Putins neue Atomdoktrin: Die EU tobt, die USA zögern
Die EU-Kommission hat die neue russische Atomwaffendoktrin scharf verurteilt. Dabei ist sie eine Reaktion auf westliche Kriegspläne gegen Russland. Und Putins atomare Drohkulisse wirkt – vorerst.
Die EU weise atomare Drohungen entschieden zurück, sagte der Sprecher des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell. Kremlchef Putin setze damit sein “rücksichtsloses und unverantwortliches Verhalten” fort. Er scheue nicht davor zurück, “das nukleare Vabanquespiel immer wieder aufs neue zu spielen”.
Allerdings ist die neue Putin-Doktrin eine Reaktion auf westliche Kriegspläne gegen Russland. Die Ukraine, Großbritannien, Polen, die baltischen Staaten und zuletzt auch Dänemark hatten sich für Militärschläge tief im russischen Hinterland ausgesprochen. Dies hatte auch das Europaparlament gefordert.
Es war klar, dass Moskau dies nicht unbeantwortet lassen würde. Putin präsentierte seine neue Doktrin denn auch ausdrücklich als Reaktion auf entsprechende ukrainische Forderungen und als Warnung an den Westen, wie die “FT” berichtet.
Putins Pläne sollen den Einsatz von Atomwaffen auch dann ermöglichen, wenn die USA oder andere Atommächte Russland nicht direkt angreifen, sondern der Ukraine bei solchen Angriffen helfen – etwa durch den Einsatz konventioneller westlicher Waffen.
Putin said that Russia could use nuclear weapons after receiving “reliable information” about a massed aerial assault by aircraft, missiles and drones. Moscow would also consider an attack against its ally Belarus to be an attack on Russia itself and could defend it with nuclear weapons.
Putin ließ offen, ob mit der neuen Doktrin auch Angriffe mit britischen “Storm Shadows” und vergleichbaren US-Raketen abgedeckt werden. Dennoch scheinen seine Warnungen eine gewisse Wirkung zu zeigen.
So lehnt es US-Präsident Biden offenbar weiter ab, die fraglichen Waffen für die Ukraine ohne Auflagen freizugeben. Sein Gast Selenskyj, der vehement grünes Licht gefordert hatte, wurde auf ein weiteres Treffen am 12. Oktober in Deutschland vertröstet…
Siehe auch “Dann wäre die Nato im Krieg mit Russland” und “Storm Shadow über EUropa”
P.S. Seit wann kann Biden eigentlich fremde Staatschefs nach Deutschland einladen? War Kanzler Scholz wenigstens diesmal vorgewarnt?
Arthur Dent
27. September 2024 @ 23:43
@ebo
“P.S. Seit wann kann Biden eigentlich fremde Staatschefs nach Deutschland einladen?”
Seit Deutschland die amerikanisierteste Provinz außerhalb der USA ist. Nach eigenen Angaben regiert Biden bekanntlich ja die ganze Welt (…und seine große Stunde kam, immer wenn er Pillen nahm…) 🙂
Kleopatra
27. September 2024 @ 15:27
Russland behauptet, Atomwaffen einsetzen zu wollen, wenn sein Bestand als Staat bedroht wäre. Gleichzeitig prahlen diese Maulhelden, sie seien eh unbesiegbar. Irgendwie passt das nicht zusammen. Wenn sie wirklich so tolle Kämpfer wären, könnte doch theoretisch eine Gefahr für den Bestand des russischen Staates nie zustand kommen, oder?
Helmut Höft
28. September 2024 @ 23:08
Ja, da passt vieles nicht zusammen, anderes Beispiel: „Die Russen kommen in der Ukraine nicht voran, erreichen ihre Kriegsziele nicht … morgen werden sie uns überennen.“ m(
Das wurde so oder ähnlich schon vielfach benannt – woran fehlt’s, Kleopatra, sag‘ an. Ich helfe gern.
Tipp: Propaganda ist und bleibt Propaganda, egal mit/von welcher Seite man spricht.
european
27. September 2024 @ 12:17
Es gibt einen aktuellen Artikel von Jörg Kronauer in der Jungen Welt, in dem er auf die bereits geltende, also nicht neue, Nukleardoktrin Russland’s eingeht.
https://www.jungewelt.de/artikel/484619.html
“Das Szenario, das der gültigen russischen Nukleardoktrin zugrunde liegt, ist ein Krieg gegen eine oder mehrere andere Atommächte. Die Doktrin legt fest, wann in einem solchen Krieg der Griff zur Bombe erfolgen solle – dann, wenn Russland selbst nuklear angegriffen werde oder wenn seine staatliche Souveränität, sein Fortbestand, grundsätzlich in Frage gestellt sei. Was aber, wenn man Krieg gegen ein Land führt, das keine Atomwaffen besitzt, das jedoch von Atomwaffenstaaten mit beinahe allen erdenklichen Waffen aufgerüstet wird?”
Gleichzeitig sei an die in Auftrag gegebene Studie seitens des Pentagons erinnert, die herausfinden soll, wie sich ein nukleares Inferno in Europa auf die weltweite Landwirtschaft auswirkt? Es ist überfällig, dass die Europäer sich auf ihre eigenen Überlebensinteressen besinnen und endlich Friedensverhandlungen forcieren, statt einen wahnsinnigen Selenskyj weiter gewähren zu lassen. Die Interessen der USA stimmen nicht mit europäischen Interessen überein.
