Empörung über von der Leyen und ihre (Folter-)Instrumente
Unmittelbar vor der Wahl in Italien droht EU-Chefin von der Leyen, dort jene “Instrumente” einzusetzen, mit denen sie Ungarn und Polen bereits EU-Mittel vorenthält. Nun ist die Empörung groß.
Von der Leyen hatte bei einer Veranstaltung an der US-Privatuniversität in Princeton auf die Frage von Studenten geantwortet, ob sie ein möglicher Rechtsruck in Italien mit Sorge erfülle: „Wenn sich die Dinge in eine schwierige Richtung entwickeln – ich habe von Ungarn und Polen gesprochen –, dann verfügen wir über Instrumente.“
Gemeint ist der Entzug von EU-Mitteln aus dem Wiederaufbaufonds sowie die Kürzung von Subventionen mithilfe des neuen Rechtsstaatsmechanismus. Die EU-Kommission hat gerade erst vorgeschlagen, Ungarn wegen mangelnder Fortschritte im Kampf gegen die Korruption 7,5 Milliarden Euro an EU-Fördermitteln zu kürzen.
Ein ähnliches Schicksal könnte nun Italien ereilen. Allerdings müßte Brüssel erst einmal Verstöße gegen den Rechtsstaat nachweisen. Bei einer Regierung, doch noch gar nicht gewählt wurde, dürfte das schwierig werden. Viele betrachten von der Leyens Worte denn auch als unzulässige Einmischung in demokratische Wahlen.
Der frühere Innenminister und Chef der rechtspopulistischen Partei Lega, Matteo Salvini, forderte in einem Gespräch mit der Tageszeitung „Corriere della Sera“ vom Samstag eine „Entschuldigung oder den Rücktritt“ der Kommissionspräsidentin.
Auch der frühere EU-Kommissar und stellv. Parteichef der Forza Italia, Antonio Tajani, prangerte die „Einmischung“ an. „Es ist die Aufgabe der Kommission, über die Einhaltung der EU-Verträge zu wachen, aber nicht über die Wahlen in demokratischen EU-Staaten“, sagte Tajani, der auch Präsident des Europaparlaments war.
Empörung herrscht auch in Polen. Premier Mateusz Morawiecki nannte von der Leyens Bemerkung “skandalös” und stellte infrage, ob man in einem “solchen Europa” leben wolle.
“Is this the Europe we want? … That Eurocrats in Brussels dictate what the government should be?” Morawiecki asked. “This is not the rule of law; it is a dictate and the lack of the rule of law,” the prime minister said.
Politico
Von der Leyens Chefsprecher versuchte zwar, die umstrittene Bemerkung zu relativieren. „Es ist absolut klar, dass sich die Präsidentin nicht in die italienischen Wahlen eingemischt hat“, sagte er. Doch das glaubt ihm keiner, nicht einmal der ehemalige Präsident des Europaparlaments.
Wenn man bedenkt, dass von der Leyen bei der letzten Europawahl gar nicht zur Wahl stand, jetzt aber über Wahlen in Mitgliedsländern urteilen will, ist das Mißtrauen eigentlich nicht erstaunlich.
Die CDU-Politikerin offenbart ein merkwürdiges Demokratie-Verständnis. Das muß man selbst dann festhalten, wenn man von den italienischen Kandidaten wenig hält…
Thomas Damrau
26. September 2022 @ 10:07
All das zeigt die wachsende Hilflosigkeit der Konservativen (und leider auch der anderen politischen Strömungen) angesichst der Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Man bräuchte ein Konzept, wie ein klimaschonender Umbau der Wirtschaft gelingen kann, ohne dass die sozialen Spannungen innerhalb der individuellen Staaten ins Extreme gesteigert werden. Und ohne dass die abgehängten Regionen des Globus noch weiter abgehängt werden.
Hat man aber nicht. Stattdessen wird von einem “New Green Deal” gefaselt. Dieser Deal soll mit etwas Verteuerung hier, etwas Subvention da und sich verschärfenden Vorschriften, wie gebaut, produziert und gelebt werden darf, Bedingungen schaffen, unter denen “der Markt” die notwendige Transformation schon von selbst wuppen wird. Dieser Denkansatz wird von der EU-Kommission und den meisten EU-Regierungen geteilt – in Deutschland insbesondere von Grünen und FDP. Das ist natürlich weit entfernt von Roosevelts “New Deal”, auf den der “Green Deal” verweisen soll. Unter Roosevelt hat der Staat die Regie übernommen hat, massiv selbst investiert und für eine Umverteilung von oben nach unten gesorgt.
In der EU wurden schon in der Vergangenheit die sozialen Kollateralschäden des wirtschaftsliberalen Ansatzes billigend in Kauf genommen. Daran ändert sich auch in der nun noch viel explosiveren Lage nichts.
