EU-Sanktionen: Krieg gegen Russlands Schattenflotte?
Die EU will russische Ölexporte erschweren und dazu ihren Kampf gegen die sog. Schattenflotte in der Ostsee ausweiten. Damit riskiere sie einen “gefährlichen Krieg”, warnt der britische Sicherheitsexperte A. Lieven auf “Responsible Statescraft”. Denn Länder wie Dänemark und Schweden haben angekündigt, suspekte Schiffe künftig nicht nur beobachten, sondern auch inspizieren und möglicherweise auch konfiszieren wollen. Deutschland hat dies bereits einmal vorgeführt. Mit den neuen, nochmals verschärften EU-Sanktionen könnte es allerdings zu einer Art Blockade der Ostsee führen, so Lieven. “This is the kind of action that has traditionally led to war.”
european
20. Juni 2025 @ 09:41
Zum Thema Sanktionen gegen Russland ist die aktuelle Ausgabe der Weltwoche Daily empfehlenswert. Roger Koeppel berichtet vom Petersburger Wirtschaftsforum, wo er auch mit diversen Vertretern der russischen Wirtschaft und Medien gesprochen hat. Nun ist das nicht unbedingt repraesentativ, aber es vermittelt einen Eindruck
https://youtu.be/67UffEPXhb8?feature=shared
Kurz gesagt, die Sanktionen haben Putin eher genutzt als geschadet, weil seine Zustimmung in der Bevoelkerung seit dem Beginn des Krieges gewachsen ist. An der Reaktion des Westens haben die Russen gemerkt, dass Putin mit seiner Einschaetzung des aggressiven Westens Recht hatte und eine weitere Annaeherung der NATO mit einer moeglichen Stationierung von Atomwaffen direkt an Russlands Grenzen verhindert werden muss.
Die Sanktionen sind kaum spuerbar, manche Produkte sind vielleicht etwas schwieriger zu bekommen, aber der Wirtschaft geht es gut und die Laeden sind voll.
Die Weltwoche als schweizerischer Sender muss nicht befuerchten, von der EU gesperrt zu werden, wie z.B. Russia-Briefing.
ebo
20. Juni 2025 @ 10:53
Naja, Koeppel ist ein Putin-Versteher, da wird viel schöngeredet. Zuletzt haben sich die Konjunkturaussichten in Russland deutlich verschlechtert
european
20. Juni 2025 @ 10:59
Ich finde es gar nicht verkehrt, auch einem Putin-Versteher zuzuhoeren, was immer das auch heissen mag. Man muss sich auch mal ausserhalb seiner Blase bewegen, auch wenn man nicht allem zustimmt.
Ich bin nicht auf diesem Forum gewesen und in deutschen Medien findet man ansonsten kaum etwas darueber. Wenn wir nicht einmal versuchen, Informationen zu bekommen, dann koennen unsere Handlungen nur noch falsch sein und wir wachen irgendwann in einer Welt auf, die sich ohne uns weiter entwickelt hat. Ob uns das passt oder nicht.
In Zeiten wie diesen vermisse ich Schirrmacher, der es verstanden hat, auch das Pferd von hinten aufzuzaeumen. Gerade war sein 10. Todestag und das war der FAZ kein einziges Wort wert.
ebo
20. Juni 2025 @ 11:08
Richtig, die deutschen Medien kommen ihrer Chronistenpflicht nicht mehr nach – vor allem, wenn es um Russland geht. Dennoch sollte man die Lage dort auch nicht schönreden. Hier ein Bericht aus der Berliner Zeitung: Russlands Wirtschaft wankt: Minister sieht Land am Rande der Rezession
european
20. Juni 2025 @ 11:22
@ebo
Vielen Dank fuer den Link. Es ist wirklich wichtig, die andere Seite zu hoeren.
Sollte Russland sich am Rande einer Rezession befinden, so schliesst sich das Land damit uns an. Es ist also kein Grund fuer ein Triumpfgeheul oder Siegesgefuehle. Der IWF sah das Wirtschaftswachstum Russlands noch im April bei 1.5%. So eine Aussicht wuerde in Deutschland aktuell die Korken knallen lassen.
https://www.imf.org/en/Countries/RUS
Michael Conrad
20. Juni 2025 @ 11:34
Wenn Russland noch 1,4 Prozent Wachstum im ersten Quartal hatte, dann ist das immer noch mehr als doppelt so viel wie in Deutschland. Die EU möchte ja auch deshalb wohl gerne dem russischen Weg folgen und Aufschwung durch Aufrüstung erzeugen.
Der Skeptiker
20. Juni 2025 @ 15:48
Eine Quasi-Sperrung der Ostsee dürfte schon zu kriegsähnlichem Aneinandergeraten führen. Schiffe werden dann militärisch begleitet und man wird sehen, wer der Stärkere ist.
