EU-Außenpolitik: Der Rest ist Bedauern
Erst verhängen die USA Sanktionen gegen den iranischen Außenminister, dann steigen sie aus dem INF-Vertrag aus. Beides sind Tiefschläge gegen elementare europäische Sicherheitsinteressen. Und was macht die EU? Sie äußert ihr Bedauern!
Wenn es nicht so traurig wäre, müßte man laut lachen. Da verhängen die USA Sanktionen gegen den wichtigsten Gesprächspartner der EU in Iran, Außenminister Dschawad Sarif. Damit bedrohen die Amerikaner all jene, die noch mit Sarif verhandeln, um den Atomdeal mit Iran zu retten.
Und was macht die EU? Sie äußert ihr Bedauern! Sonst nichts. Genau wie bei der Kündigung des für Europa überlebenswichtigen Abrüstungsabkommens INF. Auch dazu fällt den EU-Politikern nicht mehr ein, als den Schritt zu bedauern und vor neuer atomarer Aufrüstung zu warnen.
Dabei bedauern unsere Möchtegern-Weltpolitiker (“wir müssen weltpolitikfähig werden”, J.C. Juncker) noch nicht einmal die gefährlichen Entscheidungen der USA – sonst könnte sie diese ja verurteilen. Nein, sie bedauern nur ihre eigene, im Kant’schen Sinne selbst verschuldete Ohnmacht!
Der “Corriere de la Sera” hat das treffend kommentiert:
„Man kann verstehen, dass Amerika die Abrüstungsverträge der Vergangenheit für obsolet hält. … Man kann sogar verstehen, dass Putin die Vereinigten Staaten beschuldigt, den Vertrag zu verletzen und das nukleare Gleichgewicht mit ihren ‘nur defensiven’ Raketen in Rumänien und Polen zu beeinträchtigen. Aber was man nicht verstehen und nicht akzeptieren kann: Europa hat an vorderster Stelle von dem Raketenverbot profitiert und ist das erste potenzielle Opfer von dessen Aufhebung. Doch es hält beharrlich an seiner untergeordneten Rolle fest, schaut tatenlos zu und hat es tunlichst vermieden, das Thema auf Treffen mit Donald Trump und Wladimir Putin anzusprechen.“
Zitiert nach “Eurotopics”
So ist es: Die EU hält an ihrer untergeordneten Rolle fest, an die sie sich so “gut” gewöhnt hat. Damit verpasst sie die große Wende des 21. Jahrhunderts, in der die USA vom Partner zum Gegner werden, der die elementarsten sicherheitspolitischen Interessen Europas übergeht!
Eine Von der Leyen wird daran nichts ändern, ganz im Gegenteil: Die ehemalige deutsche Verteidigungsministerin dürfte die EU auf “transatlantischem” Kurs halten – an die Stelle des Bedauerns dürfte künftig noch öfter die des Bejahens und Beklatschens rücken…
Siehe auch “Die transatlantische Illusion” und Iran-Krise: Hier trennen sich unsere Wege
P.S. Kaum dass dieser Blogpost fertig ist, kommt schon die nächste Kapitulation aus Brüssel: Die (alte) EU-Kommission willigt ein, mehr amerikanisches Rindfleisch nach Europa importieren zu lassen. Wer um Himmels willen kam auf die Idee, diese “Einigung” ausgerechnet jetzt zu verkünden?
Peter Nemschak
5. August 2019 @ 12:51
@Holly01 Rational oder nicht, so ist es nun einmal. Oder glauben Sie vielleicht gar an den zivilisatorischen Fortschritt ? Immerhin haben die ersten 19 Jahre in unserem Jahrhundert besser begonnen als im letzten, zumindest was die Anzahl der Kriegstoten und Verwundeten betrifft.
Holly01
5. August 2019 @ 07:43
Und noch einmal bedauerlich:
Alles hübsch rot:
” https://www.finanzen.net/indizes ”
und auch in Schalnd steigt das Volumen, interessant ist alles so ab 35+, also noch easy peasy, aber es gibt einen peek:
” https://www.comdirect.de/inf/indizes/detail/chart_big.html?ID_NOTATION=12105789&timeSpan=1D&chartType=MOUNTAIN&openerPageId=indizes.detail.chart.middle&BRANCHEN_FILTER=false&INDEX_FILTER=false&ID_NOTATION_INDEX=&fromDate=01.07.2015&toDate=01.07.2015&interactivequotes=true&useFixAverage=true&fixAverage0=0&fixAverage1=0&freeAverage0=&freeAverage1=&freeAverage2=&chartIndicator=&indicatorsBelowChart=VOLUME&indicatorsBelowChart=#fromDate=02.08.2019&timeSpan=3M&toDate=02.08.2019&e& ”
Das bedeutet, es geht jetzt mit härteren Bandagen zur sache. jetzt wird Geld vernichtet.
