EU-Gipfel: Too little, too late – und das Wichtigste fehlt
Es sollte eine Antwort auf Putin und Trump sein. Doch der “historische” Kriegsgipfel in Brüssel hat keine Lösungen gebracht, nur neue Probleme. – Ein Kommentar
English version here
Dieser EU-Gipfel wird in die Geschichte eingehen. Aber nicht als großer Erfolg, sondern als historische Niederlage.
68 Jahre nach den Römischen Verträgen, die den Grundstein für die europäische Aussöhnung nach dem 2. Weltkrieg legten, und 35 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung steigt die EU in ein neues Wettrüsten ein.
Damit verrät sie ihre historische Mission. Statt Frieden und Aussöhnung „vom Atlantik bis zum Ural“ (Adenauer, De Gaulle) heißt es nun „Wiederbewaffnung“.
Ohrfeige für geschichtsbewusste Europäer
Schon dieser Slogan, den die Kommissionspräsidentin und frühere deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen ausgegeben hat, ist eine Ohrfeige für alle geschichtsbewussten Europäer.
Die EU war nie bewaffnet, sie verfügt nicht einmal über eine eigene Armee. Der EU-Vertrag verbietet es Brüssel, Geld für Waffen auszugeben. Doch darüber geht die CDU-Politikerin hinweg.
Schon klar, die Lage ist ernst. Russland führt Krieg in der Ukraine, die USA rütteln an ihren Bündnisverpflichtungen. Doch all das ist nicht neu.
Acht Jahre verschlafen
Dass Donald Trump nichts Gutes für die EU und die Nato bedeutet, wissen wir seit acht Jahren: seit seiner ersten Amtszeit als US-Präsident. Und dass der Frieden in Europa bedroht ist, war seit dem russischen Einmarsch in der Ukraine vor drei Jahren klar.
Erst jetzt haben die EU-Politiker eins und eins zusammengezählt und versucht, eine Antwort zu geben. Doch das, was Olaf Scholz & Co. in Brüssel beschlossen haben, kommt zu spät – und es ist zu wenig.
Das Wichtigste fehlt: eine politische Strategie und eine Zukunftsperspektive. Auch nach drei Jahren Krieg hält die EU es nicht für nötig, einen eigenen Friedensplan für die Ukraine zu entwickeln und über eine neue europäische Sicherheitsordnung zu diskutieren.
Weiterlesen in der “taz”. Siehe auch EU steigt in Wettrüsten ein – ohne triftige Begründung und Kriegsgipfel ohne Friedensplan (Newsletter)
Arthur Dent
7. März 2025 @ 23:54
@Thomas Damrau
Sorry, es muss 200.000 Reservisten heißen, nicht 20.000
Skyjumper
8. März 2025 @ 07:53
@Arthur Dent
Ihre genannten Kritikpunkte teile ich. Dennoch einige (nach meinen Kenntnisstand) Korrekturen zum Personal, welche jedoch inhaltlich nichts an Ihren Kritikpunkten ändern.
Lt. 2+4 Vertrag liegt die personelle Obergrenze bei 370.000. Nicht gerade aktive Reservisten werden dabei nicht gerechnet.
Die seit 2019 geltende, und eigentlich bis 2025 umzusetzende Zielvorgabe, für die Personalstärke beträgt 205.000. Tatsächlich liegt die Personalstärke jedoch per Ende 2024 nur bei 180.000. Die BW hat demnach ein erhebliches Attraktivitätsproblem.
Als verpflichtete Reservisten werden aktuell ~ 90.000 bei der Bundeswehr geführt. Gesetzlich gesehen hat DE aktuell ca. 900.000 Personen die zum Reservedienst verpflichtet werden könnten.
