Europawahl: Krah und AfD out, Trump und Milei in?
Neuordnung bei den Rechtspopulisten: Frankreichs Nationalisten-Führerin Marine Le Pen will nicht mehr mit der AfD in einer Fraktion sitzen. Umso heftiger flirtet sie mit Trump und Milei.
Drei Wochen vor der Europawahl zerbricht die rechte “ID”-Fraktion im Europaparlament. Frankreichs Nationalisten-Führerin Le Pen will nicht mehr mit der AfD in einer Gemeinschaft sitzen, meldet “Libération”.
Den Ausschlag gab offenbar ein Interview von AfD-Spitzenkandidat Krah in La Repubblica. Wer eine SS-Uniform trug, war nicht automatisch ein Krimineller, soll Krah gesagt haben. Das ist selbst für französische Rechte zu viel.
Le Pen hatte sich schon über die AfD-Sprüche zur “Remigration” beschwert und AfD-Chefin Weidel nach Paris zitiert. Die Französin bemüht sich um ein gemäßigtes Image; schließlich will sie Macron an der Spitze des Staates ablösen.
Taktischer Bruch
Aus dem taktischen Bruch lässt sich allerdings nicht schließen, dass die Rechten harmloser würden. Erst am Wochenende hatten Le Pen & Co. in Madrid dem Argentinier Milei gehuldigt, der scharf gegen die sozialistische Regierung schoß.
Zudem versuchen sie, mit US-Präsidentschaftskandidat Trump anzubändeln. An diesen Manövern ist auch Italiens postfaschistische Regierungschefin Meloni beteiligt – sie will ihre Machtbasis im EU-Parlament ausbauen.
Meloni hat es bereits geschafft, mit EU-Kommissionschefin von der Leyen anzubändeln und einige Deals zu machen. Nun versucht sie, auch Le Pen auf ihre Seite zu ziehen und außerhalb der EU “anschlußfähig” zu werden.
Ob das gelingt, bleibt abzuwarten. Klar ist nur eins: Man sollte sich nicht zu früh über den Bruch mit der AfD freuen – sondern das “Bigger picture” betrachten. Dass da jetzt Trump und Mileu auftauchen, lässt nichts Gutes ahnen…
Thomas Damrau
23. Mai 2024 @ 10:29
@all zum Thema Waffen-SS
Hilft es wirklich weiter zu analysieren, wie viel % der SS-Mitglieder sich wenig, ein bisschen mehr, reichlich oder überreichlich schuldig gemacht haben?
Krah hat meiner Ansicht nach versucht, in den trüben Gewässern zu fischen, in denen die „Unter Hitler war nicht alles schlecht“-Fraktion üblicherweise schwimmt.
(Vor einigen Jahrzehnten hat der rechte Flügel der CDU/CSU mit seiner heftigen Kritik an der Ausstellung zu den Verbrechen der Wehrmacht im 2. Weltkrieg Ähnliches versucht. https://de.wikipedia.org/wiki/Wehrmachtsausstellung )
Das Interview mit Krah auf Jung&Naiv ( https://jung-naiv.podigee.io/961-701-maximilian-krah-afd-spitzenkandidat-bei-der-europawahl ) wurde kritisiert, weil der Interviewer Krah zu viel Leine gegeben habe. Dabei hat die Interview-Technik, Krah einfach reden zu lassen, dazu geführt, dass die Eitelkeit und das schräge Weltbild Krahs Minute für Minute mehr hervorgetreten ist.
Fazit: Es aus meiner Sicht weniger um eine historische Bewertun von Krahs Aussage, sondern um Krahs Versuch, Alt- und Neu-Rechten Zucker zu geben.
