EUropas langer Arm trifft Le Pen in Frankreich – politisches Aus?
Der Führerin des rechten Rassemblement National (RN), M. Le Pen, droht zwei Jahre vor der nächsten Präsidentschaftswahl in Frankreich das politische Aus. Ein Gericht hat sie von allen öffentlichen Ämtern ausgeschlossen. Wie (un-)demokratisch ist das?
Le Pen wurde von einem Pariser Gericht schuldig gesprochen, mehr als vier Millionen Euro aus Mitteln des EU-Parlaments veruntreut zu haben, um Mitarbeiter ihrer Partei in Frankreich zu bezahlen.
Die Richter entschieden zudem zur allgemeinen Überraschung, dass Le Pen mit sofortiger Wirkung für fünf Jahre von allen öffentlichen Ämtern ausgeschlossen wird.
Damit kann die 56-Jährige nicht wie erwartet als Kandidatin bei der Präsidentschaftswahl in Frankreich 2027 antreten, sofern das Urteil rechtskräftig wird.
Derzeit liegt Le Pen in allen Umfragen vorn – vor dem rechtsliberalen Präsidenten Macron, der nicht einmal mehr über eine parlamentarische Mehrheit verfügt.
Eine hochpolitische Entscheidung
Dieser Kontext und der eminente europapolitische Hintergrund des Urteils wirft schwerwiegende Fragen zum Zustand der Demokratie und der Unabhängigkeit der Gerichte in Frankreich und in der EU auf.
Die strittige Affäre liegt viele Jahre zurück – Le Pen war 2004-2017 Europaabgeordnete. Jahrelang passierte nichts. Doch seit der Europawahl 2024 greifen Politik und Justiz in EUropa hart gegen die Rechte durch – zuletzt in Rumänien.
Die Entscheidungen wirken politisch motiviert. Auch wenn sich das schwer nachweisen lässt – die politische Wirkung ist kaum zu überschätzen. In Frankreich spricht man bereits von einem “politischen Erdbeben”…
Mehr zu Le Pen hier, Update hier: Trump, Meloni, Orban: Der Fall Le Pen schlägt hohe Wellen – Brüssel schweigt
P. S. Le Pen hat Berufung eingelegt. Dennoch gilt der Entzug des passiven Wahlrechts und das Verbot der Aufnahme öffentlicher Ämter ab sofort. Das ist eines Rechtsstaats nicht würdig und wiederum ein Politikum!
Helmut Höft
5. April 2025 @ 21:35
@ebo
Es geht mir nicht ums Rechthaben, aber „Es ist also nicht so, dass diese Frage in der juristischen Beurteilung keine Rolle spielen würde, wie Florin behauptet.“ höre ich nicht aus Florins Kommentar heraus … und würde ggf. wohl in die Rubrik „Würdigung aller Umstände“ fallen, wie man sie wohl in einem bedeutenden Verfahren erwarten kann.
Ich bin eben nicht der Meinung, dass ein solcher Fall „… eine besondere Dimension an[nimmt], wenn eine von einem Richter gefällte Entscheidung in Präsidentschaftswahlen eingreift, …(Il prend une dimension particulière lorsqu’une décision rendue par un juge interfère avec des élections présidentielles, …)“. Er nähme dann eine besondere Dimension an, wenn kriminelle Handlungen/Personen mit solcher Begründung anders abgeurteilt würden, als sie es bisher sind; eine Berufung steht ja noch aus. Die Berufung zu beschleunigen könnte ein juristisch zulässiges(??), politisch faires(?) Angebot an Le Pen sein. Schaun merr ma.
Zurück zum Anfang: Was sehe ich falsch?
Helmut Höft
5. April 2025 @ 11:57
Le Pen-Nachtrag:
Die „einen Wellen“ schlugen hoch weil das Gericht keine Wahl hatte und „dat Marinesche“ seine Strafe abbekam, andersrum hätten die „anderen Wellen“ genauso hoch geschlagen – genauso schlecht.
