Euro-Finanzminister „einigen“ sich auf Budget ohne Geld
Der Streit um das geplante Eurozonen-Budget wird immer absurder. Nach einer Nachtsitzung einigten sich die Finanzminister nun auf ein Budget ohne Geld – aber dafür mit strikten Auflagen.
Je länger die Eurogruppe tagt, desto weniger überzeugt das Ergebnis. Diesmal dauerte es rund 15 Stunden, bevor Finanzminister Olaf Scholz und sein französischer Amtskollege Bruno Le Maire einen „Durchbruch“ verkünden konnten – immerhin pünktlich zu Scholz‘ Geburtstag.
Doch das Ergebnis ist mager. Es beschränkt sich auf ein „Term Sheet“, das ein paar Grundsätze festlegt. Das Budget soll demnach nicht mehr zur Stabilisierung der Eurozone dienen, wie ursprünglich geplant. Vielmehr geht es nun um Wettbewerbsfähigkeit und Konvergenz – also um neoliberale Reformen.
Das hatte vor allem Deutschland gefordert – und sich durchgesetzt. Mögliche Zahlungen aus dem neuen Budget sollen zudem noch an das „Europäische Semester“ gekoppelt werden. Damit bekommen die bisher unverbindlichen Empfehlungen der EU-Kommission einen verpflichtenden Charakter.
Ausgerechnet Le Maire lobte die neuen, strikten Auflagen. Sie würden die Finanzpolitik in der Eurozone stärken – dabei hatte Präsident Emmanuel Macron etwas ganz Anderes gewollt. Macron wollte die Eurozone unabhängiger und politischer machen – nun wird sie noch abhängiger von den Eurokraten in Brüssel.
Völlig absurd wird es aber, wenn es um die Finanzierung geht. Denn die ist immer noch nicht gesichert. Die Niederlande und andere Mitglieder der „Hanseatischen Liga“ wollen verhindern, dass zu viel Geld in das neue Budget fließt – und blockieren deshalb jede Einigung.
Und so bekommen wir nun ein Eurozonen-Budget ohne Geld, das – wenn überhaupt – ein Anhängsel des siebenjährigen EU-Rahmenbudgets sein wird, das wiederum erst unter deutschem EU-Vorsitz im zweiten Halbjahr 2020 beschlossen werden dürfte. Also in Berlin.
Wenn das kein Grund zum Feiern ist. Herzlichen Glückwunsch, Herr Scholz…
Siehe auch „Widerstand gegen Eurobudget“ und „Die Reformverträge sind zurück“
Ein Europäer
15. Juni 2019 @ 18:18
Hallo Herr Nemschak, ich bevorzuge ebenfalls keine Geldschwemme die nur 1 bis 3% der EU Bürger zugute kommt, ohne langfristige und nachhaltige Effekte für der EU Wirtschaft. Die Hardcore Proeuropäer in der EU sind verpflichtet das Ruder in der Hand zu nehmen und Europa endlich nach vorne zu schmeißen. Wir brauchen Investitionen an neue Technologien, erneuerbare Energien, Start ups, ökologische Projekte und und und. Wir verlieren den Anschluss an den USA und China und schauen nur zu. Es ist an der Zeit die Ärmel hochzukrempeln und Europa auf Vordermann Vordermann zu bringen. Darauf warten wir die ganze Zeit.
Peter Nemschak
15. Juni 2019 @ 19:53
Einverstanden. Dann müssen Sie die entsprechenden Anreize für Unternehmen und Konsumenten schaffen. Die Parteien haben Angst, dass sie damit sich unbeliebt machen und Zustimmung rasch verlieren. Verteuerung von Flügen, um die Umwelt zu schonen, ist kein Renner für Wahlen.
Peter Nemschak
15. Juni 2019 @ 12:57
@Kleopatra Dafür gibt es neben Hartz 4 auch einen Mindestlohn, der den Zweck hat zu verhindern, dass in einem technologisch hoch entwickelten Land wie Deutschland ein Anreiz für die Ausweitung eines Niedriglohnsektor wie in Entwicklungsländern, auch in Osteuropa, geschaffen wird. Länder in Osteuropa werden sich diesen Startvorteil für ihren wirtschaftlichen Aufholprozess durch einen Mindestlohn nicht nehmen lassen. Fazit: was für ein hochentwickeltes Land Sinn macht, macht wenig Sinn für ein wirtschaftliches Schwellenland. Wenn die Gewerkschaften Vorteile aus einer Lohnkoordination in der EU sehen, steht es ihnen frei sich zu koordinieren. Dass sie es nicht in ausreichendem Maß tun, hat den Grund, dass sie primär auf ihre nationale Klientel schauen müssen. Man kann nicht die Welt über einen Kamm scheren. Europa ist in vieler Hinsicht heterogen. Der Grundsatz, dass Arbeit mehr Einkommen als Sozialhilfe bringen soll, ist vertretbar, um keine falschen Anreize zu setzen.
Ein Europäer
15. Juni 2019 @ 11:45
Die Mega-Falken, die Austeritätsfanatiker und Wirtschaftsextremisten haben sich erneut durchgesetzt. So ein Jammer. Europa hat das Potenzial sich nach vorne zu katapultieren und als Wirtschaftszentrum zu etablieren und zu behaupten. So eine Verschwendung.
