Ohne Maß und Mitte
Lässt sich die EU von Populisten und Nationalisten nach rechts treiben? Bisher war dies nur ein böser Verdacht. Doch die Entwicklungen in Berlin und Brüssel zeigen, dass Maß und Mitte verloren gehen. Beim EU-Gipfel kam es zum Eklat.
An den Niedergang der Sozialdemokraten haben wir uns schon gewöhnt. Sie hätten sich zu sehr an die bürgerliche Mitte angenähert und dabei die Interessen ihrer Wähler vergessen, heißt eine gängige Erklärung.
Doch nun ist das Mitte-Rechts-Lager, das in der EU seit Jahrzehnten den Ton angibt, selbst unter Druck. Es wird ihm nicht standhalten, schreibt der renommierte Journalist P. Taylor. Sogar Kanzlerin Merkel steht mit dem Rücken zur Wand.
Das hat nicht nur mit der CSU und der AfD zu tun, sondern auch mit einem europaweiten Trend: Der Enttäuschung über die herrschenden Eliten – und dem Vormarsch nationalistischer und populistischer Parteien.
Diese ziehen längst nicht mehr nur enttäuschte Wähler der Sozialdemokraten und der Linken an, sondern auch die alte, mittelständische Klientel der Christdemokraten und Konservativen.
Denn die Konservativen haben in den Augen vieler Wähler nicht konservativ regiert, sondern zu viele “linke” und “liberale” Themen aufgegriffen und zugleich die etablierte Ordnung über den Haufen geworfen.
Verantwortlich dafür wird in vielen Ländern Merkel gemacht, die mit ihrer Flüchtlingspolitik angeblich den sozialen Zusammenhalt bedroht. Beim EU-Gipfel formierte sich jetzt erstmals offener Widerstand.
Merkel hatte das Treffen nicht im Griff, wie viele deutsche Medien schreiben. Nein, sie wirkte wie eine Getriebene und musste den Hardlinern aus Italien, Malta oder Ungarn hinterherlaufen.
Erst hatte ein Vier-Augen-Gespräch mit dem italienischen Premier Conte, mit dem sie die Wogen glätten wollte. Doch es kam anders: Conte blockierte den gesamten EU-Gipfel, um Konzessionen bei der Migration zu erreichen.
Zuvor hatte ein Conte-Intimus betont, über Merkels Wünsche könne nur dann gesprochen werden, wenn auch Italiens Anliegen berücksichtigt würden. Es komme nicht in Frage, nur über Sekundärmigration zu sprechen.
Dabei waren Merkel und die anderen “Mitte-Rechts”-Politiker ihren Gegnern schon weit entgegengekommen. Sie wollen die Außengrenzen aufrüsten und Auffanglager in Südeuropa oder Afrika einrichten.
Damit tun sie genau das, was Populisten und Nationalisten fordern. Aus Angst vor dem Machtverlust gibt das bürgerliche Lager seine eigenen Prinzipien auf – und Merkel verlauft es dann als “europäische Lösung”…
Siehe auch meinen aktuellen Gipfelbericht auf “telepolis”
WATCHLIST:
- Am zweiten Tag des EU-Gipfels geht es um die Reform der Eurozone und um den Brexit. Bei beiden Themen sind keine Fortschritte zu erwarten – Macron ist mit seinen Visionen vorerst gescheitert. Sein Prestigeprojekt, das Eurozonen-Budget, wird im Entwurf der Gipfel-Schlußfolgerungen nicht einmal erwähnt. Wiedervorlage im Dezember…
Siehe dazu auch meinen Artikel in der taz
WAS FEHLT:
- Ein EU-Russland-Gipfel. Während US-Präsident Trump und Russlands Zar Putin nun doch noch ein Treffen in Helsinki vereinbart haben, zeichnet sich in der EU keine Entspannung ab. Im Gegenteil: Ab 2024 soll Militärgerät ungehindert nach Osten rollen. Außerdem will die EU entschieden gegen russische Propaganda vorgehen! Und wann wird Fox TV verboten?
Siehe auch Trump blamiert Mogherini & Co.
Heinz
29. Juni 2018 @ 17:52
In der Welt und jetzt auch hier findet man weit überwiegend Kommentatoren,
die diese enorme illegale Migration ablehnen und endlich wirksame Taten erwarten. Endlich!
Mit Merkel wird das aber nie was, weil sie nicht beliebig ist sondern es absolut nicht will. Obwohl sie an der Macht klebt und natürlich die Stimmung im Volk kennt, wird sie immer alle echten Lösungen hintertreiben, verwässern und wirkungslos machen.