Was, wenn die Gesellschaft nach rechts driftet … die Gerichte aber einfach nur gesetzestreu bleiben? Das Gericht hatte wohl tiefere Einblicke als sie sich einem Betrachter ohne weiteres erschließen … und jetzt schlägt „dat Marinesche“ um sich. „Wat is dat dann?“
hier: https://www.n-tv.de/politik/politik_wieduwilts_woche/Je-suis-Rechtsstaat-article25682272.html
hier: https://www.n-tv.de/politik/Le-Pens-Partei-laesst-die-Maske-fallen-article25682137.html
und hier: https://www.n-tv.de/politik/Le-Pens-Partei-laesst-die-Maske-fallen-article25682137.html
Wenn’s mir nicht gefällt, dann machen wir halt ’ne Großdemo!! „Vox populi vox Rindvieh“ sagte Franz-Josef seelig einmal dazu. Den Populisten – Le Pen, Meloni, Trump usw. – zu viel Aufmerksamkeit mit zu wenig Hintergrund zu widmen ist auch Populismus der schlechteren Art.
Helmut Höft
5. April 2025 @ 11:25
Ein Kommentar mitten aus dem Herzen – leider noch kein direkter Link vorhanden, dlf, ~13h15 h – aber dieser sollte bald zur Verfügung stehen: „Urteil gegen Marine Le Pen: Ein Ausdruck der Gewaltenteilung“
Natürlich von Christiane Florin, da sollte mann immer hinhören!!
ebo
5. April 2025 @ 18:10
Hier ist der Link: https://www.deutschlandfunk.de/kommentar-zu-le-pen-urteil-die-rechten-spalter-zerstoeren-die-gewaltenteilung-100.html
ebo
5. April 2025 @ 18:23
Hab mir den Kommentar gerade angehört. Er ist in einem wichtigen Punkt falsch: Das Pariser Gericht hat sich sehr wohl mit der Frage beschäftigt, ob es mit seinem Urteil in die Präsidentschaftswahl in Frankreich eingreift. Es kommt zu dem Ergebnis, dass ein “trouble majeur” eintretn würde, wenn eine wegen Veruntreuung verurteilte Person (wie Le Pen) bei einer Wahl antreten oder sogar gewählt werden sollte. Es ist also nicht so, dass diese Frage in der juristischen Beurteilung keine Rolle spielen würde, wie Florin behauptet. Und man kann in der juristischen Beurteilung auch zu einem ganz anderen Ergebnis kommen, wie sich hier nachlesen lässt.
Arthur Dent
1. April 2025 @ 18:09
Le Pen war Europa-Abgeordnete von 2004 – 2017. Gibt es für Veruntreuung/ Korruption keine Verjährungsfristen in Frankreich? In Deutschland liegen die bei fünf Jahren.
Gaston
1. April 2025 @ 14:14
Ich nehme an, dass Le Pen doch schuldig ist. Insofern ist es korrekt, dass sie bestraft wird. Die Realität ist, dass Betrügereien dieser Art fast politische Routine geworden sind, sie werden als Bagatelle oder als Kavaliersdelikt betrachtet, sie sind ein Teil der politischen “Normalität”, niemand kümmert sich darum, auch nicht die Justiz. Aber Le Pen ist (oder war) politisch gefährlich. Ihr Sieg bei der nächsten Wahlen in Frankreich war unvermeidbar. In einem solchen Fall reagiert das System und findet so etwas wie eine “selektive Ermittlung”. Die Justiz öffnet plötzlich die Augen und handelt überraschend streng. Danach wird sie wieder schlafen, während systemtreue Abgeordnete weiter neue und alte Kavaliersdelikte begehen.
Michael
1. April 2025 @ 11:50
Sehr gute Frage! Leider haben Politik, Justiz und Medien kein Langzeitgedächtnis!
Sabine
1. April 2025 @ 09:41
Wie viele Jahre sind eigentlich damals die bayerischen Landtagsabgeordneten, die nachweislich ihre minderjährigen Kinder auf Kosten des Steuerzahlers “beschäftigten”, in den Knast gewandert? Mussten die das Geld eigentlich zurückzahlen? Und haben die mit sofortiger Wirkung ihr Mandat verloren?
KK
1. April 2025 @ 02:25
@ Kleopatra:
“Für jedes rechtsstaatliche Gericht ist vor allem entscheidend, was dem Angeklagten nachgewiesen werden kann.”
Den Satz schleudern Sie mal zB einem Gustl Mollath ins Gesicht!
