Europa-Dämmerung 2.0, Orbans Comeback, Várhelyi muß nachsitzen
Die Watchlist EUropa vom 09. November 2024 – heute mit der Wochenchronik.
Der vergangene Mittwoch wird in die Geschichtsbücher eingehen: Als Tag, an dem Donald Trump seine 2. Präsidentschaftswahl gewann, die Berliner Ampel-Koalition zerbrach – und eine neue Europa-Dämmerung begann.
Der EU-Gipfel in Budapest ändert nichts daran, im Gegenteil: Er hat gezeigt, wie die EU-Granden von den Ereignissen überrollt werden. Machtwechsel in Washington, Krise in Berlin und Untätigkeit in Brüssel: nichts geht mehr.
Klar, Kommissionschefin von der Leyen hat Trump angeboten, mehr Flüssiggas aus den USA zu kaufen. Doch das zeigt nur, wie hilflos sie ist. Es ist ein schwerer taktischer Fehler, Trump schon jetzt entgegenzukommen.
EUropa soll die Zeche zahlen
Der MAGA-Politiker will nicht den kleinen Finger, sondern die ganze Hand. Strafzölle auf deutsche und europäische Exporte sind nur die Vorspeise. Letztlich geht es darum, dass EUropa die Zeche für den Ukrainekrieg zahlt.
Die EU-Politiker sind – von einigen Ausnahmen wie dem Slowaken Fico abgesehen – so dumm, sich auch dazu bereit zu erklären. Angeblich ist das eine Notwendigkeit. Wenn die USA ausfallen, müsse EUropa einspringen.
Doch die EUropäer werden nie in der Lage sein, den Krieg endlos weiterzuführen (“as long as it takes”). Es ist auch nicht in ihrem Interesse. Wenn sie es doch versuchen, stürzen sie in ein unlösbares, selbst verschuldetes Dilemma.
Das neue Trilemma der EU
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Man kann nicht die Ukraine, ihre Bewaffnung und die Kriegsfolgen finanzieren, die europäische Wirtschaft ankurbeln (das war das offizielle Thema beim EU-Gipfel in Budapest) – und gleichzeitig die Schuldenregeln verschärfen.
Kanzler Scholz hat es versucht – und ist daran gescheitert. Seine Koalition ist nicht zuletzt am Streit um die Ukraine- Hilfe zerbrochen. Nun rutscht Deutschland noch tiefer in die Krise, und mit Deutschland die gesamte EU.
Zehn Jahre nach der Eurokrise hat die Europa-Dämmerung 2.0 begonnen – ausgerechnet mit Trump II. (und von der Leyen II.)
Zur EU-Reaktion auf Trump gibt’s meine Kolumne im Makroskop: “Neue Töne, altes Denken”
Was war noch? Trumps Wiederwahl bescherte dem ungarischen Premier Orban ein grandioses Comeback. Wir hatten bereits am Donnerstag im Newsletter berichtet, nun zieht “Bloomberg” nach. Sein Trumpesker Slogan “Make Europe great again” klingt nicht mehr völlig abwegig…
Bei den Anhörungen der neuen EU-Kommission im Europaparlament wurden umstrittene Vorhaben wie ein “Demokratieschild” gegen “Desinformation” und ausländische Einmischung und Abschiebelager außerhalb der EU abgenickt – mit den Stimmen der Rechten.
Nur ein einziger Kandidat fiel durch: der designierte Gesundheitskommissar Várhelyi. Der Ungar muß nachsitzen und bis Montag schriftliche Fragen beantworten. Alle anderen wurden durchgewunken – die etablierten Parteien haben ein Stillhalte-Abkommen geschlossen…
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KK
9. November 2024 @ 22:55
Wenn die Parlamentarier der Parttzeien ein Stillhaltzeabkommen abgeschlossen haben, wird es höchste Zeit, dass wir Bürger laut werden!
Stef
10. November 2024 @ 08:10
Das sehe ich auch so. Aber das Stillhalteabkommen haben sie spätestens mit Beginn der Merkel-Ära geschlossen und die Bürger halten immernoch still.
Arthur Dent
9. November 2024 @ 17:32
Deutschland braucht eigentlich selbst eine Kernsanierung.
Unsere Regierung ist aber schon daran zerbrochen, dass ihr ein paar Milliarden im Haushalt gefehlt haben.
Aber Ukraine ist natürlich kein Problem.
Das Beste an unserem politischen Fachpersonal sind ihre Erinnerungslücken.
Michael
10. November 2024 @ 11:36
Vielleicht waren die “paar Milliarden” der Auslöser, aber die Ursachen sehe ich viel weiter gefasst: historisch, ideologisch, politisch, …. !
Entscheidend wird jetzt die Lösung sein. Auch wenn mir an der gegenwärtigen Politik- und Parteien-landschaft rein gar nichts gefällt, so stimme ich ausnahmsweise mit Söder (ich kann es eigentlich nicht glauben!) überein und hielte, auch weil realiter möglich, eine erneute Koalition CDU/CSU & SPD für eine tolerierbare Übergangslösung, sofern sich die SPD halbwegs links erneuert!
KK
10. November 2024 @ 14:13
Die SPD wird nach der nächsten Wahl derart marginalisiert sein, dass die jede Kröte der Union wird schlucken müssen, um überhaupt an die Regierungspöstchen zu kommen…
Michael
10. November 2024 @ 14:47
@KK
Kann sein!? Kann aber auch sein dass nur eine Koalition mit der CDU/CSU die SPD vor der Marginalisierung in der Opposition rettet!?
(Wie lautet der Müntefering Slogan: Opposition ist Scheiße!)
Andererseits, abgesehen auch von der letzten BRD Wahl, hieß es jetzt wieder z. B. in den USA, die Wahl sei un vorhersagbar und alles stünde auf Messers Schneide!? Bis dann Trump erdrutschmässig gewann!? Die Pollster sind die eigentlichen Verlierer besonders kürzlich abgehaltener Wahlen, weshalb ich mich sehr zurückhalte mit Vorhersagen!
Arthur Dent
10. November 2024 @ 15:48
@Michael
Alle Verhältnisse umzustürzen, wo der Mensch ein geknechtetes, verächtliches Wesen usw. – da ist ungefähr links (nach Marx). Bis jetzt haben alle Regierungen immer Politik fürs Kapital gemacht, da ist nicht viel links.