EU-Parlament verweigert Arbeit – Madrid verweigert Dialog

Nach dem Unterhaus in London verweigert nun auch das Europaparlament in Straßburg die Arbeit. Die Ratifizierung des Brexit-Deals, den die EU mit Hochdruck ausgehandelt hatte, wird auf die lange Bank geschoben.

Alle schimpfen über die britischen Abgeordneten und deren Unwillen, sich konstruktiv mit dem Brexit auseinanderzusetzen. Am Montag wurde erneut eine Abstimmung vertagt, der Speaker lehnte eine Neubefassung ab.

Doch die Europaabgeordneten sind auch nicht viel williger. „Das EU-Parlament wird (das Abkommen) erst ratifizieren, wenn die Ratifizierung im Vereinigten Königreich abgeschlossen ist“, sagte ein Sprecher. 

Auch die Brexit-Steuerungsgruppe des Parlaments empfahl diese trotzige Herangehensweise. „Es liegt nun am britischen Parlament, seine Wahl zu treffen“, erklärte Guy Verhofstadt, der dort den Hut aufhat.

Recht so, könnte man sagen, lasst erst ‚mal die Briten kommen. Durch ihre Hinhaltetaktik behalten sich die Europaabgeordneten das letzte Wort vor – die europäische Demokratie hat Biss!

Doch das ist nur eine Seite der Medaille. Die andere ist, dass die EU-Abgeordneten den Rat vor den Kopf stoßen, der den Brexit-Deal nicht nur abgesegnet, sonder auch zur sofortigen Ratifizierung freigegeben hat.

Würden die MEP nun schnell zur Tat schreiten, so läge der Schwarze Peter endgültig in London, und Johnson und seine unberechenbaren Fellows könnten keine Änderungen an dem Deal mehr vornehmen.

So hingegen ziehen die EU-Parlamentarier das Verfahren selbst unnötig in die Länge. Und das auch noch kurz vor der Deadline am 31.10. Fast könnte man meinen, sie wollten den Brexit verschleppen…

P.S. Offenbar denken die EU-Abgeordneten über eine Sondersitzung nächste Woche nach. Als Termin ist der 31.10. im Gespräch – der britische Austrittstag und gleichzeitig Halloween!

Parlamentspräsident Sassoli erklärte: „Wir tun unsere Pflicht und werden am Donnerstag erneut zusammenkommen, um die jüngsten Entwicklungen zu besprechen.“ Na dann…

Siehe auch „Brexit: Die große Überdruss“

Watchlist

  • Die Abschiedsrede von Jean-Claude Juncker. Ab 9 Uhr will der Luxemburger im EU-Parlament Bilanz ziehen. Obwohl die EU mal wieder tief in der Krise steckt, darf mit stehenden Ovationen und einigen Tränen gerechnet werden. Mit Juncker geht wohl der letzte Europapolitiker vom Schlage Kohls oder Chiracs...
  • Das Liebeswerben von Juncker-Nachfolgerin von der Leyen. Die künftige Kommissionschefin will am Dienstag mit den Grünen sprechen, um ihre wacklige Mehrheit im Europaparlament auszubauen. Die CDU-Politikerin braucht jede Stimme, um ihre neue, immer noch unvollständige Kommission durchzubringen….

Was fehlt

  • Der Wille zum Dialog in Spanien. Die Zentralregierung in Madrid verweigert das Gespräch mit der Regionalregierung von Katalonien. Premier Sanchez kam zwar nach Barcelona – aber nur, um den Sicherheitskräften nach den Krawallen der letzten Tage zu danken. Ein Gesprächsangebot schlug er aus…
  • Italiens EVP-Partner auf Abwegen. Die Forza Italia von Ex-Premier Berlusconi will mit Lega-Chef Salvini gemeinsame Sache machen. Dagegen hat offenbar auch Ex-Parlamentspräsident Tajani nichts einzuwenden. Und was sagt der Vorsitzende der EVP-Fraktion im Europarlament, Weber? Er schweigt…