Kleopatra
31. März 2025 @ 22:20
@ebo: Für jedes rechtsstaatliche Gericht ist vor allem entscheidend, was dem Angeklagten nachgewiesen werden kann. Ein Abgeordneter, der die Honorierung eines Assistenten beantragt, der nicht für ihn als Abgeordneten arbeitet, ist leicht zu überführen; um den Parteivorsitzenden zu verurteilen, müsste man irgendwie (Briefe? E-Mails?) nachweisen, dass er in die Falscherklärung involviert war, was das Gericht offenbar nicht als genügend belegt ansah. Aus Sicht des Gerichts gab es offenbar nur einen starken Verdacht, und der reicht einfach nicht für eine Verurteilung.
Helmut Höft
31. März 2025 @ 18:18
In den USA ein verurteilter Straftäter, da will Frankreich nicht zurückstehen. So ist das in der Politik.
Hierzu zwei Zitate, Albert Camus: „Ich weiß natürlich, dass das Tragen feiner Wäsche nicht unbedingt schmutzige Füße voraussetzt. Immerhin, gepflegter Stil und Seidenhemden haben mit einander gemein, dass sie nur allzu oft einen häßlichen Ausschlag verbergen.“ (Albert Camus in Der Fall)
und Henry L. Mencken: „Wir bewegen uns auf ein erhabenes Ideal zu. An irgendeinem großen und glorreichen Tag werden die einfachen Leute des Landes endlich ihren Herzenswunsch erfüllen, und das Weiße Haus [das Regierungsamt] wird von einem regelrechten Schwachkopf geschmückt werden.“ The Evening Sun, Baltimore, 26.07.1920 siehe hier: https://www.hhoeft.de/mythos/index.php/2020/11/09/zwischenruf-081120-hellseherei-oder-die-saat-geht-auf-2020-in-der-voraussicht-von-1920/
Das Gericht hat befunden, das Marine-Caroline Le Pen gefehlt hat … und hatte dann keine andere Wahl!
Monika
31. März 2025 @ 18:15
Diese mittlerweile gängige und sehr beliebte Praxis Konkurrenten mit „Korruptionsklagen“ auszuschalten hat einmal den Charme, dass „angreifende“ Kandidaten nicht von Immunitäten geschützt werden, die „Verteidiger“ auf den Regierungsposten jedoch „unangreifbar“ sind, solange sie im Amte walten. Zweitens, selbst wenn sich bei Gericht die Unschuld erweisen sollte, hat sich der Prozess schon Jahre hingezogen, und es nutzt nichts mehr „im Recht“ gewesen zu sein. Soo viiel schade….So sorry…
Es ist der primitive, perfide Missbrauch der Justiz, der sprachlos macht.
Unser angeblich „bestes Staatssystem“ Demokratie wird gerade regelrecht durch den Fleischwolf gedreht. die Verlockungen der autokratischen Herrschaft sind halt zu verlockend. Und wenn alle Stricke reissen: dann Kriegsrecht.
Recht des Stärksten und Skrupellosesten. Schlimmer wie auf dem Affenfelsen…
Michael
31. März 2025 @ 16:26
Wahlweise geht es um Recht oder Gerechtigkeit, nie um Demokratie!
Ulla
31. März 2025 @ 16:22
„Jedes Mitglied des Europäischen Parlaments kann seine Assistenten frei wählen und verfügt über ein Budget von 28.696 Euro pro Monat, um diese „kleinen Hände“ zu bezahlen, die für das Leben der Institution unverzichtbar sind. Gewählte Mitglieder dürfen keine nahen Verwandten beschäftigen und das Europäische Parlament veröffentlicht die Liste aller Assistenten auf seiner Website.“
Ich will mich jetzt nicht gross herumstreiten, ob das Scheinjobs waren oder nicht, Tatsache ist doch, dass der Europa-Abgeordnete seinen Assistenten frei waehlen kann und eben auch von ihm bezahlt wird.
Wo steht denn geschrieben, dass der Assistent hauptsaechlich im Europa-Parlament in Strasbourg seiner Arbeit nachgehen muss?
„Gemäß Artikel 325 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union müssen die EU und ihre Mitgliedstaaten „ Betrug und sonstige rechtswidrige Handlungen zum Nachteil der finanziellen Interessen der Union “ bekämpfen. Zu diesem Zweck sind sie verpflichtet, Maßnahmen zu ergreifen, die „ abschreckend sind und einen wirksamen Schutz in den Mitgliedstaaten sowie in den Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union bieten “.
