EU-Institutionen: Die Konservativen sind überrepräsentiert
Die EU-Institutionen sollen die politischen Kräfteverhältnisse widerspiegeln. Das tun sie aber nicht: Die konservative EVP (mit CDU/CSU) ist überrepräsentiert.
Dies zeigen Grafiken, die der EU-Experte S. Hix auf X veröffentlicht hat. Besonders krass ist das Missverhältnis in der neuen EU-Kommission und im Rat.
In beiden ist die EVP (mit CDU/CSU) überrepräsentiert. Linke und Grüne fallen völlig raus.
Die drei rechten Fraktionen werden im Europaparlament ausgegrenzt, obwohl sie zusammen fast so viele Sitze haben wie die EVP. Allerdings kann sich die EVP der EKR zur Mehrheitsbeschaffung bedienen.
Mit einer repräsentativen Demokratie hat das alles nichts zu tun. Deshalb hat die EU auch nach dieser Europawahl ein Demokratie-Problem.
Dies wirkt sich natürlich auch auf die EU-Gesetze und andere Entscheidungen aus.
Da die Institutionen nicht repräsentativ sind und sich auch nicht ausgleichen, sondern die Macht der EVP sogar noch stärken, fehlt ihnen demokratische Legitimität…
Siehe auch “Fehlende Legitimität: Der europäische Make“

Kleopatra
21. September 2024 @ 09:19
Nebenbei: Bei Mehrheitsentscheidungen im Rat gilt die qualifizierte Mehrheit. Nach dem Schaubild hat die EVP im Rat für qualifizierte Mehrheit 25,1%, im Parlament 26,1%. Bei der qualifizierten Mehrheit ist also der Unterschied zwischen Rat und Parlament gering, und der Rat hat keine rechte Mehrheit (anders als das Parlament: hier hätten EVP, Konservative und rechtsradikale zusammen eine Mehrheit).
Kleopatra
21. September 2024 @ 08:26
Jede einzelstaatliche Regierung nominiert ein Kommissionsmitglied. Dass sie dabei nach ihrer jeweils eigenen parteipolitischen Ausrichtung vorgeht, ist nur natürlich. Die Regierung wird eben nicht aus dem Parlament gebildet, daher ist die parteipolitische Zusammensetzung des Parlaments weitgehend irrelevant, es geht nur um die Ausrichtung der Regierungen.
Da jeder Mitgliedstaat, egal ob groß oder klein, ein Kommissionsmitglied nominiert, ist auch der Stimmenanteil für die qualifizierte Mehrheit im Rat (in dem Schaubild der innere Kreis) irrelevant.
Das Parlament könnte theoretisch versuchen, eine andere Zusammensetzung der Kommission zu erzwingen. Davon hätte es aber nicht viel; da die meiste Rechtssetzung auf EU-Ebene Einverständnis zwischen den Mitgliedstaaten und dem Parlament voraussetzt, würde das Parlament durch einen harten Konfliktkurs wenig gewinnen. Außerdem hat das Parlament nach den angeführten Schaubildern gerade keine linke Mehrheit.
ebo
21. September 2024 @ 09:29
Das ist alles richtig, doch Sie übersehen den springenden Punkt: Die Institutionen in ihrer Gesamtheit repräsentieren in keiner Weise das Ergebnis der nationalen und europäischen Wahlen. Die EVP ist deutlich überrepräsentiert, vor allem in der Kommission. Das Parlament kann dies nicht ausgleichen, da die EVP dort eine zentrale Schlüsselrolle einnimmt und mit wechselnden Mehrheit arbeiten kann (und ofenbar auch will, siehe hier). Dies ist ein ernstes Problem für die Repräsentativität der EU und die Legitimität ihrer Gesetzgebung. Erstaunlich, dass dies EU-Experten und Europarechtler nicht problematisieren (A. Alemanno ist eine rühmliche Ausnahme).
Kleopatra
21. September 2024 @ 12:34
Nun, die Schlüsselstellung der EVP ist doch gerade das Ergebnis der Europawahl, und zwar sowohl was die relative Stärke der EVP betrifft, als auch im Hinblick darauf, dass „rechts“ von der EVP zwei Fraktionen sitzen, die zusammen mit der EVP theoretisch eine Mehrheit im Parlament zusammenbringen können.
KK
21. September 2024 @ 14:23
„Das ist alles richtig, doch Sie übersehen den springenden Punkt: Die Institutionen in ihrer Gesamtheit repräsentieren in keiner Weise das Ergebnis der nationalen und europäischen Wahlen.“
Richtig; in (West-)Deutschland hat die Besetzung von Gremien auch mit Vertretern anderer Parteien als den Wahlsiegern eine lange, als „Proporz“ bekannte Tradition… aber solche demokratischen Traditionen werden sukzessive geschleift, es geht nur noch um die Macht der vermeintlichen Mehrheit.
[Zynismus ein] Offenbar war doch nicht alles schlecht an den Einparteiendiktaturen in Deutschland, wenn wir uns wieder dahin bewegen… [Zynismus aus]
Skyjumper
21. September 2024 @ 10:27
Letztlich bringen einen die Ausführungen von @Kleopatra und @ebo zum Problem des Systems. Der gedankliche Anspruch der repräsentativen Demokratie als System wird mit jeder Repräsentationsstufe weiter verwässert. Und das obwohl jeder einzelne Repräsentations-Vorgang genau den gleichen legitimen Vorgaben folgt.
Der (z.B.) deutsche Souverän wählt einen Bundestag. Die Zusammensetzung des BT ist repräsentativ. Der Bundestag kungelt eine Regierung aus, welche bereits nicht mehr 100 % repräsentativ ist. Die ist (meistens) auch noch irgendwie repräsentativ, aber eben schon nicht mehr so ganz. Es kann auch, siehe akt. Frankreich, bereits sehr un-repräsentativ sein. Diese Regierung wählt/bestimmt/schlägt vor einen ausgekungelten Repräsentanten in der EU-Kommission vor. Diese Kommission wiederum ……… usw.
Deutlich verschärft wird das Problem durch stark abweichende (in absoluten Zahlen) Größen der Grundbevölkerung. Wenn, absolut, wenige maltesische, rechtsextreme Wähler ein rechtsextremes Kommissionsmitglied stellen, und ,absolut, viele deutsche, links-extreme Wähler ein links-extremes Kommissionsmitglied stellen, dann repräsentiert die Kommssion eben nicht mehr repräsentativ die zusammengenommene Bevölkerung. Bedingt durch die interne Gewaltenteilung in der EU kann das auch nicht durch das EU-Parlament geheilt werden.(Mal abgesehen davon das selbst das EU-Parlament bezogen auf Bevölkerungsanteile NICHT repräsentativ ist.)
Ich sehe darin, abweichend von @ebo, kein Legitimitätsproblem de jure, aber sehr wohl eine stark gefährdete Repräsentativität. Das System als solches ist nicht demokratisch.
Arthur Dent
20. September 2024 @ 08:46
Man ist entweder eine Demokratie oder nicht, ein bisschen schwanger geht nicht. Die EU hat kein Demokratie-Problem, sie ist gar keine Demokratie. Die EU ist mittlerweile eine recht autoritäre Herrschaftsform.
KK
19. September 2024 @ 22:54
„Deshalb hat die EU auch nach dieser Europawahl ein Demokratie-Problem.“
Eigentlich müsste es heissen: die völlige Abwesenheit von Demokratie ist das Problem der EU.