vlg
Peter Nemschak
3. August 2019 @ 11:04
Dass der INF-Vertrag auf Grund der technologischen Weiterentwicklung und dem derzeitigen russischen Rüstungsstand nicht im Interesse der europäischen Sicherheit ist, ist hinlänglich in den Medien erklärt worden. Es stellt sich die Frage, ob Europa rüstungsmäßig gleichziehen oder sich bei den USA anschließen soll. Kostenspieliger ist Ersteres. Allerdings ergeben sich technologische Nebenprodukte für den zivilen Bereich. Der seinerzeitige, von den illusionären Linken bekämpfte NATO-Doppelbeschluss war die Voraussetzung für den INF-Vertrag.
Kwasir
3. August 2019 @ 16:57
Ich würde einen Unterschied machen zwischen dem zivilen und dem rüstungstechnischen Sicherheitsinteresse in West und Ost. Inwieweit „die“ Medien Zugang zu den tatsächlichen Fakten der russichen bzw. US/westlichen Rüstungslage haben, sei dahingestellt. Sicherheit als von den technischen Laboren der Rüstungsindustrie abhängige Größe zu definieren, ist archaisch und unterstellt, dass die jeweils andere Seite nichts Anderes im Sinn hat, als den anderen anzugreifen, zu besetzen und ggf. zu vernichten. Das ist nur rational aus der Sicht der Rüstungsindustrie und den von ihr abhängigen Militäreliten.
Voraussetzung für den INF Vertrag war m.E. das „Gorbatschew- Fenster“, ohne Gorbi hätte man auch den Schlüssel zur Wiedervereinigungstür in Moskau nicht gefunden. Putin hätte sicher nicht mal gesucht bzw. die Tür nicht so ohne weiteres aufgemacht.
Noch ein Punkt: man braucht keine neuen Raketenreichweiten, um den INF Vertag zu unterlaufen. Es reicht, die Raketenstellungen für (unter INF zulässige) kurze Reichweiten näher an das Land des vorgeblichen Aggressors im Osten heranzuführen. Der muss logischerweise ‚technisch‘ reagieren, um zu versuchen, den alten (INF-)Sicherheitsstatus zu gewährleisten. Geografisch müsste er ja sonst das Territorium der NATO angreifen …
Russland wurde zweimal vor Angriffen aus dem Westen (ein russicher Angriff auf den Westen ist mir momentan nicht erinnerlich) von seinem meteoroligisch-territorialen ‚Glacis‘ (ins. Polen-Ukraine) gerettet.
Wie wäre es eigentlich um unsere Sicherheit bestellt, wenn wir nicht immer davon ausgingen, dass einer nichts anderes im Sinn hat als den anderen anzugreifen, zu vernichten (der Russe/Deutsche/Ami usw. kommt) ? Unsere Lebensgrundlagen werden nicht ‚vom Russen‘ gefährdet, sondern vom Klima. Sich dagegen gemeinsam zu wappnen, statt jährlich zig-Milliarden in Aufrüstungsanstrengungen zu investieren, wäre ein spürbares Plus an Sicherheit .
Holly01
3. August 2019 @ 23:16
Die EU hat (abgesehen von den USA) weltweit keinen potenten militärischen Gegner ….
Da ist niemand der industriell oder waffentechnisch mit könnte.
Die gesamte EU hat mehr Marine und Luftwaffe als die USA.
Weniger Soldaten, das ist richtig, aber wenn die USA die NATO Staaten in der EU dazu zwingen 2% für Militär Schweis auszugeben, dann kann der Hegemon einpacken.
Von Russland oder China kann man da getrost schweigen, das ist ferner liefen und das sind auch gar keine Länder wo es Fronten gäbe.
vlg
Peter Nemschak
4. August 2019 @ 12:49
Sie reden von einer idealen Welt, die es nicht gibt. Es ist nun einmal so, dass Großmächte gegeneinander rüsten, um Machtpolitik zu betreiben und die Bürger im Ernstfall betroffen sind. Machen wir das Bestmögliche daraus. Abrüstung gibt es dann, wenn es eine Patt-Situation zwischen den gegnerischen Parteien gibt.
Holly01
5. August 2019 @ 06:44
@ Nemschak:
Haben Sie Ihren eigenen Text gelesen?
