Erdogan ignoriert EU-Parlament, Merkel auch
„Diese Abstimmung hat für uns keinen Wert“. Mit diesen Worten hat Sultan Erdogan die Forderung des Europaparlaments zurückgewiesen, die EU-Beitrittsgespräche auf Eis zu legen. Schützenhilfe bekommt er aus Berlin.
Nicht einmal 12 Stunden nach der Türkei-Debatte im EU-Parlament hat Kanzlerin Merkel nämlich im Bundestag betont, dass sie „den Gesprächsfaden aufrecht erhalten“ will.
Wie bei Merkel üblich ist unklar, was diese schwammige und ungeschickte Formulierung konkret bedeuten soll. Reden kann man ja auch ohne Beitrittsverhandlungen.
Klar ist jedoch, dass ihr Statement die Position von Erdogan stützt. Er kann nun einen Keil zwischen Bundestag und Europaparlament, zwischen Berlin und Brüssel bzw. Straßburg treiben.
Demgegenüber wird Merkels Position als „Verteidigerin der westlichen Werte“ einmal mehr ad absurdum geführt. Gerade erst hat Erdogan Tausende Oppositionelle an den Pranger stellen lassen!
Und Merkel hält es nicht einmal für nötig, dagegen offiziell zu protestieren und das Europaparlament gegen Erdogans Attacken in Schutz zu nehmen…
P.S. Die Abstimmung im EU-Parlament findet übrigens erst am Donnerstag statt, über den Wortlaut der Türkei-Resolution wird noch gerungen. CDU/CSU sind nun in der Zwickmühle… Siehe auch „Der Postillion bringt’s auf den Punkt“
Lina
23. November 2016 @ 15:46
“Diese Abstimmung hat für uns keinen Wert”.
Stimmt.
Obama hat bei seinem EU-Abschiedsbesuch nicht Brüssel, sondern Berlin besucht.
Und Berlin verteidigt vehement „unsere Werte“:
Geld! Cash! Money!
Ankara sperrt Tausende Bürger ein? Sch…drauf, hauptsache deutsche Unternehmen und deutsche Beteiligungen an Unternehmen werden nicht angerührt.
Ankara macht kurdische Städte im Osten der Türkei dem Erdboden gleich?
Juckt uns nicht. Haupsache deutsche Unternehmen und deutsche Beteiligungen an Unternehmen werden nicht angerührt oder dürfen später beim Wiederaufbau den Reibach machen.
Ankara stellt den Vertrag von Lausanne infrage?
Klartext: Ankara droht damit ganze Inseln und Gebiete in Griechenland, Zypern, Irak, Syrien etc sich einzuverleiben?
Sch..egal! Hauptsache deutsche Unternehmen und deutsche Beteiligungen an Unternehmen werden nicht angerührt oder dürfen mitmachen.
Die Konstellation erinnert leider sehr stark an WW1.
Und „kein Land in Sicht“.
Peter Nemschak
23. November 2016 @ 15:55
Wenn man Ihrer Argumentation folgt, dürfte man mit vielen Staaten keine Geschäfte machen. Hinter diesen Geschäften, das sollte man auch bedenken, stehen viele deutsche Arbeitsplätze.
Lina
23. November 2016 @ 16:12
Wenn ich Ihrem Argumentationen, die ich zu fast jedem Thema lese, folge, komme ich zu dem Entschluß, dass das Denken unter der Pickelhaube ziemlich …..ähm….speziell sein muß.
Nix für ungut.
S.B.
23. November 2016 @ 15:01
Erdogan und Merkel: Beide sind keine Demokraten, sondern Diktatoren. Bei Erdogan gilt allerdings die offene Methode mit dem Holzhammer, so wie es in der DDR auch war. Da wusste man zumindest, woran man ist (besser wird es davon natürlich auch nicht). Im wiedervereinigten D, wird die Demokratie auf die subtile Art ins Abseits geführt. Deshalb glaubt manch einer immer noch, es gäbe sie noch. Was für ein Irrtum!
Peter Nemschak
23. November 2016 @ 15:52
Es gibt in Deutschland ein funktionierendes ordnungsgemäß gewähltes Parlament und andere rechtsstaatliche Institutionen wie eine funktionierende Verfassungsgerichtsbarkeit. Nur weil die derzeitige Politik nicht nach Ihrem Geschmack ist, heißt das nicht, dass Deutschland eine Diktatur ist. Nach den nächsten Wahlen können, wenn die Bürger entsprechend wählen, andere Mehrheiten entstehen. Der Vergleich mit Erdogan hinkt nicht nur, sondern ist unzulässig.
S.B.
23. November 2016 @ 16:15
@Peter Nemschak: „Es gibt in Deutschland ein funktionierendes ordnungsgemäß gewähltes Parlament und andere rechtsstaatliche Institutionen wie eine funktionierende Verfassungsgerichtsbarkeit.“
Es gibt in D schon lange kein funktionierendes Parlament mehr, da es in elementaren Sachverhalten auf verschiedenen Wegen bei Entscheidungen defacto oder rechtlich einfach ausgesperrt wird. TTIP oder ganz aktuell eine Entscheidung des nach Politikproporz besetzten BVerfG: http://verfassungsblog.de/selektoren-urteil-des-bverfg-karlsruhe-verzwergt-das-parlament/
Von den vielen Richtlinien und Verordnungen der EU, die vom deutschen Parlament nur noch durchgewinkt werden und inzwischen einen Großteil des hiesigen gesetzlichen Rahmens ausmachen, ganz zu schweigen.
Das deutsche Parlament ist nichts weiter als ein unnötige Quatschbude. Schon lange entscheidet nur noch die Regierung.
Sie sollten die Realitäten nicht verweigern, nur weil sie nicht in Ihr Weltbild passen.
Peter Nemschak
23. November 2016 @ 13:14
Die Regierungschefs, auch Merkel, sind ihren nationalen Parlamenten verantwortlich, nicht dem europäischen Parlament. Letzteres kann sie auch nicht abberufen. Die Drohung der Kommission, die Beitrittsgespräche mit der Türkei im Falle der Einführung der Todesstrafe abzubrechen, wäre dann wirkungsvoll, wenn alle nationalen Parlamente der Mitgliedsländer und das europäische Parlament dafür stimmen würden. Mangels europäischer Einigkeitt haben es Leute wie Trump, Putin und Erdogan leicht, die Mitgliedsländer gegeneinander auszuspielen. Warum soll Merkel – sie ist die falsche Adresse dafür – das Europaparlament in Schutz nehmen? Das wäre Aufgabe der geeinten nationalen Parlamente.