EUropas Jahr der „letzten Chance“
Als J-C. Juncker Ende 2014 in Brüssel antrat, nannte er sein Team die „EU-Kommission der letzten Chance“. Nun beginnt das Jahr der letzten Chance – denn 2019 endet die Amtszeit des Juncker-Teams.
Was bis zu Junckers Abgang im Mai oder Juni 2019 umgesetzt werden soll, muss bis zum Herbst 2018 auf den Weg gebracht werden. Hier die wichtigsten Termine:
- 4. März 2018: Parlamentswahl in Italien. Ähnlich wie in Deutschland droht auch im drittgrößten Euroland eine Hängepartie. Wenn es dumm läuft, könnte das die Märkte erschüttern.
- Ostern 2018: Entweder hat Deutschland dann eine neue Regierung – oder es gibt Neuwahlen. Letzteres wäre für die EU fatal, denn dann wären 2018 kaum noch Reformen möglich.
- Juni 2018: Beim EU-Gipfel wird sich zeigen, ob EUropa seine „letzte Chance“ nutzt – oder verschläft. Auf dem Programm steht eine Reform der Flüchtlingspolitik und ein Umbau der Währungsunion.
- August 2018: Der 3. Bailout für Griechenland endet. Noch ist unklar, ob sich das Land dann wieder selbst an den Märkten refinanzieren kann – oder ob es aus dem Euro ausscheiden muss.
- Herbst 2018: Der Brexit-Deal mit der EU soll unterschriftsreif sein. Die große Frage ist, ob das Europaparlament und das britische Unterhaus mitspielen – und was passiert, wenn es Probleme gibt.
Und hier die wichtigsten Fragen, die über die Zukunft der EU entscheiden:
- Werden endlich die Bürger an wichtigen europapolitischen Entscheidungen beteiligt, wie es Frankreichs Macron und das Europaparlament fordern – oder bleibt die EU ein Club der Eliten, wie ihn Merkel offenbar präferiert?
- Bekommt die EU ein größeres Budget, um ihre neuen Aufgaben zu erfüllen – oder empfiehlt Budgetkommissar Oettinger ein kleines, konditioniertes Budget, bei dem es viele Verlierer und wohl auch Strafen geben wird?
- Wird die Währungsunion zur Euro-Gemeinschaft mit eigenem Budget und demokratischer Mitwirkung umgebaut, wie es Macron wünscht – oder bleibt der Euro zwischenstaatlich, also deutsch, wie es Merkel gefällt?
- Bleibt die EU „inklusiv“ und offen für alle, wie es Juncker und Merkel wünschen – oder kommt ein stärker integriertes Kerneuropa, wie es Macron vorschwebt, um Bremser wie Polen oder Ungarn abzuschütteln?
- Entwickelt sich die EU in Richtung auf die Vereinigten Staaten von Europa, wie dies SPD-Chef Schulz fordert – oder erleben wir die Rückkehr der Nationalstaaten, wie ihn CSU und AfD propagieren?
Peter Nemschak
2. Januar 2018 @ 11:50
@Manfred Waltermann Jeder muss für sich die Frage stellen, was er für Deutschland und persönlich in Zukunft von einer wie immer aufgestellten EU erwartet, und was er unter den gegebenen Umständen für realistischerweise erreichbar hält. Jede denkbare Alternative hat Vor- und Nachteile so wie Risiken auf persönlicher und Makroebene. Die wirtschaftliche integration der Mitgliedsländer wird vermutlich auch in Zukunft die stärkste Klammer darstellen, die Bedrohung der europäischen Wohlfahrtsstaaten durch unkontrollierte Immigration die größte Bedrohung. Letztere lässt sich nur EU-gesamthaft bewältigen, und das nur durch ein wenig spektakuläres Maßnahmenbündel. Wahrscheinlich werden in diesem Prozess manche Staaten näher zusammenrücken, andere zurück bleiben.
Claus
2. Januar 2018 @ 09:24
Ich lese: „Ostern 2018: Entweder hat Deutschland dann eine neue Regierung – oder es gibt Neuwahlen . . .“
Was sollten Neuwahlen bringen, wenn mit einer Merkel-CDU nichts anderes dabei herauskommen dürfte? Ich denke, dass sich diese Erkenntnis zunehmend durchsetzt und personelle Änderungen kommen werden. Die winterlichen Monate Januar bis März lassen viel Zeit zur innerpolitischen Reflexion.
