Freibrief für Ukraine, Drohung an Georgien
Das neue “Erweiterungs-Paket” ist da. Die EU-Kommission stellt der Ukraine darin einen Freibrief aus. Georgien hingegen wird mit einem Abbruch der Gespräche gedroht.
Einmal im Jahr veröffentlicht die EU-Kommission ihr “Erweiterungs-Paket”. Darin werden Fortschritte der Beitrittskandidaten gewürdigt, Rückschritte kritisiert und Empfehlungen gegeben.
Die Ukraine bekommt diesmal einen Freibrief. Obwohl sich das Land im Krieg mit Russland befindet und niemand weiß, in welchen Grenzen es beitreten könnte (wenn überhaupt), geben von der Leyen & Co. grünes Licht.
Anfang 2025 – nach Ende des umstrittenen ungarischen EU-Vorsitzes – könne man in Verhandlungen einsteigen, heißt es in dem neuen Fortschrittsbericht. Das “Screening” (der Abgleich der Rechtslage) laufe gut.
Kriegsrecht als Blankoscheck
Und was ist mit Demokratie und Rechtsstaat – den Grundvoraussetzungen für jeden EU-Kandidaten? Wie steht es um die Korruption in der Ukraine, oder um die Religionsfreiheit? Dazu schweigt sich die Kommission aus.
An der Aussetzung der Wahlen, den Parteiverboten, der Entlassung des Generalstaatsanwalts und dem zunehmend autoritärem Gehabe von Selenskyj findet sich keinerlei Kritik.
Stattdessen beginnt der Bericht mit einem Verweis aufs Kriegsrecht, das in der Ukraine gleich nach der russischen Invasion verhängt wurde. Er dient als Blankoscheck – sogar für die “Hüter der EU-Verträge” in Brüssel!
Borrell fordert Bruch mit Russland
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Ganz anders springt die EU-Kommission mit Georgien um. Die von der Leyen-Behörde bekräftigt nicht nur, dass der Beitrittsprozess faktisch ausgesetzt bleibt – weil die Regierung nicht tut, was Brüssel fordert.
Sie droht auch mit dem Aus, wenn das Land nicht mit Russland bricht. Der Außenbeauftragte Borrell sagte, man könne nicht Beziehungen zu Russland haben “und erwarten, dass das eigene Land Teil der EU wird”.
Georgien müsse sich entscheiden, so Borrell. Damit wiederholt er denselben Fehler, den die EU schon in der Ukraine gemacht hat. Das “Entweder-Oder” führte erst zum Bürgerkrieg, dann kam der Krieg mit Russland…
Mehr zur Erweiterung hier
Art Vanderley
31. Oktober 2024 @ 21:48
Stimmt schon, Demokratie aufrechterhalten, oder zu entwickeln, ist schwierig unter den Vorzeichen der russischen Aggression, nur hat eben auch die ukrainische Elite ihren Teil beigetragen zu den Voraussetzungen dieses Krieges, genauso wie die westliche und die russische.
So hat, rein zufällig natürlich, die Eskalation just dann begonnen als die ukrainische Antikorruptionsbewegung dabei war größere Erfolge einzufahren.
Alter Trick zur Machterhaltung, ein Kampf oben gegen unten auf allen Seiten, kaschiert hinter den jeweils nationalen Interessen der Verteidigung.
Die EU könnte hier auch anders agieren als sich intrumentalisieren zu lassen für offensichtliche Geopolitik. Einen einfachen Weg gibt es da nicht, das wäre das berühmte Bretterbohren, aber man macht es sich vermeintlich leicht und treibt weiter im Fahrwasser des bisherigen Gut-Böse-Schemas.
Könnte üble Spätfolgen haben für die EU.
Monika
1. November 2024 @ 11:22
@Art Vanderley: Könnte ???
Die offensichtlichen Folgen der USA-induzierten Sanktionitis gegen „Den Feind“ Russland (Merke: eine Ideologie, selbst eine Religion kann auf einen „Gott“ verzichten – aber nicht auf einen Teufel! Quelle dieses bonmots ist mir grad nicht präsent..) zeigen ja die krasse Selbstbeschädigung der EU. Von den Sanktionen sind die USA beim Handelsumfang im niederen einstelligen Bereich betroffen, die EU im gehobenen zweistelligen Bereich… Als Wirtschaftslaie habe ich beim Lesen dieser Weisheit „selten so gelacht“…
Art Vanderley
4. November 2024 @ 22:30
Die Sanktionen scheinen mir nicht so sehr das Problem- viel problematischer ist die innere Entkernung europäischer Werte durch die real existierende EU.