Arthur Dent
7. März 2025 @ 13:55
Friedensnobelpreisträger EU handelt jedenfalls nicht im Sinne des Völkerrechts oder der UN-Charta. Man kann einem angegriffenen Land Beistand durch Waffenlieferungen leisten, aber allerdings nicht unbegrenzt. Dreh- und Angelpunkt ist immer die schnellstmögliche Rückkehr an den Verhandlungstisch. Das umfangreiche Liefern immer schwererer Waffen gilt irgendwann selbst als indirekte Gewaltanwendung.
ebo
7. März 2025 @ 14:20
So ist es.
Thomas Damrau
7. März 2025 @ 13:39
Ich habe den Kommentar zu diesem Thema, den ich vor einigen Tagen in diesem Forum eingestellt habe, inzwischen inhaltlich ergänzt:
https://redfirefrog.wordpress.com/2025/03/05/zwischenruf-krieg-und-krieg/
Kein Widerspruch zu @ebo – aber einige zusätzliche Fragen …
ebo
7. März 2025 @ 14:20
Immer her mit dem Widerspruch, damit habe ich keine Probleme!
Arthur Dent
7. März 2025 @ 23:53
@Thomas Damrau
Welche Art von Waffensystemen in welcher Menge?
– schwierig, Landesverteidigung oder Nato-Fähigkeiten
Wie viel Personal mit welcher Ausbildung?
– Man hat nicht wirklich einen Plan in Deutschland zur neuen Wehrpflicht.
Man hat keine Kasernen, keine Ausbilder. 2007 sind etwas über 600.00 Menschen geboren worden. Die geeignetsten 5000 sollen eingezogen werden.Wer wählt nach welchen Kriterien aus? Weiß keiner. Man will etwa 400.000 Soldaten (aktive und Reservisten, etwa paarig). Nach 2+4 Vertrag darf Deutschland aber nicht mehr als 350.000 Soldaten haben. Bei 5000 Wehrpflichtigen pro Jahr kann man sich in etwa ausrechnen, wann man 200.00 Reservisten hat. 🙂
Wie kooperiert man EU-weit bei der Beschaffung?
– Wissen die Götter – siehe FCAS, eigentlich ein französich-spanisch-deutsches Entwicklungsprojekt eines Luftkampfsystems. Man konnte sich aber hinterher nicht einigen (siehe Wikipedia).
Guido B.
7. März 2025 @ 11:02
Die EU hat es vor allem verschlafen, amerikanische NATO-Politik von Osteuropa sowie extreme Russenhasser wie die Polen, die Balten und die Ukrainer vom Friedensprojekt EU fernzuhalten. Die EU hat Länder aufgenommen und assoziiert, die absehbar Unruhe und Feindseligkeiten in die Gemeinschaft bringen – und dazu auch noch viel Geld von Westeuropa absaugen. Die EU wurde geschaffen, um Konflikte und Krisen abzuwenden. Mit ihrer aggressiven Expansionsstrategie hat sie genau das Gegenteil erreicht.
Monika
8. März 2025 @ 18:48
Siehe dazu die Rede von Jeffrey Sachs vor dem EU-Parlament vom 19.Februar dieses Jahres.
https://www.nachdenkseiten.de/?p=129862
Erneuerung
7. März 2025 @ 10:53
“kommt zu spät – und es ist zu wenig. ” ?????
Welcher thinktank mit welchem Honorar steckt hinter so einer Aussage?
Wieviele hunderte Milliarden sollen es denn sein? Ist die Billion immer noch nicht genug?
Die EU beschleunigt ihren Absturz in die Bedeutungslosigkeit aktiv. Vielleicht erinnert sich ja der eine oder andere Überlebende des gewollten Krieges ab 2028 mal daran, dass es zum Vorteil aller mal eine Entspannungspolitik gab.
ebo
7. März 2025 @ 11:12
Siehe unten (Kommentar von Michael).
Die 800 Milliarden sind eine Mogelpackung. Eine europäische Verteidigung lässt sich damit nicht organisieren. Deshalb ist es zu wenig – gemessen an den Ansprüchen, die die EU-Granden selbst stellen.
umbhaki
7. März 2025 @ 22:53
Nicht nur „zu spät und zu wenig“, sondern auch noch zu dämlich. Üblicherweise stellt man doch erst einmal fest, was einem fehlt und macht sich dann Gedanken über die Beschaffung und schließlich erst über die Finanzierung.
