Export-Schock: Hoffnung auf rasche Erholung schwindet
Die deutschen Exporte sind wegen der Coronakrise so drastisch eingebrochen wie noch nie. Damit schwindet auch die Hoffnung auf eine schnelle Erholung in der EU. Vor allem Frankreich und Belgien bereiten große Sorgen.
Deutsche Firmen verkauften im April Waren im Wert von nur noch 75,7 Milliarden Euro ins Ausland – 31,1 Prozent weniger als ein Jahr zuvor. Dies sei der größte Rückgang seit Beginn der Außenhandelsstatistik 1950, wie das Statistische Bundesamt mitteilte.
Besonders drastisch brach der Export nach Frankreich ein (minus 48,3 Prozent). Auch Italien (minus 40,1) und die USA (minus 35,8) nahmen sehr viel weniger deutsche Waren ab. In der Krise rächt sich einmal mehr die deutsche Exportabhängigkeit.
Denn ohne den Exportmotor dürfte die Konjunktur nicht so schnell anspringen wie erhofft. Aus dem progostizierten “V” – einem starken Einbruch und einem ebenso starken Wiederanstieg – dürfte ein “U” werden, selbst ein “L” wie in Japan scheint nicht mehr ausgeschlossen.
Besonders große Sorgen bereiten Frankreich und Belgien. Die französische Wirtschaft bricht offenbar noch stärker ein als befürchtet. Und die belgische Zentralbank warnt, dass die Regierung bereits ihr Pulver verschossen habe, die Aussichten seien düster.
Zum Glück gibt es ja noch den Recovery-Plan der EU. Doch bisher ist er noch nicht in trockenen Tüchern. Bei den Beratungen der EU-Staaten dürfte er sogar noch kräftig gerupft werden – und bis das erste Geld fließt, werden noch Wochen vergehen…
Siehe auch “Recovery-Plan: Der Lack blättert”
European
9. Juni 2020 @ 16:07
Eigentlich ist jetzt die Zeit, um umzusteuern. Deutschland’s Exportlastigkeit macht nicht nur das Land extrem abhängig, sondern sorgt auch für Ungleichgewichte innerhalb Europas, besonders der Eurozone. In einem Binnenmarkt können nicht alle gleichzeitig Überschüsse machen. Exorbitante Überschüsse der wirtschaftlichen Wuchtbrumme Deutschland erfordern Defizite in anderen Ländern. (Stw. Merkantilismus, Beggar thy neighbor)
Spanien, Italien und Frankreich haben kein Schuldenproblem, sondern ein massives Einnahmenproblem.
Es wäre also der ideale Zeitpunkt für Deutschland, in die Binnenwirtschaft zu investieren und das Lohnniveau an die Produktivität anzuheben. Dann steigen auch die Importe und wir kaufen unseren Nachbarn auch ihre Produkte ab.
Über die Sinnhaftigkeit mancher Globalisierungsaktivitäten muss man sicherlich auch nachdenken, z.B. die Schaffung einer Ökobilanz für Produkte. Wieviel Bio ist noch im Bio-Apfel aus Neuseeland oder Südafrika wenn er erst noch 1000de Meilen fliegen muss?
ebo
9. Juni 2020 @ 16:17
Sehe ich ähnlich. Doch die Exportabhängigkeit ist in Berlin kein Thema. Wenn Frankreich ausfällt, wird man eben versuchen, den Freihandel mit Mercosur umso mehr zu pushen – das wird ein großes Thema unter dem deutschen EU-Vorsitz…
Ute Plass
9. Juni 2020 @ 13:15
“Rasche Erholung” im Sinne von ‘zurück zum Turbokapitalismus ‘ ist auch nicht erstrebenswert.
Dem ‘Virus sei Dank’ , wenn die Weichenstellung in Richtung Deglobalisierung und Konsumwende geht:
https://www.infosperber.ch/Artikel/Politik/Deglobalisierung-Nationalstaat-Ferien-Schweiz
https://awblog.at/corona-krise-als-konsumwendepunkt/?jetztlesen