchtlinge werfen ihre Ausweise über Bord, bevor sie in EUropa anlanden.
Ich spreche vom Personalausweis oder einer anderen ID-Karte, nicht von einem Reisepass oder gar von einem Ausreisevisum.
KK
16. November 2023 @ 17:26
Ja, viele entledigen sich ihrer Ausweise… aber wenn man den besitz eines Ausweises zur Bedingung macht, dann konterkariert das den Gedanken des Asylrechts. Gerade politisch Verfolgte können sich eben oft keine Ausweisdokumente beschaffen, welcherart auch immer. Denn zu diesem Zweck müssten sie sich ja den sie verfolgenden Behörden ausliefern!
Helmut Höft
16. November 2023 @ 10:39
Es hilft nix, nmM muss man immer wieder ans Grundsätzliche ran: Nur wenn die Fluchtursachen beseitigt werden (Krieg, ungerechte Herrschaft, mangelnde Perspektive, Klimawandel …) kann der “Zug_wo_anders_hin” gedämpft werden. Wenn die Menschen gerecht behandelt werden und eine Perspektive haben tun sie nichts lieberes, ale zu Hause zu bleiben und sich dort zu entwickeln.
Stattdessen: “Wir” hätten’s gerne, dass Andere die Drecksarbeit für uns machen. Kohle nehmen die gerne, Kontrolle? “Ja machen wir selbst”, durch uns “Auf keinen Fall, das ist ja Einmischung … Neokolonialismus …” *plonk*
Diplomaten die > 30 Jahre international unterwegs sind/waren – wie z. B. Michael von der Schulenburg https://de.wikipedia.org/wiki/Michael_von_der_Schulenburg – haben sich klar geäußert: “Gebt den Ländern eine Chance sich nach IHREN Möglichkeiten zu entwickeln, propft denen nicht unsere “Werte” auf! – und werden nach Kräften isoliert, diffamiert, ignoriert. Wir wollen nur das Beste für die, zu unseren Gunsten. *kotz*
ebo
16. November 2023 @ 10:49
Fluchtursachen bekämpfen hieße u.a., die Kriege in der Ukraine, in Israel und Syrien (Türkei und USA kämpfen dort immer noch) zu beenden und Libyen zu stabilisieren. Außerdem müssten Sanktionen, die ganze Regionen destabilisieren, aufgehoben oder so weit gelockert werden, dass es keinen Grund zu Wirtschaftsmigration gibt. Doch die EU macht das genaue Gegenteil. Unter dem Mäntelchen der Geopolitik – und der “höheren Moral” – schießt sie sich selbst ins Knie…
Helmut Höft
16. November 2023 @ 18:22
D’accor>!
KK
16. November 2023 @ 01:50
https://www.tagesschau.de/ausland/europa/urteil-britischer-ruanda-plan-102.html
Sunak will, das Urteil per “Notstandsgesetzgebung” aushebeln – hatte Baerbock dem UK nicht in der causa Assange wiederholt attestiert, ein tadelloser Rechtsstaat zu sein, in dem unabhängige Gerichte das letzte Wort hätten? Und damit ihre Untätigkeit im Fall Assange – entgegen ihrer Wahlkampfversprechen – begründet?
Arthur Dent
15. November 2023 @ 21:51
Artikel 16a Grundgesetz: Niemand hat Anspruch auf Asyl in Deutschland, der über einen sicheren Drittstaat einreist. Sich an die eigene Verfassung halten, kombiniert mit Grenzkontrollen, die diesen Namen auch verdienen. Mit der Möglichkeit von Zurückweisungen käme es in kürzester Zeit zu einem Rückstau bis nach Italien und Griechenland. Dann müsste Europa mit Kontingentlösungen helfen. Das wären dann Obergrenzen, so wie wir sie schon in der Vergangenheit mit Resettlement-Programmen hatten. Das wäre das klassische Modell einer gesteuerten Zuwanderung – im Gegensatz zur heutigen Praxis, kann man dann selbst festlegen, wer zu welchem Zeitpunkt wohin kommt und wie viele insgesamt.