Es sind doch die feuchten Träume GB’s und der NATO, die Russen aus der Ostsee und aus dem Schwarzen Meer zu vertreiben, dann noch die Nordpassage dicht machen usw.. Das können sich die Russen nicht bieten lassen.
Mal abgesehen davon, dass wir uns mal wieder selbst den Hahn zudrehen und dann bei den USA oder irgendwelchen Schurkenstaaten um Gas betteln müssen. Die EU-Spitze ist schlicht unerträglich, es mag dahingestellt bleiben ob korrupt oder dumm oder beides.
Helmut Höft
21. Juni 2025 @ 07:17
@european
2x FACK! Zuhören ist allemal besser als „… ach, was der schon sagt, der ist ja … muss man nicht ernst nehmen“
Darüberhinaus: Es ist einfach logischer, dass Russland à la longue profitiert: Das Land hat alles, was es braucht … außer ein paar Halbleitern und die werden ganz kapitalistisch besorgt.
MaritimerJurist
19. Juni 2025 @ 17:12
Ein paar kurze Randbemerkungen:
In der Debatte wird bewußt vermischt die Gefahr, die durch Sabotage von Schiffen an Untersee-Infrastruktur angerichtet werden könnte, und die Frage einer sog. Schattenflotte an Tankern zur Umgehung von Sanktionen. Wenn die erstgenannte Gefahr begründen soll, warum man spezifisch Tanker der Schattenflotte boarden und inspizieren will, dann will man sich nur den Anschein eines rechtfertigenden Grundes verschaffen. Es liegt ja auf der Hand, dass zu Sabotagezwecken jedes Schiff jeden Typs und jeder Nationalität genutzt werden könnte, aber Russland dafür möglichst natürlich nicht wertvolle Tanker verwendet.
Die UN-Seerechtskonvention stellt im Grunde einen einzigen großen Kompromiss dar, weil die dort damals geregelte Ausweitung der Territorialgewässer und der Wirtschaftszonen im Gegenzug einherging mit einer Stärkung des Rechts der freien Durchfahrt/Transit sowie generell der Freiheit der Schiffahrt. Die erklärte Absicht, nach UNCLOS gewährte Rechte in Territorialgewässern oder Wirtschaftszonen nutzen zu wollen, um russischen Handel mit Öl einzuschränken, wäre daher rechtsmissbräuchlich. Eine diskriminierende Vollzugspraxis hinsichtlich der nach UNCLOS gewährten Rechte mit dem erklärten Ziel Handel eines bestimmten Landes zu unterbinden, steht mit UNCLOS von vorneherein nicht in Einklang (Art. 24 (1) b. UNCLOS). Das wift einmal mehr die Frage auf, inwiefern sich die EU (-Staaten) an Völkerrecht gebunden fühlen wollen.
Die EU hat bisher das vermieden, was die EU selbst gerne den USA zum Vorwurf macht: nämlich uferlose Sanktionsregime, die extraterritorial Wirksamkeit beanspruchen. Deswegen sanktioniert die EU (bisher) im Handel mit Öl die der EU unterworfenen Rechtssubjekte, z.B. Anbieter von maritimen Services und Finanzdienstleistungen in der EU. Wenn Tanker unter fremder Flagge und ausländischer Bereederung russisches Öl transportieren, dann sind sie den Sanktionen der EU insoweit überhaupt nicht unterworfen. Wenn man jetzt aber diese Konsequenz zu ziehen nicht bereit ist und über eine Vollzugspraxis ausweitet, dann würde die EU ja doch – entgegen der eigenen Position gegenüber den USA – eine faktisch etraterritoriale Wirkung der Sanktionen anstreben.
Schlussbemerkung: Die rechtliche Begründung und die Einziehungsverfügung, mit der die Eventin und ihre Ladung in deutschen Gewässern konfisziert worden sind, sind m.W.n. gar nicht öffentlich gemacht worden, auch nicht im Grundsätzlichen. Mir ist bis dato unklar, auf welcher Basis diese Maßnahme rechtens gewesen sein sollte. Das Finanzgericht in Greifswald hat es scheinbar ebenso gesehen. Die Sache hängt jetzt beim Bundesfinanzhof. Jedenfalls wirft es die Frage auf, ob im Interesse der ‚guten Sache‘ auch das eigene nationale Recht über Bord gehen muss.
KK
19. Juni 2025 @ 14:45
Die EU tut alles, um den Dritten Weltkrieg vom Zaun zu brechen.
Offenbar ist der Kapitalismus wieder einmal an einen Punkt gekommen, so dass man nur noch Wachstum generieren zu können glaubt, wenn man vorher alles in Schutt und Asche gelegt hat…