Eine giftige Mischung, ein banges Warten – und eine Ohrfeige für Scholz

Die Watchlist EUropa vom 4. November 2020.

Europa in Angst, schrieben wir am Montag an dieser Stelle – es ging um die Coronakrise und die Folgen. Europa in Angst, könnten wir auch heute schreiben – nach dem Terroranschlag in Wien. Die Angst vor Anschlägen vermischt sich mit der Sorge um die Gesundheit.

Corona und Terror – das ist die neue, hochgiftige Mischung, mit der sich nicht nur Österreich, sondern auch Frankreich, Deutschland und die EU konfrontiert sehen. Der Journalist und Schriftsteller Robert Misik fand dazu in der “taz” folgende treffende Worte:

“Diese groteske Kombination von Corona und Terror ist auch eine Metapher auf unsere Zeit. Das Virus, der Terror – schon eines würde reichen, eine Gesellschaft und urbane Gemeinschaft einem immensen Stresstest auszusetzen. Das eine verstärkt das andere: das Grundgefühl, dass der urbane Raum, dass „da draußen“ ein gefährlicher Ort ist. Und es addiert sich zu einem Gefühl der Überforderung.”

Dem Gefühl der Überforderung hält Misik das urwienerische “Schleich di, du Oaschloch!” entgegen. Die Politik kann das nicht. Sie muß so tun, als habe sie die Lage weiter im Griff – und sich zusammenreißen.

Und so gab es am Dienstag in Brüssel erstmal eine Schweigeminute für die Opfer in Wien. In Berlin kündigte Innenminister Seehofer am Abend neue Initiativen gegen den islamistischen Terror an.

“Wir können den Terroristen und ihren Hintermännern nur gemeinsam das Handwerk legen”, so der CSU-Politiker. Beim Innenministertreffen am 13. November soll es erste Initiativen geben.

Man darf gespannt sein, was Seehofer aus dem Hut zaubern wird. Die EU versucht schon seit dem Attentat auf Charlie Hebdo und das Bataclan vor fünf Jahren in Paris, dem Terror Einhalt zu gebieten – ohne nachhaltigen Erfolg.

Und nun kommt auch noch Corona hinzu…

Watchlist

Wer gewinnt die Präsidentschaftswahl in den USA – und was bedeutet das Ergebnis für EUropa? Am Mittwoch werden wir – hoffentlich – erste Antworten hören. Die größte Sorge in Brüssel ist, dass es eine wochenlange Hängepartie geben könnte, die dann womöglich auch noch in Gewalt mündet. Angesichts der eigenen Probleme – siehe oben – wäre das das Letzte, was die EUropäer gebrauchen könnten. Für alle Fälle werden schon die passenden Erklärungen und Reden vorbereitet, sogar ein “Spiegel”-Korrespondent läuft sich warm...

Was fehlt

Die scharfe Kritik der Finanzaufsicht ESMA an den deutschen Aufsehern im Wirecard-Skandal. Bei einer Untersuchung seien “eine Reihe von Mängeln, Ineffizienzen sowie rechtlichen und verfahrenstechnische Hindernissen” identifiziert worden, teilte die Behörde in Paris mit. Besonders kritisch sieht ESMA die Nähe der Bafin zur Politik. Aus der Häufigkeit der Bafin-Berichte an das Bundesfinanzministerium lasse sich ein “erhöhtes Risiko der Einflussnahme” ableiten. Man kann es als Ohrfeige für Finanzminister Scholz interpretieren…

Das Letzte

In Belgien sind im Oktober wieder mehr Menschen gestorben als in normalen Jahren. Die “Übersterblichkeit” liegt bei 27 Prozent, meldet “Le Soir”. Sie wird vor allem auf Corona zurückgeführt – denn die saisonübliche Grippewelle ist noch nicht angerollt. Die belgischen Behörden fürchten nun, dass im kommenden Winter mehr Menschen sterben könnten als je zuvor in Friedenszeiten. Die Krankenhäuser in Brüssel und der Wallonie sind jetzt schon überlastet, erste Patienten werden nach Deutschland ausgeflogen… – Mehr hier