Hier läuft das umgekehrt ab – erst werden 800 Milliarden(!) Euro ausgelobt, und dann schau’n mer ma‘. (Zusätzlich zu den in Deutschland ausgelobten 900 Milliarden bis über eine Billionen).
Wäre ich Rüstungsfabrikant, dann wäre ich jetzt tot: Ich hätte mich einfach kaputtgelacht. Denn die werten Damen und Herren Politikerinnen und Politiker wissen nicht, was sie anschaffen müssen, um ihre Ziele zu erreichen. Sie wissen ja auch nicht wirklich, welche Ziele sie eigentlich haben (sollten). Also erzählen die Rüstungsfabrikanten und ihre Lobbyisten den Politikern, was sie anschaffen sollen – und zu welchen Preisen. Das wird rein zufällig genau das sein, was die Fabrikanten gerade in der Pipeline haben, und woran sie besonders gut verdienen.
Es ist wirklich ein furchtbares Schauspiel, das uns hier aufgeführt wird! Und noch dazu ein wahrhaft gefährliches.
KK
8. März 2025 @ 07:32
„…erst werden 800 Milliarden(!) Euro ausgelobt, und dann schau’n mer ma‘…“
…und dann schau’n mer ma‘, wie ich die unter den Buddies verteilt bekommen, gell?
Und nicht vergessen, die SMS – mit den ausgehandelten Provisionen? – dann schnell wieder zu löschen…
Heidi Walter
8. März 2025 @ 09:28
Danke für diesen Kommentar. Diese Länder hätten nie aufgenommen werden dürfen, denn es war die Strategie der NATO/USA nach dem Mauerfall unter dem Deckmantel „ein jeder Staat könne selbständig entscheiden, zu wem er gehören möchte“. Die konstante Hetze dieser Dämlichkeiten in öffentliche Positionen rufen bei mir Brechreiz hervor. Die NATO verlor ihre Daseinsberechtigung nach dem Fall des eisernen Vorhangs. Es galt allerdings die Erfüllung des amerikanischen Albtraums von einer Wirtschaftsverbindung Deutschland-Russland zu verhindern, wie bereits George Friedman 2015 beschwor. Informiert euch, wie und warum Camp Bondsteel in Rumänien errichtet wurde. Das ist nur ein Beispiel. http://www.kasseler-friedensforum.de/705/press/Ukraine-keine-100-Millionen-Tote-Krieg-in-Europa-George-Friedman-The-Chicago-Council-2015/
european
7. März 2025 @ 10:29
Menschen wurden schon immer in Kriege gelogen.
Unverzeihlich ist, wenn sie immer wieder mitmachen.
Michael
7. März 2025 @ 10:23
„… kommt zu spät – und es ist zu wenig.“ soll man daraus etwa schließen dass „früher“ und „mehr“ richtig gewesen wäre!? Ich hielte das nicht nur für a-historisch sondern für anti-historisch! Es entspricht voll und ganz dem ideologischen Mantra der Kriegstreiber und dem Motto: man muß Krieg gegen Frieden führen!
ebo
7. März 2025 @ 11:10
Einfach mal in aller Ruhe weiter lesen (in der taz). Da heißt es:
Der Krieg ist nicht mehr zu gewinnen, auch nicht mit einem EU-Rüstungsturbo. Er kann höchstens verlängert werden, womit niemand geholfen wäre. Das verweist auf das zweite Manko: das völlige Fehlen einer politischen Strategie und einer Zukunftsperspektive.
Auch nach drei Jahren Krieg hält die EU es nicht für nötig, einen eigenen Friedensplan für die Ukraine zu entwickeln und über eine neue europäische Sicherheitsordnung zu diskutieren.
Michael
7. März 2025 @ 15:25
Ok. Aber die taz lese ich schon lange nicht mehr.