Europa kann es nicht

Griechenland steckt weiter in der Schuldenfalle, sogar tiefer denn je. Zwar haben sich die Finanzminister der Eurogruppe auf neue Planspiele geeinigt, um den Schuldenberg bis 2020 mit allerlei Buchungstricks zu drücken. Doch die seit Wochen überfälligen Hilfskredite sollen erst fließen, wenn Athen ein gewagter Schuldenrückkauf gelingt. Und der Schuldenschnitt wird auch vertagt. 

Europa kann es nicht. Dies ist der erste Eindruck nach dem unwürdigen Geschacher um Griechenland. Drei Jahre nach Beginn der Schuldenkrise steht das Land heute schlechter da denn je. Während Nicht-EU-Länder wie Island oder die Türkei nach vergleichbaren Krisen längst wieder auf eigenen Beinen stehen, muss Griechenland nun in eine Art künstliches Koma versetzt werden.

Drei Wochen hatten die Europäer Zeit, ihren gescheiterten Kurs zu korrigieren. IWF-Chefin Lagarde hatte ihnen eine Steilvorlage gegeben. Sie hat nicht nur den umstrittenen Schuldenschnitt gefordert, sondern auch den einseitigen Sparkurs in Frage gestellt (siehe „Der IWF denkt um“). Doch Brüssel und Berlin haben den Ball nicht aufgenommen, sondern nur ein paar Rechentricks vollbracht.

Erst 2020 soll die Schuldenquote wieder ungefähr so hoch sein wie Ende 2009, zu Beginn der Krise. Die „Retter“ brauchen also – nach heutigem Stand – noch acht Jahre, um den selbst angerichteten Schaden wieder zu beheben. Und selbst das gelingt nur, indem die Zinsen auf Hilfskredite gesenkt, Laufzeiten verlän und Schulden zurückgekauft werden (die offiziellen Details stehen hier).

Ein Schuldenschnitt wäre ehrlicher gewesen, wie selbst Ex-Deutsche-Chef Ackermann sagt – doch da war Schäuble davor. Der deutsche Kassenwart hat einen neuen „Haircut“ zwar nicht mehr völlig ausgeschlossen. Doch er soll erst dann erwogen werden, wenn Griechenland wieder schwarze Zahlen schreibt – also in ferner Zukunft, vielleicht 2014, vielleicht später.

Die Geschichte wiederholt sich

Im Grunde wiederholt sich nun die Geschichte von 2009 bzw. 2010. Damals verschleppte die schwarzgelbe Bundesregierung die Hilfe für Griechenland, um die Landtagswahlen in NRW abzuwarten. Nun verschleppt sie den Schuldenschnitt, um die Bundestagswahl abzuwarten. Wieder werden die Wähler in Deutschland getäuscht – und die Griechen werden zu Geiseln der deutschen Innenpolitik.

Ähnlich wie in den letzten Jahren schiebt die Eurogruppe auch diesmal den Schwarzen Peter nach Athen. Jahrelang wurden den Griechen Reformen abverlangt, die in Deutschland zu Revolten geführt hätten. Dann verfiel Schäuble auf die großartige Idee eines Schuldenschnitts, an dem sich – ganz wie es der Stammtisch forderte – nur die Banken beteiligen sollten. Doch auch dabei lag die Umsetzung bei den Griechen, erst im Frühjahr 2012 kam die Einigung.

Nun, da der angeblich historische „Haircut“ von 100 Mrd. Euro wirkungslos verpufft ist (warum eigentlich, Herr Ackermann?), sollen die Griechen ihren Kopf schon wieder selbst aus der Schlinge ziehen. Wenn die ersten Meldungen von der nächtlichen Krisensitzung der Eurogruppe stimmen, sollen sie ihre eigenen Schulden zurückkaufen und dabei Milliardengewinne einfahren.

Der Schwarze Peter liegt in Athen

Nur wenn dieses gewagte Manöver klappt, will der IWF an Bord bleiben, und auch nur dann sollen die Notkredite fließen. Und weil dies immer noch nicht ausreicht, muss Athen auch noch Kurzzeitanleihen aufnehmen – mit Hilfe der EZB. All dies sind Manöver, die eine nachhaltige „Rettung“ verschleppen, EZB und IWF zu Komplizen machen und zugleich die A….karte nach Griechenland verschieben.

Besser wäre es gewesen, wenn sich IWF und EZB diesem unwürdigen Deal verweigert hätten. Neben dem Schuldenschnitt hätten sie auf einem Kurswechsel bestehen müssen, der dafür sorgt, dass Griechenland aus der Krise herauswachsen kann, statt sich wie bisher kaputtzusparen. Wie dies geht, lässt sich zum Beispiel in Island besichtigen. Doch Europa kann es nicht, und es will es auch nicht.

Schließlich hätte dies bedeutet, dass deutsche Banken und deutsche Steuerzahler auf Geld verzichten müssen. Das müssen sie zwar auch so – aber PSSSSSST – niemand soll es wissen…

Siehe zu diesem Thema auch meine aktuelle Umfrage.