Dieses “Augen zu und durch” sorgt für ein Grummeln in weiten Teilen der Bevölkerung, das den rechten Bauernfängern in Polen, Ungarn, Frankreich, Schweden, Spanien, Italien, … den Boden bereitet: Mit Stänkern gegen die gefühlte Bevormundung aus Brüssel, einem Spritzer Leugnung der Klima-Katastrophe und einem kräftigen Schuss Fremden- und LGBT-Feindlichkeit wird der Nerv immer breiter werdender Bevölkerungsschichten getroffen: “Wir könnten eigentlich ein gutes Leben führen, wenn uns die Anderen nur ließen”. Daher brauchen die Populisten von Rechts keine alternative Antworten auf die aktuellen Herausforderung: Zur Utopie wird ein fiktives Gestern erklärt, in dem Männer noch Männer und Frauen noch Frauen waren, in dem die Nachbarn noch “von hier” waren, in dem Autofahren und Fliegen noch cool war, …
In Italien kamen dann noch einige Sonderfaktoren hinzu. In einer eh schon rechtslastigen Stimmungslage wurde eine Technokraten-Regierung unter Draghi eingesetzt – unter großem Jubel aus Brüssel: “Super-Mario – Mister Euro – wird Italien schon sanieren.” Aber Draghi stand nun einmal für die wenig geliebte EU. Folglich verloren die Parteien an Boden, die diese Regierung gestützten. Dagegen hat Meloni von ihrer Opposition gegen Draghi profitiert.
Dazu kommt die dubiose Rolle der EVP im Wahlkampf. Das Interview, das Michael Gahler heute dem DLF gegeben hat ( https://www.deutschlandfunk.de/italien-vor-rechtsruck-interview-michael-gahler-cdu-mdep-dlf-767695c5-100.html ), ist an Peinlichkeit nicht zu überbieten. Auf die Frage, warum die EVP Berlusconi im Wahlkampf unterstützt habe, wird der alte Gauner Berlusconi zum Politiker der Mitte stilisiert. Und von Berlusconi werde erwartet, dass er (gemeinsam mit Tajani) die neue Regierung auf einem Kurs der Mitte halten werde.
… und übermorgen wird die EVP vermutlich den Fratelli die Mitgliedschaft in der EVP-Wertegemeinschaft anbieten. Nix gelernt aus der fatalen Anbiederung der an Viktor Orban.
Holly01
26. September 2022 @ 10:17
Danke, auf den Punkt.
european
26. September 2022 @ 12:52
Es fehlt die Reflexion darüber, was die Dauerausteritaet in Italien, die hohe Arbeitslosigkeit und die Perspektivlosigkeit der Jugend mit dem Land und den anderen Suedlaendern macht. Betrifft ja nicht nur Italien.
Rechtslastigkeit kommt nicht aus der Luft. Sie hat Ursachen, die fähiges Personal erfordern. Die Rechtsaussenparteien brauchen ja nicht mal etwas zu tun. Die Menschen kommen aktuell von allein, weil sie sich nirgendwo aufgehoben fühlen.
Man hat auch nie wirklich über die Ursachen des Brexit nachgedacht. Dabei liegt da die Blaupause völlig offen.
KK
26. September 2022 @ 00:30
Von der Leyen ist wie ein vom Kellner gebrachtes Getränk, das man nicht bestellt hatte, aber trotzdem bezahlen muss! Und das einem auch überhaupt nicht schmeckt.
Wer würde denn davon sogar noch ein zweites wollen?
Pjotr56
25. September 2022 @ 21:14
Will denn überhaupt noch jemand DIESE EU, geschweige denn die Kommissionspräsidentin?
ebo
25. September 2022 @ 21:20
Die Präsidentin würde gern verlängern, sie läuft sich schon für eine 2. Amtszeit warm. Hauptthema: die Ukraine
european
25. September 2022 @ 19:11
Nur mal so.
Italien ist Gründungsmitglied, Nettozahler und hat mit einer einzigen Ausnahme und zwar in der Finanzkrise 2008 immer einen Primärüberschuss erzielt. Das hat nicht einmal Deutschland hinbekommen und viele Italiener haben einfach keine Lust mehr, sich wie Dreck behandeln zu lassen.
Über von der Leyen wurde hier alles gesagt und es ist müßig, das alles zu wiederholen.
Ich war gegen den Brexit und bin immer noch davon überzeugt, dass er falsch war. Aber die EU und ganz besonders die nicht gewählte EUCO-Präsidentin machen es einem immer schwerer, gute Argumente für den Verbleib zu finden.
Holly01
26. September 2022 @ 07:18
Das wird sich in spätestens 6 Monaten alles erledigt haben, also die EU, der Euro unsere Ampel und einiges anderes mehr.
Das ist auch nicht mehr aufzuhalten.
Die machen iwann für 3 Wochen alle Banken zu und danach ist das ein anderes Land.
Wenn man so schaut: sauber durch gezogen die ganze Aktion. Wenn „die“ wollen dann können die das ja doch.
Von daher war der Brexit nur ein Testlauf für die Abwicklung der EU.
So einen „Rechtsraum“ hat ja noch nie jemand aufgelöst.
Der Scholz hätte 250 Mrd. Sondervermögen für die Bundeswehr auflegen sollen.