Rüstung = Naturgesetz
Rüstungswettlauf = Normalfall
Aber keine Sorge das hört auf, wenn beide Seiten ein Patt erreicht haben. Also den mehrfachen overkill, der ausschließt, das einer gewinnen könnte.
Dann rüstet man ab.
Um? Ja genau, um von vorne anzufangen (siehe INF?).
Halten Sie das für rationales Verhalten?
vlg
Holly01
3. August 2019 @ 10:23
” So ist es: Die EU hält an ihrer untergeordneten Rolle fest, an die sie sich so “gut” gewöhnt hat. Damit verpasst sie die große Wende des 21. Jahrhunderts, in der die USA vom Partner zum Gegner werden, der die elementarsten sicherheitspolitischen Interessen Europas übergeht! ”
Die Interessenlagen sind (so wie sie definiert sind) einfach eine innere Blockade.
Deutschland der merkantilistische Exporteur. Einige DAX Konzerne machen in den USA mehr Umsatz als in der EU. Riesige Geldmengen stecken im Dollar. Die USA garantieren die Nachkriegsordnung und damit auch die Existenz Deutschlands.
Die USA können also auf eine extreme Schmerzfähigkeit setzen und davon ausgehen, das Deutschland still hält.
Frankreich hat seine afrikanische Einflusszone und konkurriert dort mit den USA, dem UK und China. Frankreich ist wirtschaftlich stark angeschlagen. Frankreich ist sozial zerrissen.
Es ist absehbar, das Frankreich ohne Verbündete massiv zurück stecken muss. Das ist ja mit der Mittelmeer Offensive bereits passiert und hat sich in Libyen fortgesetzt. Der Weg zum UK ist weitgehend verbaut. Der Brexit hat da alle Hoffnungen zerstört.
Die Polen setzen auf die USA und damit setzen alle intermare Staaten auf die USA.
Deutschland hilft nur so viel das Frankreich noch ganz knapp Luft bekommt.
Spanien und Portugal spielen ihre eigenen Spiele. Die sind weitgehend innenpolitisch beschäftigt.
Die intermare Staaten sind über die Visegrád Staaten in der EU präsent möchten aber den gesamten Block in die EU bekommen. Ansonsten haben die nur ein paar Regeln. USA gut. Russland böse. Deutschland hegemonial böse. Deutschland partnerschaftlich gut solange man Nettoempfänger ist. Militär teuer, lieber reden als handeln. Russlandsanktionen maximieren und auf Deutschland gucken ob die zwinkern. UK gut, aber USA besser. EU gut so lange man Nettoempfänger ist. Migration ganz schlecht.
So einfach kann die Welt sein.
Bleibt die Nord-EU. Das ist extrem spannend und sehr undurchsichtig. Die sind gegen den Euro und auch gegen die europäische Integration. Die sind gegen ein EU Recht, aber für Freihandelsabkommen, die man als Ersatz für den Multilateralismus sieht. Man ist für militärische Zusammenarbeit, aber gegen eine EU Armee. Man ist für Seerecht aber gegen UN Resolutionen zum Nordpol oder zu Bodenschätzen in den internationalen Gewässern.
Was man regelrecht zu hassen scheint ist jeglicher Geld Transfer zum angleichen der Lebensumstände innert der EU. Dabei ist diese Gruppe durchaus widersprüchlich und jeder erzählt sein und das kann sich auch schon mal ändern.
Es gibt eine starke Anlehnung an das UK und eine relativ starke Ablehnung der USA.
Die EU zerfällt. Da ist ein gemeinsamer Nenner kaum noch möglich. Das hat einen einfachen Grund: Deutschland.
Eine EU als Fluchtpunkt für alle Staaten, die sich gegen die Unsicherheiten der Welt absichern wollen, von Migration bis Währungskriege, von Sanktionswahnsinn bis Ökokatastrophe müsste ausgeglichener sein.
Deutschland müsste zunächst aufhören seinen Sozialkrieg als Vorbild hin zu stellen und die Migrationstour beenden.
Auch der Anspruch “auf Augenhöhe” mit den USA zu verhandel wird nicht gerne gesehen.
Ohne die deutschen Handelsüberschüsse wäre die EU eine Defizitregion und auf Geldzufluss angewiesen. Schlecht. Mit Deutschland ist es eine Überschussregion und kann Geld an die Welt verleihen. Gut. Der Rest der EU ist aber immer noch im Defizit und leiht bei Deutschland und kommt in Abhängigkeit. Schlecht.
So lange der äussere Druck (zB durch den BREXIT und ein völlig durchgeschossenes UK) nicht immens zunimmt, wird es keine “EU-Haltung” geben und alle wichtigen Politikfelder sind blockiert.