Und wo wir gerade bei März sind, FAZ vom 23. Dezember:“ Friedrich Merz, der frühere Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, rät davon ab, eine Minderheitsregierung für Deutschland von vornherein auszuschließen. „Dies ist ja nichts, was am Rande der Verfassung stattfinden würde“, sagte Merz der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.“
Da scheint sich was zu tun.
ebo
2. Januar 2018 @ 09:29
#Claus Sie haben natürlich völlig recht, eine Minderheitsregierung wäre auch eine Option, und zwar nicht die schlechteste. Allerdings hat Merkel das ausgeschlossen. Bei Neuwahlen könnte es durchaus sein, dass sie nicht mehr antritt…
Peter Nemschak
2. Januar 2018 @ 10:31
Was für die SPD nützlich wäre, muss nicht zwingend für CDU/CSU oder für Deutschland oder die EU von Vorteil sein. Eine Minderheitsregierung würde die Stimme Deutschlands in Europa schwächen, der CDU/CSU sich nicht helfen, der SPD eher schon. Es ist die Frage, ob die Mehrheit der Deutschen das will?
Manfred Waltermann
2. Januar 2018 @ 11:28
@ebo
„Bei Neuwahlen könnte es durchaus sein, dass sie nicht mehr antritt“
Meinen Sie das als Drohung oder als Verprechen? –
Letzteres wäre wohl die beste Lösung für viele ungelöste Probleme, denn DIESE EU – und ich wiederhole mich seit Jahren – ist faktisch nur zu retten, indem sie von neuen Kräften und weniger Staaten neu aufgestellt wird.
Die Liste der Termine und Fragen zeigt, wie aussichtslos die Reformbemühungen sind. Ob Macron oder Schulz, keiner hat bisher eine tragfähige Lösung angeboten.
Und schon in 2 Monaten – nach der Italien-Wahl – wird´s einen weitere Mühlstein am Hals dieser EU geben!
Claus
2. Januar 2018 @ 16:32
@Peter Nemschak: Was soll für die SPD in irgendeiner denkbaren Konstellation denn noch nützlich sein, um sich nicht mehr wie jetzt die 20%-Marke von unten anzuschauen? In einer GroKo (besser 53% KleiKo) mit der CDU besetzt Merkel weitere SPD- (wie auch Grüne-) Themen und pulverisiert die SPD weiter. In der Rolle der Opposition hat die SPD der CDU programmatisch nichts außer dem Schwachsinn „Bürgerversicherung“ entgegenzusetzen, da beide Parteien inzwischen Links ticken. Das gilt auch im Falle einer CDU-Minderheitsregierung, in der sich die SPD nicht wieder profilieren könnte. Wenn Schulz noch etwas Humor hätte, könnte er sagen: „Ja zur GroKo mit mir als Kanzler“. Ansonsten sehe ich keine Trümpfe in seinem oder dem Ärmel der SPD. Tragisch eigentlich, wenn ich an die Zeiten von Helmut Schmidt zurückdenke.
ebo
2. Januar 2018 @ 17:04
@Claus Genau, die einzig attraktive Option für Schulz wäre es, wenn er Merkel nach 2 Jahren ablösen würde. Aber er kann sich nicht einmal sicher sein, dass seine Genossen das wollen würden…
Peter Nemschak
1. Januar 2018 @ 21:37
Ich rechne mit einem sich entwickelnden Kerneuropa unter Zurücklassung unwilliger Osteuropäer. Die Vereinigten Staaten von Europa werden Fernziel bleiben, da der politische Wille nicht vorhanden und ein größeres Budget bei den Steuerzahlern nicht beliebt ist. Die Nationalstaaten gibt es schon. Also braucht es keine Rückkehr zu ihnen. Zwar wollen die Bürger gerne überall mitreden, aber in welcher Form soll das passieren? Wirklich viel Zeit wollen die Bürger dafür nicht verwenden. Das Interesse vieler Bürger beschränkt sich auf einzelnen Themen, die gerade in sind. Und diese wechseln sehr schnell.