Faeser auf Leyens Spuren, Claise wirft hin – und Streit um Gentech
Die Watchlist EUropa vom 20. Juni 2023
Es ist schon seltsam: Nur eine Woche nach EU-Chefin von der Leyen ist auch Innenministerin Faeser nach Tunesien gereist, um mit der autokratischen Regierung in Tunis über Migration zu sprechen. Aus deutscher Sicht seien Arbeitsstrukturen geschaffen worden, “auf die wir aufbauen können”, sagte Faeser am Montag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit ihrem französischen Amtskollegen Gérald Darmanin nach den Treffen. Es gehe darum, “das furchtbare Sterben im Mittelmeer zu beenden”. Doch genau dasselbe Ziel hat von der Leyen verfolgt – wie Italiens Regierungschefin Meloni und der niederländische Premier Rutte, die auch schon in Tunis waren. Vertraut Faeser der EU-Kommission nicht – oder gilt nun in Berlin das Prinzip: Doppelt hält besser? Wie dem auch sei: Greifbare Ergebnisse können weder Faeser noch von der Leyen vorweisen. Das Sterben geht weiter, EUropa steht deshalb international am Pranger. Am Dienstag ist übrigens Weltflüchtlingstag… – Mehr zur Flüchtlingspolitik hier
News
- Die EU-Kommission will die strengen europäischen Gentechnik-Regeln lockern und die Kennzeichnung bei Lebensmitteln aushebeln. Doch schon im Vorfeld regt sich Widerstand. – Mein Beitrag auf taz.de
- Wenige Wochen nach dem Europa-Gipfel in Moldau soll die wichtigste Oppositionspartei verboten werden. Das Verbot passt schlecht zu den EU-Auflagen für Beitrittskandidaten, wozu Demokratie und Meinungsfreiheit zählen… – Mehr hier (Blog)
- Der belgische Ermittlungsrichter Michel Claise gibt seinen spektakulärsten Fall auf – er will nicht länger mit dem “Katargate” befasst sein. Zur Begründung verweist er auf “neue Elemente” und den Schutz seines Privatlebens. – Mehr hier (La Libre Belgique, franz.)
Watchlist
Übernimmt Brüssel die Kontrolle über Investitionen in China? Diese Frage steht im Raum, wenn die EU-Kommission am Dienstag ihr Konzept von “Wirtschaftssicherheit” vorstellt. Es ist – wieder einmal – in den USA abgeschaut und soll sicherstellen, dass keine europäischen Gelder in (militär)strategisch wichtige Sektoren in China fließen. Die neuen Daumenschrauben kommen just in dem Moment, da Kanzler Scholz in Berlin die chinesische Regierung empfängt… – Siehe auch unsere Wochenvorschau hier
Was fehlt
Das (Anti-)Europa-Programm der AfD. Die EU sei “nicht im Sinne der AfD reformierbar”, heißt es im Leitantrag der Bundesprogrammkommission für die Europawahl im nächsten Jahr. Angestrebt werde daher die “geordnete Auflösung der EU”. Stattdessen will die Partei eine “neue europäische Wirtschafts- und Interessengemeinschaft gründen, einen Bund europäischer Nationen”. Das hatten wir schon ‘mal in den 60er Jahren – Back to the Future heißt wohl das Motto?
P.S. Dieser Newsletter ist ein Test im Zuge des für den Herbst geplanten Relaunchs. Ihr Feedback hilft uns, die “Watchlist” noch besser zu machen! Mehr Newsletter hier

Helmut Höft
21. Juni 2023 @ 12:07
Interessant zum Thema a) Tunesien und zu b) Bettina Rühl: „Wir wollen eure Demokratie nicht“
(Mali), beides dlf.
KK
20. Juni 2023 @ 13:04
Um bei abgewandelten Asterix-Zitaten zu bleiben:
Nancy Faeser hat zwar keinen Kessel zu füllen, aber eine Landtagswahl zu gewinnen.
Thomas Damrau
20. Juni 2023 @ 09:19
Zum Thema Tunesien kann man einen Ausspruch des alten Methusalix (https://de.wikipedia.org/wiki/Figuren_aus_Asterix#Methusalix) abwandeln: “Ich habe nichts gegen Autokraten. Einige meiner besten Freunde sind Autokraten. Solange die Autokraten kooperationwillig sind, ist gegen sie nichts einzuwenden.”
So hat es der Westen schon immer gehalten. Aber wehe, ein Autokrat ist bockig …