Wolfgang Kreuz
27. September 2024 @ 11:32
Nach den Bemerkungen der dänischen Ministerpräsidentin (oder Premier-Ministerin) hoffe ich das auch Herr Putin keine “roten Linien” vor allem gegenüber Dänemark mehr kennt.
Michael
27. September 2024 @ 14:14
Vollste Zustimmung!
Skyjumper
27. September 2024 @ 14:32
Voller Widerspruch ,-)
Ich hoffe vielmehr auf die anhaltende Vernunft Putins. Ich hab zwar den größeren Teils meines Lebens gehabt, kann es aber durchaus noch etwas aushalten. Mal davon abgesehen dass es junge Verwandte gibt denen ich ein langes Leben wünsche.
Michael
27. September 2024 @ 10:47
Putin wendet eine Variation des NATO Artikel 5 an! Im Westen agieren die Ideologen, in Russland (und BRICS+ oder dem Globalen Süden) Politiker und Schachspieler!
Kleopatra
27. September 2024 @ 10:09
Da wir mit den USA Stationierungsverträge etc. haben, gibt es wohl genug Installationen der amerikanischen Streitkräfte in Deutschland.
Aber Waffen zu liefern, ist keine Beteiligung an einem Krieg. Andernfalls müsste man eine Bombardierung Nordkoreas (oder des Iran) durch die USA für völkerrechtlich zulässig halten (da ja nach der genannten Logik alle Waffenlieferanten Kriegsparteien wären). Die westlichen Staaten würden der Ukraine nicht durch den Einsatz westlicher Waffen, sondern durch ihre Zurverfügungstellung helfen.
Skyjumper
27. September 2024 @ 12:36
Sie werden noch haarspalterisch rufen „ich hab aber Recht“, wenn ihre verstrahlten Aschepartikel sanft im Wind dahinschweben.
Wann wird sich endlich die Erkenntnis durchsetzen, dass es nicht auf Ihre/unsere Auffassung ankommt, sondern auf die Russlands? Was btw auch für die USA, GB, F, C, und die weiteren faktischen Atommächte gilt.
european
27. September 2024 @ 13:05
So ist es und, ob es uns gefällt oder nicht, wir müssen viel mehr zu Verstehern werden, sprich, wie muss denn die andere Seite unser Verhalten betrachten. Eigentlich Grundbegriffe internationaler Diplomatie und die Voraussetzung für einen funktionierenden Interessensausgleich.
Wir leben auch immer noch im einem Orbit der Selbstüberschätzung und reden von der “Weltgemeinschaft”, die letztlich nur noch aus USA, Canada, Europa, Australien, Neuseeland und Japan besteht. Das ist der absolut kleinere Teil der Welt. Der “Rest” der Welt mit seiner milliardenschweren Bevölkerung sieht das eben genau nicht so und wird uns auch nicht folgen.
Die kennen uns. 😉
Arthur Dent
27. September 2024 @ 23:22
@Kleopatra
„Deutschland unterstütze die Ukraine durch Waffenlieferungen bei der Ausübung ihres individuellen Rechts auf Selbstverteidigung gegen den von Russland geführten völkerrechtswidrigen Angriffskrieg, werde dadurch aber nicht zur Kriegspartei. So lautet die Position der Bundesregierung. In völkerrechtlicher Hinsicht stellt sich jedoch die Frage, wann das Unterstützen in einem bewaffneten Konflikt in eine indirekte Gewaltanwendung umschlägt. Dann müsste nämlich das kollektive Selbstverteidigungsrecht in Anspruch genommen werden. Und man könnte sich kaum mehr darauf berufen, nicht Konfliktpartei zu sein. Doch das ius contra bellum und das humanitäre Völkerrecht geben keine eindeutigen Antworten darauf, wann die betreffenden Schwellen überschritten sind.“ …
siehe Christian Schaller – Waffenlieferungen an die Ukraine – (Stiftung Wissenschaft und Politik vom 02.02.2023)
KK
27. September 2024 @ 23:31
Haben Sie keine andere Platte, die Sie zur Abwechslung mal auflegen könnten?
Franz Arndt-Herold
27. September 2024 @ 09:24
Die NATO-Langstreckenwaffen können nur mit satelitengestuetzten Zielkoordinaten und mit der Programmierung durch Soldaten der Herstellerlaender in der UA „genutzt“werden. Nach dem geleakten Telefonat der BRD-Luftwaffenoffiziere sind zumindest GB und F bereits vor Ort.
Treffen in Ramstein – das Treffen mit Selensky wird vermutlich dort stattfinden- wie auch die Stationierung weitreichender Waffen in Wiesbaden ab 2026 sind durch das Nato-Truppenstatut aus den 50er Jahren legitimiert.
Scholz u.a. meinen, dass das unsere Sicherheit erhöhe.
König eines teilsouveraenen Landes.
Titi
27. September 2024 @ 08:45
Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis Putin diesen Schritt macht und die Atomwaffen-Doktrin verschärft.
Skyjumper
27. September 2024 @ 12:41
Es ist noch nicht einmal eine echte Verschärfung, eher eine Profilierung des auch bisher schon bestehenden Punktes „……staatliche Souveränität oder Fortbestand grundsätzlich in Frage gestellt…..“.
Das war schon immer recht beliebig auslegbar. Insbesondere unter dem Aspekt dass das von einen recht elitären Kreis ausgelegt wird.