Aus einer tiefen inneren Überzeugung heraus, die sich aus einer Mischung aus
Protestantischen Ethos, DDR Sozialismus und Weltrettungs-Sendungsbewustsein zusammen setzt will sie nicht die Interessen des deutschen Volkes wahren, sondern es erziehen möglichst viel Lasten für andere
auf sich zu nehmen, also kurz, Gut und Selbstlos zu sein vor Gott und Karl Marx.
GS
29. Juni 2018 @ 12:12
Nach längerer Zeit mal wieder ein Kommentar von mir. Ich finde es eigentlich sehr einfach. Die klassische Rechte erlebt gerade ihren Agenda-2010-Moment. So wie die SPD und die europäischen Sozialdemokraten ihre Wählerschaft mit der bedingungslosen Liberalisierung der Wirtschaft unwiederbringlich verloren haben, passiert es den früheren Mitte-Rechts-Parteien nun mit der Masseneinwanderung. Niemand wählt konservativ um hinterher mit ner Million Araber und Afrikaner beglückt zu werden. Und der Zustrom bleibt ja weiter auf enorm hohen Niveau. Er ist nur im Vergleich zu 2015 niedrig, nicht aber im historischen Vergleich.
Mal im Ernst, verwundert es denn nicht, dass eine vermeintliche Mitte-Rechts-Kanzlerin am meisten von den Funktionären und Anhängern der Grünen gestützt wird? Da ist doch der Kompass völlig verloren gegangen. Wenn man sich dann noch auf Twitter anguckt, wie diverse CDU-Aktive schon fast auf “no borders, no nations” machen, kann man nur noch den Kopf schütteln. Dass überall in Europa immer wieder neue Regierungen rechts der früheren Konservativen rankommen und hierzulande die AfD irgendwann bei 20 % rauskommt, ist überhaupt kein Wunder, wenn im Zentrum Europas grüne und linksliberale Einwanderungspolitik gemacht wird.
Auf mittlere Sicht steuern wir in Europa darauf zu, dass die schon länger hier Lebenden rechts wählen werden und die Migranten und deren Sprösslinge links. Damit wird der Wohlfahrtsstaat fallen. Mir schleierhaft, dass auf der politischen Linken das niemand erkennen will.
Claus
29. Juni 2018 @ 12:00
Niedergang der Sozialdemokraten, weil sie sich zu sehr an die Bürgerliche Mitte angenähert haben? FALSCH. Ein wohlgefälliges, gut dotiertes Bonzentum hat schlichtweg vergessen, für wen es Politik machen soll. Und ehemalige Wähler haben inzwischen zur Kenntnis genommen, dass das Thema Migration primär gegen sie selbst läuft.
Vormarsch nationalistischer und populistischer Parteien? FALSCH. Die ehemalig „Volksparteien“ haben die „Mitte“ geräumt und sich nach Links gedreht. Neue bürgerliche Bewegungen haben das in der Mitte entstandene Vakuum aufgefüllt und sind jetzt Mitte-Rechts wenn nicht schon Mitte. Würden AfD-Leute heute wortgleich die Reden halte, die Merkel vor 15 Jahren gehalten hat, wären ihnen Sondersendungen nach der Tagesschau und Illner-, Kleber- und Slomka-Empörungstribunale sicher.
„. . . Merkel und die anderen “Mitte-Rechts”-Politiker“? FALSCH. Wo ist Merkel denn „Mitte-Rechts“? Sie ist inzwischen deutlich Grün-Links, vielleicht war sie es auch schon immer, mit ihrer Vita hätte sie vermutlich in jeder Partei zu Wendezeiten Karriere machen können.
Georg Soltau
1. Juli 2018 @ 12:47
@ Claus
wo bitte ist Frau Merkel eigentlich links, wo bitte sind es die Grünen ?, nur weil die SPD versucht hat Frau Merkel rechts zu überholen ist diese noch lange nicht links.
Es hat sich leider das ganze Spektrum verschoben: von kaum noch links bis ganz besonders rechts, und dabei verschiebt sich dann auch die „Mitte“… leider nach rechts.