Curious
31. Oktober 2024 @ 21:09
Ebo, könntet Du/Ihr bitte einmal darstellen, was die Zustimmungserfordernisse in den bisherigen EU Staaten für eine Erweiterung verlangen?
Gibt es noch solche, in denen ein positiver Volksentscheid für eine Erweiterungszustimmung erfolgt sein muss?
Kleopatra
1. November 2024 @ 10:09
Soviel ich weiß, hat seinerzeit (um 2008) Sarkozy in Frankreich mit der Idee gespielt, das Erfordernis eines referendums für die Zustimmung zu einer Aufnahme in die EU in die französische Verfassung aufzunehmen. Daraus wurde m.W. nichts; damals ging es natürlich gegen die Türkei.
Monika
31. Oktober 2024 @ 18:31
„umstrittenen ungarischen EU-Vorsitzes“ Ungarn hatte den turnusgemäßen EU-Vorsitz. Wenn selbst hier das giftige Unwort „umstritten“ als Ausdruck benutzt wird, um einen völlig unannehmbaren innereuropäischen Umgang mit der ungarischen Regierung während der Zeit des Vorsitzes zu beschreiben hmmm ich weiss net…
„Kriegsrecht als Blankoscheck“ für was? Eine Entschließung, die sämtliche Grundlagen europäischer Gesetzgebung missachtet? Vielleicht „gildet“ ja dann alles nicht, so das Kalkül?
„führte erst zum Bürgerkrieg, dann kam der Krieg“ Unterwerfung fordert in diesem Zusammenhang nicht Russland, sondern die EU! Ist schon blöd, wenn die „Kandidaten“ noch rechtzeitig Lunte riechen und Abstand nehmen…
Hoffentlich bleiben die Georgier „bei sich“ und lassen sich nicht einschüchtern. Ängstliche Hunde kläffen, sollte Georgien -und hoffentlich auch Moldawien und Weitere- nicht an der vernünftigen Entscheidung hindern, gebührenden Abstand vom mittlerweile völlig unberechenbaren WerteWildWesten zu wahren
ebo
31. Oktober 2024 @ 18:42
Natürlich ist der ungarische EU-Vorsitz umstritten. Einige Ratstreffen wurden sogar von einigen Ländern boykottiert. Das finde ich zwar auch unmöglich – doch es ist ein Fakt, ohne den sich nicht verstehen lässt, warum Orban und seine Regierung in der EU fast nichts bewegen können.
KK
31. Oktober 2024 @ 19:48
Es ist die Art von „umstritten“, die mehr über die aussagt, die dieses Urteil fällen, als über den „Umstrittenen“.
Anstatt Orban zu boykottieren, hätte die Gelegenheit genutzt werden sollen, wenigstens sowas wie einen gemeinsamen Nenner zu finden. Was hier veranstaltet wird ist purer Kindergarten.
Arthur Dent
31. Oktober 2024 @ 16:17
Die Georgier müssten ja mit dem Klammerbeutel gepudert sein, wenn sie sich Richtung EU entscheiden würden. Sie haben Wachstum, niedrige Inflation, gute Beziehungen zu China – die EU-Kommission verlangt von Georgien ihre Souveränität aufzugeben und alles über Bord zu werfen.
Es war eine vollkommen rationale Wahl, Wahlbetrug scheint sich auch nicht zu bestätigen (Berliner Zeitung). Man kann ja noch die Bewertung der OSZE abwarten.
european
31. Oktober 2024 @ 11:46
Quintessenz des Ganzen ist, dass eine Wahl sofort als undemokratisch gebranntmarkt wird, sobald uns Guten das Ergebnis nicht passt.
Merkt eigentlich noch jemand, wie lächerlich wir uns machen?
KK
31. Oktober 2024 @ 19:51
„Quintessenz des Ganzen ist, dass eine Wahl sofort als undemokratisch gebranntmarkt wird, sobald uns Guten das Ergebnis nicht passt.“
Bin gespannt, was aus der wahrscheinlich nächste Woche erneut gebotenen Gelegenheit gemacht wird, wenn Trump die Wahl gewinnt… Wie Trumps Anhänger reagieren, wenn er verliert, ist mindestens genauso spannend ;-).
european
31. Oktober 2024 @ 10:12
It’s the economy stupid!
Die Georgien haben mal den Bleistift gespritzt und nachgerechnet. Bereits das Freihandelsabkommen mit der EU rechnet sich nicht für sie bzw. Es ist deutlich zu ihrem Nachteil. Die EU exportiert wesentlich mehr nach Georgien als sie von dort importiert. Es werden vielmehr immer mehr Hürden gegen die Importe aus Georgien aufgebaut.
