Eine Demo für die EU, eine gegen die EU-Politik

Da sage noch jemand, die EU lasse die Menschen kalt. Die Europapolitik bringt an diesem Wochenende Hunderttausende auf die Straße – allerdings für völlig unterschiedliche Anliegen.

In London macht die Kampagne „People’s Vote“ (Volksabstimmung) mobil. Die Veranstalter wollen mit einem zweiten Referendum erreichen, dass der EU-Austritt Großbritanniens doch noch verhindert wird. An einer ähnlichen Demonstration im Oktober hatten sich mehr als eine halbe Million Menschen beteiligt.

In Berlin geht es hingegen um die konkrete EU-Politik. In der deutschen Hauptstadt demonstrierten Tausende gegen die geplante Urheberrechtsreform, weil sie eine Übervorteilung der Autoren und Zensur durch Uploadfilter fürchten. Die Demonstration sei ein klares Signal an Brüssel, die Bürger ernst zu nehmen, so die Veranstalter.

Die Demos zeigen das Doppelgesicht der EU: Einerseits wirkt sie – vor allem von außen betrachtet – als sicherer Hafen, der seinen Bürgern viele Vorteile bringt, die sie nicht missen möchten. Andererseits gibt es wachsenden Widerstand gegen die Art und Weise, wie in der EU Politik gemacht hat – er kommt von innen.

Nachdenklich macht auch, dass beide Demos im Sande verlaufen könnten. Die britische Bewegung für ein „People’s Vote“ wird von Premierministerin Theresa May ignoriert. Doch nur May ist die Ansprechpartnerin der EU, wenn es um den Brexit geht. Im Poker um den Austritt hat das britische Volk keine Stimme, zumindest bisher.

Auch die Bewegung gegen Leistungsschutzrecht und Uploadfilter hat es schwer. Wenn nicht noch ein Wunder geschieht, wird das Europaparlament die umstrittene Reform absegnen. Sie geht übrigens auf den deutschen EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU) zurück – falls das bei der Europawahl noch jemanden interessiert…

Siehe auch „Brexit, Ceta, Oxi: Historische Momente“