Flüchtlingsdeal: Türkei forciert Umsiedlung, die EU zahlt weiter
Die Türkei hat mit der umstrittenen Umsiedlung von Flüchtlingen in die besetzten Gebiete in Nordsyrien begonnen. Die EU-Kommission scheint das nicht zu stören – sie zahlt weiter.
Sultan Erdogan will bis zu 3 Millionen Kriegsflüchtlinge aus Syrien, die sich derzeit noch in der Türkei aufhalten, in die türkisch besetzten Gebiete im Norden des Landes umsiedeln.
Es ist ein “Bevölkerungsaustausch” – hier passt das Unwort der Rechten, denn gleichzeitig werden die ansässigen Kurden vertrieben. Mit dem Völkerrecht ist das nicht vereinbar.
In der EU (und der Nato) ging man denn auch davon aus, dass Erdogan seine Pläne nicht verwirklichen würde. Doch nun hat die Umsiedlung begonnen., meldet “Foreign Policy”:
The first group of roughly 70 Syrian refugees crossed the border from Turkey into Ras al-Ain on Nov. 22, according to Turkish media reports. Two days later, on Nov. 24, three convoys carrying 600 families were transported from Turkey to Tal Abyad, according to information provided to Foreign Policy by the Rojava Information Center.
Foreign Policy
Die Zwangs-Umsiedlungen würden von Gräueltaten begleitet, schreibt das renommierte amerikanische Blatt. Doch bisher schweigt der “freie Westen” zu diesem und anderen Berichten.
Die EU geht sogar noch weiter – und brüstet sich damit, bald die vereinbarten 6 Mrd. Euro aus dem Flüchtlingsdeal überwiesen zu haben, den Kanzlerin Merkel mit Erdogan ausgehandelt hatte. Zitat:
Oliver Várhelyi, Commissioner for Neighbourhood and Enlargement, commented: “The full mobilisation of the €6 billion of the Facility for Refugees in Turkey confirms the European Union’s commitment to deliver on its promises. We will continue our support to refugees and host communities in Turkey in various areas that are of key importance to their quality of life, the future of their children and their integration at large”.
EU Commission
Die Hilfe für Flüchtlinge aus dem Flüchtlingsdeal soll also fortgesetzt werden – trotz der Deportationen nach Nordsyrien. Und da die vereinbarte Summe ausgeschöpft ist, dürfte auch bald die nächste Rechnung aus Ankara kommen…
Peter Nemschak
11. Dezember 2019 @ 08:38
Wen interessiert die Frage der Beitrittverhandlungen mit der Türkei ? Die Menschen auf der Straße haben andere Sorgen als die Intellektuellenblase und professionelle Moralisten. Der Einmarsch der Türkei in Nordsyrien ist für die Mehrheit heute kein Thema mehr. Es reicht ihr, wenn nicht mehr sondern weniger Flüchtlinge nach Europa kommen.
Peter Nemschak
10. Dezember 2019 @ 20:34
Hauptsache, die EU wird von zusätzlichen Flüchtlingen nicht behelligt. Die EU setzt das um, was die demokratische Mehrheit der Bürger von ihr erwartet. Staaten sind keine karitativen NGOs. Es wäre naiv dies zu erwarten. Es wäre an der Zeit und politisch ehrlich, das Asylrecht zu reformieren und an die heutigen Gegebenheiten anzupassen.
ebo
10. Dezember 2019 @ 21:55
Eine gewagte Einschätzung. Bei der Europawahl war keine Rede vom türkischen Einmarsch in Syrien – und auch nicht von einer Verlängerung der EU-Hilfen. Vielmehr ging es um die Frage, ob die EU die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei abbrechen sollte. Das forderte EVP-Mann Weber, von der Leyen setzt sich einfach darüber hinweg.