Arthur Dent
24. Mai 2024 @ 00:11
„Hilft es wirklich weiter zu analysieren, wie viel % der SS-Mitglieder sich wenig, ein bisschen mehr, reichlich oder überreichlich schuldig gemacht haben?“ – Nee, hilft es nicht. Krah mag so überintelligent sein wie hundert Meter Waldweg – aber was mir voll auf den Keks geht, ist, dass der Begriff „Nazi“ praktisch inflationär in den Medien ge- und missbraucht wird. In Deutschland wimmelt es anscheinend nur so von Nazis und Antisemiten bis zur Halskrause. Erstaunlich, dass durch Zuwanderung die Bevölkerung immer weiter wächst. Und wie der (meiner Meinung nach völlig obsolete) und „trübe“ Verfassungsschutz als Hort der Demokratie gefeiert wird. Die Geschichte dieses Geheimdienstes ist eine Geschichte der Rechtsbrüche, des Machtmissbrauchs und der demokratischen Zumutungen. Dieser „Verein“ gehört selbst zu den größten Gefährdern der Demokratie.
Für mich sind das reine politische Machtspielchen, es geht um Machtverteilung (wer mit wem möglicherweise regieren will, wer nicht gewählt werden darf durch ständiges Beschwören von Brandmauern. Nur am Rande geht es wirklich um Recht und Unrecht oder um das Gemeinwohl für die Bürger.
Arthur Dent
22. Mai 2024 @ 23:57
Dass nicht alle Mitglieder der Waffen-SS automatisch Verbrecher waren, war bis in die 1980er Jahre Common Sense bei nahezu allen Parteien – saßen doch etliche noch im Deutschen Bundestag für CDU, FDP und SPD (siehe Liste des Wissenschaftlichen Dienstes über die NS-Vergangenheit von Abgeordneten des Deutschen Bundestages)
ebo
23. Mai 2024 @ 00:05
Sorry, aber wie das in Deutschland in der 80ern gesehen wurde oder was Grass in seiner Jugend gemacht hat, ist in diesem Zusammenhang völlig irrelevant. Im Ausland wird die Waffen-SS weiterhin als verbrecherische Organisation gesehen, sogar in den Reihen der Rechten und Nationalisten. Das ist historisch nachvollziehbar und hat bis heute eine enorme politische Wirkung, wie das Beispiel Le Pen zeigt. Wenn Krah so blöd ist, das zu ignorieren, darf er nicht in die (europäische) Politik gehen. Sogar die AfD scheint das langsam zu verstehen…
Arthur Dent
22. Mai 2024 @ 19:59
Reagan und Kohl 1985 auf dem Soldatenfriedhof in Bitburg-Kolmeshöhe. Dort lagen auch Gefallene der Waffen-SS. Hat nicht auch Kohl schon versucht zu relativieren?
Skyjumper
22. Mai 2024 @ 20:51
ich weiß nicht mehr ob (und wen ja wie) sich Kohl damals zu den SS-Gefallenen geäussert hat. Aber ich weiß noch recht gut, dass es sowohl in den USA als auch in DE zu deutlicher Kritik geführt hat dass die beiden diesen Friedhof besucht haben.
Skyjumper
22. Mai 2024 @ 16:32
Die Aussage von Krah lässt jegliches Feingefühl vermissen – wenn man es positiv ausdrücken möchte. Man könnte auch sagen der Typ ist nicht viel intelligenter als ein laufender Meter Baguette.
Und er hat m.E.n. auch in der Sache selbst Unrecht. Ausgehend von heutiger Rechts-/Gesetzeslage müsste man wohl zunächst feststellen, dass die SS zumindest eine verbotene Organisation wäre. Und gem. § 129 StGB wäre bereits die bloße Mitgliedschaft in deiner solchen Organisation strafbewehrt. Das es eine Einzelfallprüfung geben würde ist klar, aber dem ersten Anschein nach wäre jedes Mitglied ein Verbrecher. Da gibt es wenig dran zu deuteln.
Das es selbstverständlich das eine oder andere auffindbare, individuelle Mitglied der SS gibt. welchen kein weiteres persönlöiches Vergehen nachgewiesen werden kann ist wohl eine Binse. Dass rechtfertigt meiner Meinung nach aber keine solche Aussage.
Und für einen deutschen Politiker hätte hier gegolten: “Besser mal die Fresse halten”
exKK
22. Mai 2024 @ 16:09
Vielleicht haben Einzelne, die der SS angehörten, selbst keine Verbrechen wie Mord und ähnliches oder auch die Beihilfe hierzu begangen – nach heutiger Rechtsauffassung ist die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung allerdings als solche bereits ein Verbrechen. Und wenn die SS keine terroristische Vereinigung gewesen sein soll, wer denn dann?