Das Hauptziel von OLAF bestehe darin, „mutmaßliche Fälle von Betrug zu Lasten des europäischen Haushalts, Korruptionsfälle und schweres Fehlverhalten innerhalb der europäischen Institutionen “ zu untersuchen, heißt es auf der Website des Amtes .
Tja, dann es waere doch mal sinnvoll die Nichtoffenlegung der geheimen Vertraege, die Frau von der Leyen per SMS abgeschlossen hat, zu untersuchen, ich verstehe sonst den Satz
„ Betrug und sonstige rechtswidrige Handlungen zum Nachteil der finanziellen Interessen der Union “ nicht!
KK
31. März 2025 @ 15:33
“…wirft schwerwiegende Fragen zum Zustand der Demokratie und der Unabhängigkeit der Gerichte in Frankreich und in der EU auf.”
Auch die jüngsten Entscheidungen des BVerfG zur
a) Neuauszählung der Bundestagswahl trotz nachgewiesener mannigfacher Unstimmigkeiten und
b) zur GG-Änderung mithilfe eines bereits abgewählten Parlaments im Hauruck-Verfahren auf den buchstäblich letzten Drücker
wirft erhebliche Fragen zum Zustand der Gewaltenteilung in Deutschland auf!
Kleopatra
31. März 2025 @ 15:22
Niemand hat freilich Le Pen gezwungen, EP-Gelder für Personen zu verwenden, die ihr nicht als EP-Abgeordnete zugearbeitet haben. Dass ein Verfahren gegen Europaabgeordnete lange dauert, ist systembedingt. (Ineinandergreifen von Vorschriften des EP und von nationalem Strafrecht).
Bayrou war offenbar im fraglichen Zeitraum nicht Europaabgeordneter, sondern nur Parteivorsitzender, so dass ih wohl nichts nachgewiesen werden konnte; außerdem ging es bei MoDem um viel geringere Beträge als bei Le Pen.
ebo
31. März 2025 @ 17:28
Bayrou war von 1999 bis 2002 Mitglied des Europaparlaments. Die Affäre betrifft die Jahre 2015-2017, da war er Parteichef und soll das System der “Zweckentfremdung” der EU-Gelder gesteuert haben.
Le maire de Pau était soupçonné d’être le “décideur principal” d’un “système frauduleux” ayant consisté à utiliser des fonds du Parlement européen pour rémunérer des assistants parlementaires qui travaillaient en réalité pour son parti en France.
Für ein französisches Gericht sollte eigentlich seine Rolle bei Betrug und Veruntreuung entscheidend sein, nicht seine Mitgliedschaft im EP!?
Ulla
31. März 2025 @ 14:39
Tja wenn zwei das Selbe tun ist es noch lange nicht das Gleiche!
Ich denke in ganz EUropa ist das Usus, politische Konkurrenten, die man mit Wahlen nicht wegbeissen kann, werden halt mit Hilfe der Justiz vom Regieren ferngehalten!
“Am Montag, dem 5. Februar, sprach das Pariser Gericht François Bayrou in einem Fall der Veruntreuung europäischer Gelder frei , berichtet AFP. Insgesamt wurden elf Personen wegen Verbrechen angeklagt, die sie zwischen 2005 und 2017 begangen hatten, als der zentristische Politiker den Vorsitz der UDF und später der MoDem innehatte. ”
https://www.touteleurope.eu/vie-politique-des-etats-membres/affaire-des-assistants-parlementaires-du-modem-francois-bayrou-relaxe-cinq-anciens-eurodeputes-condamnes/
Nun ist Monsieur Bayrou von Napelons Gnaden, pardon von Macrons Gnaden sogar “premier ministre” geworden, tja so viel Glueck hat Madam Le Pen jetzt nicht mehr obwohl auch ihre “Verbrechen” in den Jahren 2004 und 2016 begangen wurden, zur selben Zeit wie des Monsieurs Bayrou!
Noch ein kleiner Spruch gefaellig (heute morgen bei Overton gelesen)
Stehle nicht
Lüge nicht
Betrüge nicht
– die Regierung duldet keine Konkurrenz!
ebo
31. März 2025 @ 14:42
Danke für den Hinweis, diese Parallele hatte ich noch nicht gesehen. Wirkt in der Tat nach “zweierlei Maß”…