Erweiterung statt Sozialismus: Scholz besteht auf Groß-EUropa

Kanzler Scholz hat seine Vision eines Groß-EUropa bekräftigt. Die EU könne mit 36 Mitgliedern viel stärker werden als derzeit, sagte der SPD-Politiker beim Kongress der europäischen Sozialdemokraten in Berlin. Von Vertiefung sprach er nicht, von Sozialismus schon gar nicht.

Was ist nur aus den Sozialdemokraten geworden? Früher wollten sie den Kapitalismus überwinden, den Frieden sichern und die EU zu den „Vereinigten Staaten von Europa“ ausbauen. So sagte es SPD-Spitzenkandidat Schulz bei der Bundestagswahl 2017. Danach verschwand er in der Versenkung.

Fünf Jahre später stellt Kanzler Scholz die Sozis völlig neu auf. Sozialismus ist für ihn kein Thema mehr, Frieden nur noch am Rande. Und statt der „Vereinigten Staaten von Europa“, die eine Vertiefung und Demokratisierung der EU voraussetzen, will er ein lockeres Groß-EUropa mit bis zu 36 Mitgliedern, das von Deutschland geführt wird.

„Eine geeinte Europäische Union aus 27, 30, 36 Staaten mit dann mehr als 500 Millionen freien und gleichberechtigten Bürgerinnen und Bürgern kann ihr Gewicht in dieser Welt noch stärker zur Geltung bringen“, sagte der Kanzler beim Kongreß der Sozialdemokratischen Partei Europas (SPE) in Berlin.

„Dass die EU weiter in Richtung Osten wächst, ist für uns alle ein Gewinn.“ Vor allem die Ukraine und Moldau will Scholz so schnell wie möglich in den Club holen. Dabei erfüllen beide Länder nicht einmal die Mindest-Voraussetzungen: Rechtsstaat, Demokratie, Abwesenheit von Korruption.

Auch wirtschaftlich sind sie nicht interessant – beide Länder sind ohne Milliarden-Subventionen aus dem Westen nicht überlebensfähig. Doch das ficht Scholz nicht an. Beim SPE-Kongreß setzte er die Erweiterung als alternativlos voraus – und forderte Reformen, um dieses geopolitische Ziel zu erreichen.

Damit zäumt Scholz das Pferd vom Schwanze auf. Für das ebenso vage wie ferne Ziel der Erweiterung, das die 450 Millionen EU-Bürger alles andere als begeistern dürfte, fordert er die Mitgliedsstaaten zum Verzicht auf souveräne Rechte wie das Veto in der Außen- und in der Steuerpolitik auf.

Erweiterung statt Sozialismus – darauf läuft Scholz‘ Rede hinaus. Kann das wirklich der neue Schlachtruf der europäischen Sozialdemokraten sein, lässt sich so kurz nach dem Brexit eine neue Finalität der EU begründen? Ich habe große Zweifel, auf mich wirkt das wie eine Flucht nach vorn…

Siehe auch „Projekt Groß-EUropa“