Arthur Dent
22. Mai 2024 @ 09:58
War denn nun Grass ein Verbrecher? (Nach eigenen Angaben war er als siebzehnjähriger nur kurz bei der SS und hat keinen Schuss abgegeben). Warum ist er nicht dennoch vor Gericht gestellt worden? Weil er Nobelpreisträger war? (Den hätte vermutlich nicht bekommen, wenn er sein Geheimnis eher gelüftet hätte).
Warum fragt man eigentlich Le Pen nicht mal nach ihrem Standpunkt zum Algerien-Krieg? Der war ja auch brutal und blutig. Hunderttausende sind auch umgesiedelt worden.
Aber als Deutscher sollte man da wohl eher die Klappe halten.
Kleopatra
22. Mai 2024 @ 14:31
Grass war nicht nur nach damaligen Kriterien (Volljährigkeit mit 21 Jahren) minderjährig, sondern auch nach heutigen (18. Geburtstag erst nach Kriegsende!). Ohne konkreten Verdacht auf (Kriegs-)Verbrechen hätte man kein Gerichtsverfahren eingeleitet, Entnazifizierung betraf nur Personen ab 18 Jahren. Wirklich nachweisbar scheint bei Grass nur ein Kampfeinsatz als Panzersoldat zu sein. Da Geschütze arbeitsteilig bedient werden, schießen die meisten Panzersoldaten nicht selbst (Grass hätte als Ladeschütze die Kanone mit Munition geladen, aber eben nicht gezielt oder den Schuss ausgelöst).
Grass scheint meistens behauptet zu haben, er sei Panzersoldat in der Wehrmacht gewesen, und aufgeregt hat man sich am Ende m.W. vor allem darüber, das er das so lange verschwiegen hat (aber hätte er einfach sagen können, dass er in der Waffen-SS war? Wenn er danach nicht darauf stolz war, war das doch gerade vernünftig).
exKK
22. Mai 2024 @ 16:17
Strafmündigkeit tritt heute mit Vollendung des 14. Lebensjahrs ein, und in der Weimarer Republik war das nicht anders. Ab dann gilt und galt das Jugendstrafrecht.
Aber gerade im Dritten Reich wurden Jugendliche bei Begehung schwerer Straftaten bereits mit Vollendung des 16. Lebensjahres den Erwachsenen gleichgestellt.
Heute muss man damaligen jugendlichen SS-Angehörigen wie Grass allerdings zugute halten, dass sie mit der Nazi-Propaganda aufgewachsen sind und ihr Weltbild entsprechend geprägt war (wenn nicht in seltenen Fällen die Eltern gegengesteuert hatten).
Kleopatra
22. Mai 2024 @ 08:43
Ich meine mich zu erinnern, dass z.B. auch Günter Grass zur Waffen-SS gehörte und insofern natürlich zeitweilig die SS-Uniform getragen hat. Mit Bezug auf sich selbst hätte Grass sicher auch ähnlich Entlastendes über Träger der SS-Uniform behauptet oder zumindest gedacht. Im konkreten Kontext scheint Krah auszutesten, wie weit er gehen kann (“Ist der Ruf erst ruiniert, lebt sich’s völlig ungeniert”).
Michael
22. Mai 2024 @ 11:34
Naja, Grass hat auch gewusst warum er seine SS Mitgliedschaft jahrzehntelang verschwiegen hat!?
Karl
22. Mai 2024 @ 21:40
Sie plappern das nach, was Krah gesagt hat. Was der Friedensnobelpreisträger Grass selber dazu sagte – oder was er als 17jähriger Panzerschütze in den letzten Monaten eines verlorenen Krieges tat -, hätten sie im Internet oder in seiner Autobiografie nachlesen können.
Helmut Höft
22. Mai 2024 @ 08:30
Sry, ich mach hier dauernd den Misepeter, aber kommt jetzt nach “Die Erfahrung lehrt, dass die Erfahrung nichts lehrt!” die Aktualisierung “Nie wieder, heute; aber morgen? Warum nicht?!” *facepalm*