Die Geldpolitik hat mMn einiges getan, um Europa aus der Krise zu holen aber nicht weit und gut genug. Die Fiskalpolitik dagegen ist antizyklisch, extrem Straff und und falsch angesetzt. Hier ist eine Investitionsoffensive mehr denn je erforderlich und von Nöten.
Europa braucht die richtige Männer/Frauen an der Spitzpositionen, dann kann langsam nach vorne gehen. Olivier Blanchard an der Spitze der EZB wäre eine gute Anfang, er hat als Spitzökonom an der IWF gedient und er hat eine Ahnung davon wie Geldpolitik und Fiskalpolitik funktionieren und wie man beides einsetzen kann, um Ergebnisse zu liefern. Ich hoffe wir bekommen Olivier Blanchard an der Spitze der EZB. Das wäre eine sehr gute Anfang.
Peter Nemschak
15. Juni 2019 @ 13:08
Auch Blanchard weiß, dass mit Geldschwemme langfristig Inflation und nicht Wachstum erzeugt wird. Es gibt keine schmerzfreie Medizin (mehr Staatsausgaben um den Preis erhöhter Staatsverschuldung) für mehr Wachstum. Es funktioniert nur über mehr gesellschaftliche Effizienz, auch wenn das für neoliberalismuskritische Ohren befremdlich klingen mag.
Baer
15. Juni 2019 @ 11:23
Die Lohnpolitik ist bestenfalls Schwachsinn,so lange die Steuerpolitik dermaßen heterogen wie in Europa ist.
Was nützt der Mindestlohn ,wenn länderspezifisch netto komplett andere Einkommen erzielt werden.
Deutschland hat die höchsten,Polen die niedrigsten Steuern.Aber an dieses Thema wird nicht rangegangen.Warum wohl?
Welcher Arbeitnehmer geht wohl nach Deutschland, wenn er dorrt mehr als 50% an den Staat abliefern muss? Wohl nur einer mit wenig Bildung,und genau die werden wir bekommen.
Diegut ausgebildeten gehen woanders hin.
Tolle Politik……
Peter Nemschak
14. Juni 2019 @ 13:48
Die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit ist doch kein abzulehnendes Ziel, will man im globalen Wettbewerb bestehen. Was heißt Stabilisierung der Eurozone? Doch nicht fiskalisch undisziplinierte Länder so weiter werken lassen wie bisher. Durch zusätzliche Staatsschulden lässt sich kein nachhaltiges Wachstum erzeugen.
Michael Wendl
14. Juni 2019 @ 14:43
Fiskaldiszin ist kein geeignetesMittel, um aus der Europäischen Währungsunion einen optimalen Währungsraum zu machen. Sinnvoll ist eine Koordinierung der nationalen Fiskalpolitiken und der nationalen Lohnpolitiken. Dafür können wir uns auf Regeln verständigen, aber die gegenwärtig geltenden sind aus makroökonomischer Sicht unsinnig und schädlich. Aber aus deutschen Poren atmet die Ideologie des Ordoliberalismus oder des schwäbischen Haushaltsvorstands.
Peter Nemschak
14. Juni 2019 @ 19:11
Was haben Sie gegen den Ordoliberalismus ? Der Dirigismus, der Ihnen vorschwebt, kann doch nicht die Lösung sein. Er hat sich weder im Kommunismus noch in seiner westlichen Variante in Frankreich bewährt. Wettbewerb, kombiniert mit Haftung treibt die Gesellschaft voran. Sozialismus erzieht zur falsch verstandenen Solidarität und zur Atomisierung der Verantwortung.
ebo
14. Juni 2019 @ 19:15
Sie kennen Herrn Wendl doch gar nicht, also sollten Sie ihn auch nicht in eine Schublade stecken! Wer den deutschen Ordoliberalismus kritisiert, ist deswegen noch lange kein Kommunist oder gar ein Franzose 😉
Peter Nemschak
14. Juni 2019 @ 21:25
Was wollen Sie bei den nationalen Lohnpolitiken koordinieren? Sie sind Sache der nationalen Sozialpartner und abhängig von der jeweiligen wirtschaftlichen Entwicklung eines Landes.
Kleopatra
15. Juni 2019 @ 12:23
„Lohnpolitik“ lässt sich, solange sie nicht zentral verordnet wird, schwer koordinieren; aber die Währungsunion verlangt im Grund eine gleichlaufende Lohnentwicklung, weil andernfalls die Industrie mancher Staaten ihre Wettbewerbsfähigkeit recht schnell verlieren würde.
Allerdings wird in Deutschland durchaus auch von der Politik am Lohn gedreht. Hartz IV war nicht zuletzt ein Versuch, den Lohnabhängigen brutal zu erklären, dass jeder, auch ein sehr niedriger, Lohn besser sei als keiner; und Schröder nannte als einen großen Erfolg seiner Politik den Umstand, dass Deutschland den ausgedehntesten Niedriglohnsektor Europas hatte. Aus dem oben genannten Grund haben danach die anderen Länder nur die Wahl, entweder die Schrödersche Lohnenkungspolitik nachzvollziehen oder ihre Konkurrenzfähigkeit zu verlieren.