Fake News Hysteria

Droht der EU ein „Angriff“ mit Fake News? Will Russlands Putin gar die Wahlen in Frankreich und Deutschland manipulieren? Aus den USA kommen neue Warnungen – vieles grenzt an Hysterie. English version


[dropcap]E[/dropcap]r war auf allen offiziellen (und inoffiziellen) Kanälen, der Bericht der US-Geheimdienste zu den „Fake News“. Putin persönlich habe angeordnet, in den US-Wahlkampf einzugreifen, heißt es.

Beweise für diese Behauptung wurden nicht vorgelegt. Wir können also nicht wissen, ob es sich bei dieser Warnung der gewöhnlich unzuverlässigen US-Dienste nicht auch um „fake news“ handelt.

Unklar bleibt auch, warum der FBI wenige Tage vor der US-Wahl der Kandidatin Clinton in die Parade fuhr – womit der US-Dienst ihr wohl mehr geschadet hat als alle „Fake news“ made in Russia.

Doch das hindert Medien und Politiker nicht daran, die US-Affäre aufzubauschen und gleich auf die ganze Welt – einschließlich Europa – zu übertragen.

Die US-Dienste selbst liefern das passende Material – Zitat aus ihrem Bericht:

We assess Moscow will apply lessons learned from its campaign aimed at the US presidential election to future influence efforts in the United States and worldwide, including against US allies and their election processes. We assess the Russian intelligence services would have seen their election influence campaign as at least a qualified success because of their perceived ability to impact public discussion.

Droht also ein russischer „Angriff“ auf die Wahlen in Frankreich und Deutschland, wie sogar ARD und ZDF berichten? Oder handelt es sich um unbewiesene Behauptungen, wird Putin zu Unrecht gehyped?

Auch die EU observiert Russland

Das ist schwer zu sagen. Denn die Amis legen ja keine Beweise vor. Fest steht, dass auch die EU seit einem Jahr die Propaganda Russland untersucht, im EEAS wurde eine eigene Abwehr-Einheit aufgebaut.

Die berichtet zwar regelmäßig über angeblich falsche russische Meldungen aus der Ukraine und Syrien. Von massiven „fake news“-Attacken auf Wahlen in Europa wurde bisher jedoch nichts bekannt.

Auch im Europaparlament, wo man die Warnungen aus Washington besonders ernst nimmt, sucht man vergeblich nach Belegen. Zwar beschlossen die Abgeordneten schon einen Aktionsplan.

Russen-PR wird mit IS-Terror vermengt

Darin fordern sie, „koordinierte Mechanismen für eine strategische Kommunikation auszuarbeiten, um die Zuschreibung und Bekämpfung der Desinformation und Propaganda zu unterstützen“.

Doch die Resolution nimmt nicht nur russische Propaganda aufs Korn, sondern auch die Rekrutierungs-Kampagnen des „Islamischen Staats“ – eine merkwürdige, unzulässige Vermischung.

Das heißt nicht, dass man blauäugig mit Putin umgehen sollte. Natürlich versucht er, Einfluss in Europa zu nehmen, genau wie die US-Dienste auch. Und natürlich unterstützt er EU-Gegner.

In Paris muss sich Putin gar nicht mehr einmischen

Bei der Frankreich-Wahl muss er sich aber gar nicht mehr groß einmischen – die beiden erfolgreichsten Kandidaten, Fillon und Le Pen, gelten bereits jetzt als pro-russisch und EU-kritisch.

Und bei der Bundestags-Wahl? Hat Putin wirklich ein Interesse daran, Merkel zu stürzen? Wohl kaum. Denn die deutsch-russischen Beziehungen sind, den Sanktionen zum Trotz, immer noch gut.

Die Warnungen vor einem angeblich unmittelbar bevorstehenden „Angriff“ auf Deutschland und die EU sind daher mit Vorsicht genießen. Bisher bewegen sie sich irgendwo zwischen Hype und Hysterie.

Siehe auch: Post-faktische Union. Foto: Picjumbo