Einreiseverbot: Wir sind noch dümmer als Trump
Als US-Präsident Trump ein Einreiseverbot für Bürger der Schengenzone verhängte, war die Empörung groß. Von Nationalismus und Populismus war die Rede. Nun macht die EU dasselbe. Wir sind nicht besser als Trump, nur dümmer.
Reiseverbote und Grenzschließungen sind keine geeigneten Mittel im Kampf gegen das Coronavirus. So verkündete es die EU-Kommissionschefin von der Leyen noch am Freitag.
Es war das europäische Binnenmarkt-Dogma der offenen Grenzen, das ein rechtzeitige Abschottung vor Reisenden aus China, Iran und anderen Risikogebieten verhindert hat.
Doch am Montag schwenkte VdL plötzlich um – und schlug ein Einreiseverbot für Nicht-EU-Bürger vor. Deutschland will das Verbot sofort umsetzen, in Frankreich ist es schon in Kraft.
Damit macht die EU nun dasselbe wie Trump. Wir sind keinen Deut besser – nur noch dümmer. Denn wer will noch nach Europa reisen, wo “wir” zum Epizentrum der Krise geworden sind?
Die Gefahr geht heute von Italien, Spanien und Deutschland aus, wo die Zahl der Erkrankten explodiert. Mit 9257 Fällen stand Deutschland am Dienstag weltweit auf Platz fünf, bei den Neuzugängen sogar auf Platz zwei.
Wenn überhaupt, dann hätte der Reisebann vor mehreren Wochen Sinn gemacht. Hätte man die Einreise aus China und Iran rechtzeitig unterbunden, wäre uns viel Leid erspart worden.
Doch noch gestern konnten Reisende aus Iran problemlos nach Deutschland fliegen. Die “Iran-Affäre” (Spiegel) zeigt, wie lax Kanzlerin Merkel mit dem Problem umgeht.
Dumm ist das Einreiseverbot noch aus einem anderen Grund.
Denn es führt zu Panik an den EU-Außengrenzen und in außereuropäischen Touristengebieten. Die EU muß Rückholflüge organisieren – und verfällt dabei wieder in nationale Reflexe…
Selbst das von Frankreichs Präsident Macron vorgebrachte Argument, ein Bann für Nicht-EU-Bürger werde helfen, die Grenzen in Europa offen zu halten, zieht nicht mehr.
Spätestens seit Deutschland am Montag im Alleingang die Grenze zu Frankreich dicht gemacht hat, hat Macron verloren. Nun igelt sich jeder ein – immer mehr.
Am Dienstag verhängte Frankreich neben der Abschottung nach außen auch eine Ausgangssperre im Innern. Belgien wird dem französischen Beispiel am Mittwoch folgen.
Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Deutschland ebenfalls seine Bürger wegsperrt. Merkel traut sich nur noch nicht, die bittere Wahrheit auszusprechen…
Siehe auch Corona-Krise: EU-Chefs überzeugen bisher nicht
___STEADY_PAYWALL___
Watchlist
Scheitert am Ende auch noch der Brexit am Coronavirus? Auf jeden Fall behindert die Pandemie schon die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen, die am Mittwoch in London fortgeführt werden sollten. Nun denkt man über eine Videokonferenz nach. Die EU könnte sich auch eine Verlängerung der Übergangsphase vorstellen, doch das ist für Premier Johnson weiter tabu…
Was fehlt
Das vorzeitige Aus für das größte US-Manöver in Europa seit dem Kalten Krieg. „Als Reaktion auf die Ausbreitung des COVID-19 Virus “ seien alle Truppenbewegungen gestoppt worden, teilte das US-Hauptquartier in Europa mit. Zuvor hatte die Bundeswehr ihre Teilnahme abgeblasen. Es war einfach absurd, mitten im “Krieg” gegen das Virus die Mobilmachung gegen Russland zu üben…
Das Letzte
Kommen nun doch noch Eurobonds – als Mittel im Kampf gegen die Corona-Krise? Beim Video-EU-Gipfel am Dienstag war dies offenbar ein Thema. Macron soll sich dafür ausgesprochen haben, auch Italiens Conte wäre nicht abgeneigt. Doch ein Bericht, wonach sich auch Merkel mit der Idee anfreunden könnte, wurde anschließend hart dementiert. Wie immer… – Mehr zum Thema hier
Claus Hiller
18. März 2020 @ 09:00
Wie sagte die Bundeskanzlerin noch im Jahr 2015? „Deutschland kann seine Grenzen nicht kontrollieren“. Wird man ihre damaligen Entscheidungen in Bezug zu den gegenwärtig als nötig erachteten und durchgeführten Maßnahmen setzen und die personellen Konsequenzen daraus ziehen? Vermutlich nicht. Wäre heute ein CDU-Parteitag, 10 Minuten „Standing Ovation“ und 99,5% Zustimmung ihres Wahlvereins würden kaum überraschen.
