Energiekrise, Sanktionen und spekulative Märkte: So steuert die EU gegen die Wand (2)

Deutschland und die EU steuern auf eine schwere Energie- und Wirtschaftskrise zu. Die Probleme haben allerdings nicht erst mit dem Krieg in der Ukraine begonnen – und sie wurden durch die Sanktionen gegen Russland deutlich verschärft. Eine Chronik des Politikversagens (Teil 2).

Spätestens mit dem im Juni beschlossenen Ölembargo war klar, dass die EU und Russland auf eine Konfrontation zusteuern würden. Nun ist der Fall da – und die europäische Politik ist ratlos.

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Völlig hilflos wirkt die EU-Kommission. Sie will die Mitgliedsländer auf eine mögliche dauerhafte Unterbrechung der Gaslieferungen aus Russland vorbereiten.

Doch im Entwurf für den Notfallplan Gas, der am Mittwoch (20. Juli) vorgelegt werden soll, fällt Kommissionschefin Ursula von der Leyen und ihrem „Team Europa“ nichts Besseres ein, als die Heiztemperatur in Büros und öffentlichen Gebäuden auf 19 Grad abzusenken!

Auf diese banale Idee war die Internationale Energieagentur schon im März gekommen. „Die Vorschläge wirken mutlos, gar verzweifelt“, kritisiert der grüne Europaabgeordnete Michael Bloss. Von einer „Aneinanderreihung von Hausfrauentipps“, spricht sein Kollege Markus Ferber.

Kernschmelze in der Eurozone?

Auf die Idee, die Heizung herunter zu drehen, hätte man auch ohne die EU-Kommission kommen können, meint der CSU-Politiker völlig zu Recht.

Doch es geht hier nicht nur um ein paar mißratene Vorschläge gegen die Gaskrise. Es geht um eine verfehlte Politik. Die EU steuert seit Herbst sehenden Auges in die Mega-Krise. Diese Krise betrifft längst nicht mehr nur die Energiemärkte. Sie trifft auch die Wirtschaftspolitik und die Währungsunion – und damit den „harten Kern“ der EU.

Hier bahnt sich womöglich eine Kernschmelze an – eine Eurokrise 2.0 mit ungeahnten Konsequenzen. Eine erste Vorahnung auf das, was noch kommen kann, geben die jüngsten Ereignisse in Italien. Der Rücktritt von Regierungschef Mario Draghi trifft die EU und die Eurozone im denkbar ungünstigen Augenblick.

Politikwechsel ist kein Thema

Doch auch in Frankreich, in Belgien und in den Niederlanden rumort es. Selbst Deutschland ist nicht mehr der gewohnte Hort der Stabilität, auch hierzulande droht ein ökonomisches Beben. All dies ist mit bloßem Auge leicht zu sehen.

Doch in Brüssel weigert man sich, die aufziehende Krise zu erkennen. Ein Politikwechsel zeichnet sich nicht ab – im Gegenteil: Die EU-Kommission bereitet das siebte Sanktionspaket gegen Russland vor. Immerhin hat man diesmal den Energiesektor ausgeklammert. Doch das unrealistische Ziel, sich von russischer Energie “unabhängig” zu machen, steht weiter im Raum.

Die Folgen dieser Politik werden nicht reflektiert. Die Sanktionen würden Russland hart treffen, heißt es in einem internen Bericht der EU Kommission. Welche Risiken und Nebenwirkungen sie für Europas Wirtschaft haben, ist dagegen kein Thema. Im jüngsten Konkturbericht werden alle Probleme auf “Putins Krieg” geschoben. Die Strafmaßnahmen werden mit keinem Wort erwähnt.

Dieser Artikel erschien zuerst bei “telepolis”. Teil eins steht hier. Mehr zur Energiekrise hier