Claus
3. Juli 2018 @ 18:27
@Georg Soltau: Über das politische Koordinatensystem wird ja gern gestritten, und das ist auch gut so. Hier meine Sicht: Um die „GroKo“, die heute keine mehr ist, für ihren Machterhalt noch hinzubekommen, hat sich Merkel darauf zurückgezogen, nur noch eine in den politischen Kernbereichen (Beispiel Finanz- und Außenpolitik) mit SPD-Leuten besetzen Regierung zu moderieren. Wenn wir uns nun darauf verständigen können, die SPD politisch Links einzuordnen (so definierte sich die SPD bis vor kurzem noch selbst, inzwischen fabuliert sie eher von der Mitte, vermutlich auf Anraten eines neuen Beratungsunternehmen, da Links nicht mehr chic ist, was aber zur BTW 2017 nichts genützt hat) moderiert Merkel eine Links-Regierung. Damit könnte sie genauso gut die Vorsitzende der SPD sein, ohne dass es jemand merken müsste. Schauen wir uns nun ihre Migrationspolitik an, liegt diese eindeutig auf der Linie der Partei Die Linke, der SPD wie auch der Grünen und ist damit deutlich Links: Jeder ist willkommen, keiner ist illegal. Wobei sich noch darüber streiten ließe, ob die Grünen nur Links sind oder manchmal auch etwas Links-Liberal, das spielt hier aber keine Rolle.
Bildungspolitik der Länder: Wo Grüne oder SPD wirken, ist die Lage gruselig. Kein Leistungswettbewerb, möglichst keine Noten (könnte die Kinder traumatisieren), jeder darf schreiben, wie er möchte, solange es genderkonform ist. Ist auch Links, oder?
Solveig Weise
29. Juni 2018 @ 11:03
Ich bin davon überzeugt, dass nur Personen, die bereits hoffnungslos in ihrer eigenen Filterblase gefangen sind, die Entwicklungen der letzten Nacht in Brüssel als “Ergebnisse” oder “Kompromiss” bezeichnen können. (so gehört heute auf dem Infokanal des Bayerischen Rundfunks). Ich dachte zunächst an Realsatire. Erneut wird versucht durch das Zusammenkopieren völlig bedeutungsloser und inhaltsleerer Musterphrasen dem Publikum in Europa Handlungsfähigkeit zu suggerieren. Wie schlicht müssen die Gemüter sein, die dies glauben? Die präsentierten “Lösungsansätze” sind keine und die EU zeigt einmal mehr ihre komplette Unfähigkeit wenn Probleme über das Niveau der Senkung von Roaminggebühren hinausgehen.Und es sind auch nicht Nationalisten und Populisten, die Merkel und Co. zu irgendetwas treiben. Es ist der Umstand, dass die Bürger, also der Souverän, in vielen Ländern so entschieden hat wie er entschieden hat und die gewählten Politiker dort ihren Worten Taten folgen lassen. Das nennt man Demokratie. Ob einem die Entwicklung gefällt oder nicht, in Europa bestimmen nicht Merkel und Macron alleine.
kaush
29. Juni 2018 @ 09:47
@ebo
Eine merkwürdige Sicht der Dinge hast Du.
Merkel ist Mitte-Rechts? Dann ist die Erde eine Scheibe. So, wenn ich unter dieser falschen Annahme die Welt betrachte, kann ich nur ein schiefes Bild von ihr bekommen und werde selbstverständlichen nicht verstehen.
Gauland ist für mich Mitte-Rechts, die AFD ist es. Die CDU ist es nicht, die CSU wäre es gerne wieder.
Dieser “EU-Gipfel” ist eine Frechheit. Null Ergebnis.
Die Anis Amris und Hussein Khavaris dieser Welt, können weiter lustig durch Europa fahren. Menschen Vergewaltigen, verletzen, töten, wie es ihnen beliebt. Dann weiterziehen, eine neue Identität annehmen, vielleicht noch die Zweit- oder Drittfrau anmelden. Bekommt ihr alles bezahlt.
Willkommen liebe Mörder, fühlt euch wie zuhaue.
Wir brauchen in Deutschland keine EU-Lösung zum Schutz der Deutschen und Ausländer hier. Wir müssen einfach nur das Grundgesetz wieder in Kraft setzen.
Wird die CSU das schaffen? Ich glaube nicht. Sie wird am Ende mit der Merkel-CDU untergehen.
Peter Nemschak
29. Juni 2018 @ 10:20
Ohne Migrationsbeschränkung, die vom Publikum als wirksam empfunden wird, wird sich die Stimmung nicht verbessern. Außerdem bedarf es klarer Signale an die Migranten, um keine falschen Hoffnungen zu wecken. Maßvolles Augenzudrücken gehört nicht dazu.