Baer
18. März 2020 @ 08:47
Was ist mit den ankommenden Flugzeugen jede Nacht auf dem Flughafen Bonn?
Kleopatra
18. März 2020 @ 08:27
Wenn Belgien und Frankreich Ausgangssperren haben und Deutschland die Sache lax handhabt, werden Frankreich und Belgien sich à la longue zu Einreisesperren gegen Deutschland gezwungen sehen. (Denn sonst bringt die Einschränkung für die eigenen Bürger nichts).
Angesichts einer Katastrophe ändern Menschen ihren Charakter nicht; er kommt allenfalls schriller zur Geltung. Deshalb wird Merkel sicher genau wie immer solange im Ungefähren bleiben und Gemeinplätze und allgemeine Regeln zitieren, bis härtere Antworten absolut unumgänglich sind.
Der EU kann man die offenen Grenzen gegenüber China nicht anlasten, allenfalls insofern als im Rahmen des Binnenmarkts und der fehlenden Kontrollen der Binnengrenzen ein Land allein keine funktionierende Einreisesperre verhängen kann (Beispiel: Italien hatte früh eine Sperre für Flüge aus China, die Betreffenden sind dann eben über Zwischenstationen eingereist). Es ist m.E. eher Deutschland, das besonders auf den Handel mit China Wert legt (ich meine wo gelesen zu haben, dass trotz aller Bekenntnisse zur EU der Handel mit China für die deutsche Wirtschaft wichtiger sei).
ebo
18. März 2020 @ 09:17
Das ist auch mein Eindruck: Das exportabhängige und in China fabrizierende Deutschland hat (viel zu) lange auf der Bremse gestanden. Auch jetzt gelten Grenzkontrollen und Reisesperren nur für Menschen nicht für Güter.
Kleopatra
18. März 2020 @ 11:06
Vektoren des Virus sind nun einmal Menschen; zur Vermeidung der Verbreitung ist es deshalb besser, die Güter werden bewegt als die Menschen. Aber klar, es geht auch darum, dass Deutschland ungehinderten Warenhandel wünscht und sich in gewisser Weise so unverantwortlich verhält, wie es gewissen Unternehmen in Ischgl vorgeworfen wird.
Die Merkelsche Aussage, Deutschland verbiete Italien nicht, in sein Gesundheitswesen zu investieren, ist in ihrem (hoffentlich unbeabsichtigten) Zynismus kaum zu übertreffen. Tatsächlich hat ja etwa die von Deutschland in Griechenland erzwungene Sparpolitik dort sehr wohl das Gesundheitswesen auf den Hund gebracht. Dazu kommen im konkreten Fall die Ausfuhrbeschränkungen für medizinisch notwendige Güter, die Deutschland auch gegenüber anderen EU-Staaten erlassen hat (Merkel bezeichnete das in ihrer Pressekonferenz euphemistisch als “Exporterlaubnis für medizinische Güter”). Da gilt der freie Handel und der unverfälschte Wettbewerb auf einmal nicht mehr als oberste Dogma …