EU-Verfahren gegen Berlin – Drohung oder Bluff?
Im Streit um das EU-kritische Urteil des Bundesverfassungsgerichts will Kommissionschefin von der Leyen ein Vertragsverletzungs-Verfahren gegen Deutschland prüfen. Doch eine Prüfung ist noch keine Entscheidung. Steckt dahinter eine ernst gemeinte Drohung – oder ist alles nur ein Bluff?
Der grüne Finanzpolitiker S. Giegold war begeistert. In “Rekordgeschwindigkeit” habe Kommissionspräsidentin von der Leyen auf seine Aufforderung reagiert, gegen Deutschland vorzugehen. Und das am Europatag! Für Giegold ein gutes Zeichen.
Rekordgeschwindigkeit am #Europatag! @vonderleyen hat in weniger als zwei Stunden auf meinen Brief geantwortet. Die Antwort ist erfreulich klar. Die Kommission prüft ein Vertragsverletzungsverfahren. Das ist gut für die Europäische Rechtsgemeinschaft! pic.twitter.com/7crp8RtfrU
— Sven Giegold (@sven_giegold) May 9, 2020
Tatsächlich ist es wohl das erste Mal, dass ein/e Kommissionspräsident/in so schnell auf die Eingabe eines Abgeordneten reagiert. Allerdings hatte von der Leyen ein EU-Verfahren schon zuvor erwogen, wie der “Spiegel” bereits am Freitag berichtete.
Die große Frage ist nun, wie ernsthaft die Prüfung durchgeführt wird, und ob am Ende wirklich ein EU-Verfahren steht. Steckt hinter der Ankündigung von Frau Leyen eine Drohung – oder ist alles nur ein Bluff, um am Europatag gut dazustehen?
Wir wissen es nicht. Klar scheint nur, dass die Kommission als “Hüterin der Verträge” handeln musste. Weiteres Zuwarten hätte nämlich bedeutet, das EU-Recht zu relativieren und – nach Deutschland – auch anderen EU-Staaten freie Hand zu geben.
Brüssel liegt schon jetzt im Clinch mit Ungarn und Polen – wegen nationaler Gesetze, die dem Europarecht widersprechen. Aus Polen kommen schon erste Stimmen, die fordern, es dem Bundesverfassungsgericht gleich zu tun – und sich über das EU-Recht zu erheben.
Von der Leyens Autorität steht auf dem Spiel – allerdings nicht nur wegen des Karlsruher Urteils, sondern auch durch eigene Untätigkeit. Vor allem in Ungarn hat sie die Zügel schleifen lassen. Die “Hüterin der Verträge” war allzu lange untätig.
Nun ist sie aus dem Tiefschlaf erwacht. Das heißt aber noch lange nicht, dass sie tatsächlich gegen Deutschland vorgehen wird. Es würde mich nicht wundern, wenn sich Frau Leyen am Ende mit einem “klärenden Wort” der Kanzlerin zufrieden geben sollte…
Siehe auch “Update: Deutsches Recht über alles?”
P.S. Unklar ist auch, was ein EU-Verfahren eigentlich erreichen kann. Dass die Bundesregierung das Bundesverfassungsgericht desavouriert, wird wohl niemand erwarten. Und dass sich Berlin am Ende Brüssel bzw. Luxemburg unterwirft, wohl auch nicht…
RAJA RAJAMANI
11. Mai 2020 @ 16:13
https://www.bloomberg.com/news/articles/2020-05-10/eu-officials-ask-if-they-have-the-wrong-person-running-the-show?cmpid=BBD051120_BRUS&utm_medium=email&utm_source=newsletter&utm_term=200511&utm_campaign=brussels&sref=531Gfv1r
Holly01
11. Mai 2020 @ 18:34
Frau Dr. von der Leyen wurde einstimmig zur Komissionspräsidentin gewählt. Nur eine Enthaltung und die kam von Frau Dr. Merkel.
Es muss einen Grund geben warum man genau diese Person in genau diesem Amt wollte.
Sie ist nicht qualifiziert.
Die bisherigen Aufgaben wurden so erfüllt, das jeder froh war, wenn Frau Dr. von der Leyen mit ihrer Karawane weiter gezogen ist.
Es hieß, die größten EU Skeptiker waren ihre glühensten Befürworter.
Ich würde meinen die Frau erfüllt gerade die Prophezeiung, die sie in diesem Amt gebracht hat ….
Eine Marionette pflegt nicht ihre Schnüre durchzuschneiden.
vlg