Die Handelsbeziehungen zu ehemaligen Sowjetstaaten, Türkei, China, Indien, sind hingegen ausgewogen.
https://www.telepolis.de/features/Georgien-Die-Wahlen-drehten-sich-ebenso-sehr-um-die-Wirtschaft-9997716.html
Thomas Damrau
31. Oktober 2024 @ 09:38
Zum Thema Georgien, Russland und EU gibt es auch andere Stimmen: Auf Jacobin ( https://jacobin.de/artikel/georgien-proteste-ngo-gesetz-russland-europa ) wird am Beispiel des umstrittenen NGO-Gesetzes eine ganz anderes Bild gezeichnet als das in Deutschland verbreitete Bild “Regierung = Freunde Russland” + “Opposition = Freunde der georgischen Bevölkerung”.
Die Darstellung auf Jabobin muss nicht stimmen – aber die Berichterstattung in den deutschen Mitte-Medien scheint mir zu sehr von den Motiv “möglichst schnell Georgien in EU bringen” getrieben zu sein.
Helmut Höft
2. November 2024 @ 11:37
„… des umstrittenen NGO-Gesetzes …“ Das russische Vorbild? Hier ist das Vorbild: https://de.wikipedia.org/wiki/Foreign_Agents_Registration_Act
bruno neurath-wilson
31. Oktober 2024 @ 08:44
Kleopatra schreibt: “dass die bisherige Regierung im Wahlkampf den Wählern kaum verblümt angedeutet hat, wenn sie nicht brav die Regierung wählen, würden die Russen auch Georgien umspringen wie mit der Ukraine.” Gibt es für diese Behauptung bitte ein wörtliches Zitat mit Quellenangabe. Das wäre sehr hilfreich
Kleopatra
31. Oktober 2024 @ 07:25
Zur Ukraine: Nichts hindert die Durchführung von Wahlen in der Ukraine außer dem russischen Aggressionskrieg. Und Krieg ist nun einmal Krieg, und den hat nicht Zelens’kyj angefangen.
Zum Fall Georgien wäre darauf hinzuweisen, dass die bisherige Regierung im Wahlkampf den Wählern kaum verblümt angedeutet hat, wenn sie nicht brav die Regierung wählen, würden die Russen auch Georgien umspringen wie mit der Ukraine. Wenn man das mit dem Umstand zusammensieht, dass große Teile des georgischen Staatsgebiets von den Russen besetzt sind und es diesen leicht fallen würde, etwa bis Tiflis vorzurücken, stellt sich im Ergebnis der „Georgische Traum“ als eine Organisation von Kollaboranten dar, die ihren Mitbürgern mit einem Einmarsch des großen Nachbar drohen. Sinngemäß anzudeuten: „Wenn ihr uns nicht wählt, kommt der Russe und erschießt euch“, hat mit Demokratie nichts zu tun, sehr viel aber mit Hochverrat.
Helmut Höft
31. Oktober 2024 @ 08:51
Hatte Hobbes am Ende doch recht? “homo homini lupus” und “bellum omnium contra omnes”. Oder Schiller: “Es kann der Frömmste nicht in Frieden bleiben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt.”
So ist das unter Menschen. Nun zum neuen Thema: “Krieg in … ”
Fast hätt’ ich’s vergessen: Wenn’s um die Kriege der anderen geht: Auf die Barrikaden! Wenn’s um die eigenen Kriege geht: Pst, es wird gekämpft – für Frieden, Freyheid, Demokratie blabla! mC
ebo
31. Oktober 2024 @ 09:16
Haben Sie irgendwelche Belege für diese Behauptung? In den Medien ist von derlei Drohungen nichts zu finden. Das Begriff “Kollaborant” ist völlig deplatziert.
Kleopatra
1. November 2024 @ 10:16
Zur Propaganda der Regierungspartei, die penetrant die Opposition als “Kriegs-” und sich selbst als Friedenspartei darstellte, etwa die Zitate in https://www.zois-berlin.de/publikationen/zois-spotlight/propaganda-und-angst-wie-die-georgische-regierungspartei-georgischer-traum-ihre-waehlerinnen-mobilisiert . Auch Wahlplakate, die nebeneinander ukrainische Gebäude mit Kriegsschäden und intakte Gebäude in Georgien zeigen (Beispiel von der Deutschen Welle: https://static.dw.com/image/70580834_906.jpg), laufen recht eindeutig auf die von mir angedeutete Interpretation hinaus. Das georgische Territorium ist teilweise von Russland besetzt, und sie stehe relativ nahe bei der Hauptstadt Tiflis und könnten auch mit wenig Aufwand Straßenverbindungen zwischen dem Osten und Westen des Landes sperren. Wer in Georgien von Kriegsgefahr spricht, kann damit nur die Russen meinen, selbst dann, wenn er sie nicht explizit nennt.
ulla
31. Oktober 2024 @ 10:16
Schwachfug….