(Auch bin ich gespannt, wann das Märchen, Fachkräftemangel durch Zuwanderung lösen zu wollen, aufhört. Für jeden Zuwanderer müssen schon jede Menge Fachkräfte hier sein: Ärzte, Anwälte, Apotheker, Beamte, Betreuer, Erzieher, Lehrer, Einzelhändler, Vermieter….)
KK
16. November 2023 @ 01:14
„Artikel 16a Grundgesetz: Niemand hat Anspruch auf Asyl in Deutschland, der über einen sicheren Drittstaat einreist.“
Das wären angesichts der geografischen Lage Deutschlands und eingebettet in die EU im Prinzip alle, die nicht direkt aus ihrem Heimatland per Direktflug auf einem deutschen Flughafen oder direkt per Schiffspassage in einem deutschen Nord- oder Ostseehafen (an-)landen. Dieser Einleitungssatz macht allerdings aus dem nach internationalem Recht, dem man sich auch durch Verträge verpflichtet hat, eine allzu seltene Ausnahme, da für tatsächlich Verfolgte diese direkten Wege der Ausreise i.d.R kaum offen stehen und zudem nur für hinreichend mit Geld gesegnete Personen in Frage käme. Flucht bedeutet im Regelfall jedoch alles andere als eine touristische Pauschalreise. Es ist mE erstaunlich, dass diese massive Einschränkung, die nahezu einem Ausschluss gleichkommt, einer verfassungsrechtlichen Überprüfung standgehalten hat.
european
15. November 2023 @ 17:45
Es wird immer enger um die moralindurchtraenkten Ampelmänner*innen. Hier ein neuer Fluechtlingsdeal mit Erdogan, dort das eigene Bundesverfassungsgericht, das heute den Nachtragshaushalt abgelehnt hat. Nun haben wir eine Finanzierungsluecke von 60 Mrd.
Wo bleibt denn jetzt der Wumms, der Doppel-und DreifachWumms, das neue Sondervermoegen?
Ein Hoch auf die Schuldenbremse, der unser gefühltes Finanzgenie Lindner eine “höhere Weisheit” bescheinigt. Aber ich bin sicher, wir werden unsere europäischen Nachbarn wieder mit dieser unserer Weisheit beglücken.
Na denn. 😉
ebo
15. November 2023 @ 17:47
Eben. Höhere Weisheit, höhere Werte. Nur in Berlin. Geschichte verpflichtet!
KK
16. November 2023 @ 01:16
Mit dem Urteil des BVerfG und der so entstandenen Finanzierungslücke müsste eigentlich als allererstes die angekündigte Verdoppelung der Waffenhilfe für die Ukraine gestrichen werden. Eigentlich.
Wetten, dass es statt dessen die dringenden Ausgaben im eigenen Land trifft, die zusammengestrichen werden?
KK
15. November 2023 @ 17:43
Schon bemerkenswert, dass das Urteil wenige Tage nach der Braverman-Entlassung fällt – also ausgerechnet der Innenministerin, die das Ruanda-Modell (zumindest mit-)entwickelt und durch alle Instanzen vorangetrieben hatte und sogar bereit war, entsprechende Urteile vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu ignorieren.
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“Auch die Ampel hat ein Problem. Denn die Flüchtlingskrise geht ungebremst weiter – und die Regierung hat immer noch kein überzeugendes Konzept, um sie zu beenden.”
Nun, wenn die Ampel so weiter macht, werden sich vielleicht demnächst viele hier Lebende, die es sich leisten können, entscheiden, das Land zu verlassen und Platz zu machen. Deutschland läuft Gefahr, sich zu einem autokratischen System zu entwickeln, in dem demokratischer Diskurs und Rechtsstaatlichkeit aus fanatischer Rechthaberei heraus geschleift werden und der Verfassungsschutz offenbar zu einer Art “smarter” Gestapo umfunktioniert werden soll.
ebo
15. November 2023 @ 17:45
Aber, aber. Die Migranten werden doch gebraucht, um die deutschen Boomer zu ersetzen! Und die anderen werden bestimmt wieder abgeschoben – fragt sich nur, wann und wohin?