Peter Nemschak
29. Juni 2018 @ 07:34
Was mir fehlt, ist eine überzeugende Alternative in Sachen Flüchtlingspolitik all jener, welche den Rechtsruck der politischen Mitte beklagen. Was spricht gegen Grenzen dicht für illegale Immigration und gleichzeitige Zulassung beschränkter legaler Migration? Kritisieren ist leicht, besser machen schwierig. Manchen gilt es offenbar als unfein oder gar unmoralisch den westlichen Wohlfahrtsstaat gegen die Begehrlichkeiten aus dem globalen Süden zu verteidigen.
OXIgen
30. Juni 2018 @ 06:26
Peter Nemschak,
dass ich ausgerechnet Ihnen (und nach längerer Abstinenz von diesem blog) auch einmal Recht geben muss, hätte ich mir vor ein paar Jahren sicher nicht träumen lassen.
Sie schreiben: “Manchen gilt es offenbar als unfein oder gar unmoralisch den westlichen Wohlfahrtsstaat gegen die Begehrlichkeiten aus dem globalen Süden zu verteidigen.” Richtig, und das sehe ich noch um einiges differenzierter.
Betrachtet man die fein abgestimmten Ergüsse der medialen Umerziehungs-Anstalten wie ARD und ZDF, flankiert von solchen Demokratiegeschützen wie SPON und ZON, dann kann man sich als Otto oder Gabi Mustermann eigentlich nur noch ins stille Kämmerlein verziehen und sich seiner mangelnden Empathie oder Moral schämen, wenn man innerlich gegen derartige Begehrlichkeiten aufbegehrt. Offen kann man das ohnehin nur noch am eigenen Küchentisch oder im engsten Freundeskreis artikulieren, wenn man nicht mit eben jener Moralkeule eine verpasst bekommen möchte. Egal, wie man bislang politisch gefärbt war, seit geraumer Zeit sitzt man automatisch in der rechten Schmuddelecke, wenn man der Großen Raute die Anbetung verweigert und gar ihren “moralischen Imperativ” in Fage stellt. Da kriegen selbst gestandene Links-Ikonen sofort ein paar schmutzige Querfront-Schrapnelle ab.
Was bei dieser ganzen völlig verlogenen Migranten-Diskussion tatsächlich niemals hinterfragt wird oder hinterfragt werden darf: wo bleiben eigentlich die Selbstbestimmungs-Rechte der Europäer, die ihren heutigen Wohlstand und die vielzitierten freiheitlichen Werte über Jahrhunderte und unter furchtbaren Verlusten erkämpft haben? Wer, wenn nicht sie selber, will darüber bestimmen, wen sie in ihr Haus und an ihren Tisch einladen?
Diese ganzen Argumente wie Fluchtursachen, Ausbeutung, Flutung afrikanischer Märkte mit Billigdreck etc. mögen ja de facto richtig sein, aber sie stellen keine moralische Rechtfertigung dafür dar, dass die Folgen einer seit Jahrzehnten verheerenden Politik nun ausgerechnet auf dem Rücken derer ausgetragen werden sollen, die am allerwenigsten dafür können. Der normale Durchschnitts-Europärer ist nun mal kein Neo-Kolonialherr, kein Konzernboss und kein Waffenhändler. Aber genau ihn trifft es am härtesten, wenn er künftig mit afrikanischen Billiglöhnern um Job und Wohnung konkurrieren soll. In den Penthäusern der Eliten und auf St. Barth ist man von der Realität ja weit genug entfernt und die Kinder gehen eh auf Schweizer Internate mit Security-Service.
Es muss also niemanden wundern, wenn sich die ganz stinknormalen europäischen Bürger mal langsam zur Wehr setzen und ihre von ihnen selbst geschaffenen und hart erarbeiteten Sozialsysteme gegen eine von oben diktierte Ausplünderung verteidigen.
Wer glaubt, dass ausgerechnet Merkel einer “links-grün-moralischen” Ideologie anhängt, ist naiv und irrt sich gewaltig. Dieses scheinbar christliche Gehabe folgt einfach nur der “No border-No nation”- Maxime ihrer eigentlichen Bosse. Es ist, wie Lafontaine schon sagte, das neoliberale Credo der globalen Konzerne und die sind die einzigen, die von der Zerschlagung der europäischen Sozialsysteme nachhaltig profitieren.
Dixie
1. Juli 2018 @ 16:13
Das! 100 Extradaumen hoch für besondere Klarsicht auf die Sachverhalte!