Die USA mögen das ganz sicher. Sie müssen auch nur wenig dafür tun. Nur hier und da ein paar Ängste bedienen.
Ja die EU bedauert ihre Ohnmacht. Die EU tut nur nichts dagegen. Jeder hat einen guten Grund zu verharren.
…. aber die Welt dreht sich weiter und bei der Ökokatastrophe schliesst sich das Zeitfenster. Polen hatte in 2018 etwa 50% weniger Regen als im Durchschnitt. Deutschland in weiten teilen genau so. Der Grundwasserspiegel ist in Deutschland in nur 2 Jahren um 25m abgesackt. Das ist absolut einmalig (so weit wir das beurteilen können).
Da ist die Ökonomische Katastrophe aka Industrie 4.0 und Digitalisierung noch nicht eingepreist.
Aber wir haben ja Politiker die alle über 65 sind das (hoffen sie wahrscheinlich) nicht erleben werden, was ihre Untätigkeit anrichtet.
In der EU Untätigkeit.
In der Digitalisierung Untätigkeit.
In der Ökokatastrophe Untätigkeit.
Aber wir retten die Banken und die Vermögen, die ich als Basis allen Übels bezeichnen würde.
Naja, ist ja nicht schlimm. Wir haben ja Trump der hat Amerika wieder groß gemacht und wird es jetzt groß erhalten und wir haben Johnson der macht das UK zum “best place to live”. Schade Boris “yes we can” und “our land first” waren schon weg. Aber “best place to live” ist auch öhm … nice.
vlg
Holly01
3. August 2019 @ 10:51
Die „schwarze Null“ wird in die Geschichtsbücher eingehen. Da werden Generationen von Studierenden drüber lachen und den Kopf schütteln………. danach kommt nur noch die Schrödersche Rentenreform die 50% der Bevölkerung ruiniert hat, damit ein paar Finanzkonzerne noch fetter werden. Österreich zeigt wie es besser gewesen wäre.
vlg
Orpheus
3. August 2019 @ 10:05
@Summerhill
Der absolute Hammer, die (alte) EU Kommission musste zum Abschluss noch einen drauf setzen
„Nach mir die Sintflut“ , Brexit, Flüchtlingskrise…alles hausgemacht und nicht gemeistert
Holly01
3. August 2019 @ 10:37
Ne ne, das müssen Sie schon drehen.
” „Nach mir die Sintflut“ , Brexit, Flüchtlingskrise…alles hausgemacht und nicht gemeistert ”
Alles erfolgreich auf den Weg gebracht.
Es glaubt doch wohl niemand das das “Versehen” waren. Da steckt sehr viel Geld und Arbeit drin.
Deutschland hat grob 6 Mio. Deutsche mit türkischem Migrationshintergrund. Seit den 90er kommen Deutsche mit russischem Migrationshintergrund. Dazu noch die inner EU Migration und die 5 Mio aus der letzten “2015 darf sich nicht wiederholen” Aktion.
Stellen Sie sich einmal vor Deutschland hätte von jetzt auf morgen satt 82 Mio Einwohnern nur noch 65 Mio.
Kann sich jemand die Folgen für den Wirtschaftsstandort nur ansatzweise vorstellen?
Da kann die AfD schimpfen bis die braun sind. Deutschland füllt seine Lücken und befeuert den prekären Anteil an seiner Bevölkerung mit Absicht.
Das ist mit vielen Sachen so die in den MM als “etwas aus dem Ruder gelaufen” dargestellt werden …
vlg
Summerhill
3. August 2019 @ 08:37
Habt Ihr die „Tagesschau“ gestern gesehen ?
Die Sache mit dem Rindfleisch war noch nicht einmal offiziell verkündet, da jubelte ein Korrespondent schon darüber. Das sei doch ein schönes Zeichen dafür, dass es zwischen den USA und Europa auch wieder aufwärts gehen kann.
Glaubt man ja alles nicht…
Thomas
3. August 2019 @ 07:08
Vorallem französische Bauern haben das Abkommen mit dem Kanada noch nicht geschluckt, das Freihandelsabkommen mit den Mercosur-Staaten und jetzt noch dies, und klammheimlich. Eine zusätzliche harte Nuss für Herrn Macron und das Pariser Abkommen.
An den Klimawandel denken die Politiker wohl kaum wenn solche Abkommen unterschrieben werden.
Peter Nemschak
5. August 2019 @ 12:45
Das Abkommen muss für den Klimawandel nicht notwendigerweise schädlich sein.