Georgien wird ein Wachstum von 7,5 % für 2024 prognostiziert, für 2025 werden 5,5
erwartet. Sie müssen doch zugeben, dass
diese Zahlen unter dem Brüsseler Sanktionsregime nie und nimmer erreicht worden wären.
„Die Hauptabsatzländer für Waren mit georgischem Ursprung sind Russland und die Türkei.“ Darauf soll Georgien aus geopolitischen Gründen nun verzichten, weil in Brüssel einige Kommissare und in Strasbourg das EU Parlament vor lauter Russenhistory nicht mehr wissen wo oben und unten ist und scheinbar den gesunden Menschenverstand verloren haben.
https://www.gtai.de/de/trade/georgien-wirtschaft/wirtschaftsausblick
Helmut Höft
2. November 2024 @ 11:45
„.. weil in Brüssel einige Kommissare und in Strasbourg das EU Parlament vor lauter Russenhistory nicht mehr wissen wo oben und unten ist und scheinbar den gesunden Menschenverstand verloren haben.“ Wenn es das nur wäre! Es ist ja auch die Karotte, die den Menschen via Internet, TV und leeren Versprechen permanent vor die Nase gehalten wird. Und dann … wird abkassiert und „das Pack“ abgehängt! Die können dann „irregulär“ flüchten. mC
„Money talks, bullshit walks“
Stef
31. Oktober 2024 @ 10:29
@ Kleopatra: Den letzten Krieg mit Russland hatte nach meiner Erinnerung Georgien vom Zaun gebrochen, oder?
european
31. Oktober 2024 @ 10:44
So ist es.
Dazu gab es sogar eine Untersuchung der EU, die das bestätigt hat
Kleopatra
31. Oktober 2024 @ 20:26
@Stef: Ich hatte mich auf den Aggressionskrieg Russlands gegen die Ukraine bezogen.
Curious
31. Oktober 2024 @ 21:18
@european:
Hast zufällig den Link noch abgespeichert? Thx…
european
31. Oktober 2024 @ 21:38
@curious
https://www.reuters.com/article/world/eu-bericht-georgien-hat-krieg-mit-russland-begonnen-idUSBEE58T0KH/
MarMo
31. Oktober 2024 @ 23:01
Kleopatras Denkvermögen setzt aus, sobald es um Russland geht. Der pure Hass führt die Feder.
Michael
31. Oktober 2024 @ 07:12
Es ist schon sehr auffallend wie insbesondere die Außenpolitik dank Baerbock, Borrell, Blinken, etc. immer wieder durch Inkompetenz auffällt!
Ralf Krämer
31. Oktober 2024 @ 07:31
Man könnte doch eher meinen, Hochverrat sei, wenn Parteien die Interessen ausländischer Mächte, konkret EU und USA, vermittelt u.a. über eine Vielzahl aus ihnen finanzierter NGOs, die dort sehr prägend für die politischen Prozesse sind, vorrangig vertreten und dabei das Interesse der Bevölkerung an Frieden und guten Beziehungen zu großen Nachbarländern missachten. So ähnlich wie bei uns, wo die geplante Stationierung von US-Mittelstreckenwaffen Teil der US-Bedrohungsstrategie gegen Russland ist und die Sicherheit Deutschlands nicht erhöht, sondern zusätzliche Gefahr schafft.
Kleopatra
31. Oktober 2024 @ 08:43
@Ralf Krämer: “Interesse der Bevölkerung an Frieden und guten Beziehungen zu großen Nachbarländern” – Sie können die Angstmache des Georgischen (Alb-)Traums wirklich schön schönreden. Russland ist für Georgien kein Nachbar, mit dem gute Beziehungen angestrebt werden können, sondern ein drohender Nachbar, der Unterwerfung fordert.
Und die 60-Minuten-Hasssendungen des russischen Fernsehens haben schon über Atombomben auf ungefähr jede westliche Stadt schwadroniert, lange bevor die Stationierung der genannten amerikanischen Mittelstreckenraketen diskutiert wurde.