Bedenkliche Aufstellung, Angst um Frankreich – und alles für die Ukraine
Die Watchlist EUropa vom 29. Juni – heute mit der Wochenchronik.
Die EU hat diese Woche ein neues “Team EUropa” nominiert. Wie erwartet und seit Monaten geplant, soll die deutsche CDU-Politikerin von der Leyen weiter die EU-Kommission führen, der portugiesische Sozialist Costa den Europäischen Rat und die estnische Liberale Kallas den Auswärtigen Dienst.
Die europäische “Oligarchie” hat sich durchgesetzt – so meine Analyse im “Cicero”. Ein nichtgewähltes Direktorium hat die Macht übernommen und die Posten an “Pro-EUropäer” verteilt – wie üblich nach Parteiproporz.
Kann man machen, finden viele in Brüssel okay – ist trotzdem nicht gut. Selbst wenn man die EU gegen ihre Feinde schützen will, heißt das noch lange nicht, dass man das Ergebnis der Europawahl auf den Kopf stellen darf.
Genau das ist hier aber geschehen. Die Aufstellung mit den drei EU-Spitzen entspricht nicht dem Wahlergebnis. Das hat nämlich gezeigt, dass der Kurs, den die EU unter von der Leyen fährt, nicht mehr mehrheitsfähig ist.
In Deutschland, Frankreich, Italien, Österreich und Belgien ist dieser Kurs von den Wählern abgestraft worden. Zugleich sind die Rechtskonservativen und Nationalisten gestärkt worden – doch die wurden übergangen.
Für die Rechten gibt es keinen Topjob – dabei haben sie bei der Wahl besser abgeschnitten als die Liberalen. Wenn es mit rechten Dingen zugehen würde, hätte die umstrittene liberale Politikerin Kallas verzichten müssen!
Das Parlament soll folgen
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Bedenklich ist die neue Aufstellung noch aus einem anderen Grund. Sie wurde nämlich ohne das neue Europaparlament gemacht. Die Straßburger Kammer hat sich noch nicht einmal konstituiert!
Doch schon jetzt machen die Staats- und Regierungschefs massiven Druck auf die neu gewählten Abgeordneten, von der Leyen zu “wählen” – d.h. eine demokratisch kaum legitimierte Entscheidung abzusegnen.
Das kann nach hinten losgehen. Bisher fehlen der CDU-Politikerin mindestens 50 Stimmen. Auch wenn sie nun allererlei Zugeständnisse und Versprechen macht: Die Aufstellung bleibt bedenklich, der Erfolg ist fraglich.
Siehe auch meine Analyse im Cicero “Die „Oligarchie“ setzt sich durch“
P. S. Bedenklich ist natürlich auch die außenpolitische Aufstellung. Mit von der Leyen, Kallas und Rutte (Nato) ist ein konfrontativer Kurs gegen Russland zu erwarten…
Was war noch? In Frankreich wächst kurz vor dem ersten Durchgang der (nach dem Europawahl-Debakel angesetzen) Parlamentswahl die Nervosität. In den letzten Umfragen lagen die Nationalisten um Le Pen und Bardella vorn; sie könnten sogar eine absolute Mehrheit erhalten. Bardella fordert schon einen EU-Rabatt à la Thatcher (“I want my money back“), Le Pen stellt die Europa- und Ukrainepolitik von Präsident Macron infrage. In Brüssel wächst die Angst vor einem unregierbaren bzw. unberechenbaren Frankreich...
Außerdem hat die EU alles für die Ukraine gegeben. Am Montag wurden mal schnell die Regeln geändert, um “Windfall Profits” aus eingefrorenem russischen Vermögen nach Kiew zu überweisen. Am Dienstag wurden die EU-Kriterien übergangen, um Beitrittsgespräche zu beginnen. Am Donnerstag gab es ein Sicherheitsabkommen, das der Ukraine auf zehn Jahre jede erdenkliche Hilfe verspricht. Und last but not least hat die EU-Kommission 1,9 Mrd. Euro als “Vorfinanzierung” freigegeben. Mehr geht nicht, oder?
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MarMo
30. Juni 2024 @ 21:08
“In Brüssel wächst die Angst vor einem unregierbaren bzw. unberechenbaren Frankreich…”
Was sind denn die gerade gewählten “EU-Spitzen” – die für einen aggressiven, kleptokratischen Kurs jenseits von Vernunft, Diplomatie und Augenmaß stehen? Die das Geld der EU-BürgerInnen mit vollen Händen dem militärisch-industriellen Komplex und der korrupten ukrainischen Elite hinschmeißen. Russland bestehlen, provozieren, jeden Tag alles tun, damit es zu einer Katastrophe kommt. Kann man das als Regieren bezeichnen? Allerdings berechenbar in diesem Kurs sind sie wohl – auf Überraschungen kann man da nicht hoffen.
exKK
30. Juni 2024 @ 17:04
„Außerdem hat die EU alles für die Ukraine gegeben.“
Alles für die Ukraine, aber nichts für EUropa! Dabei fehlt es an allen Ecken und Enden! Und nichts für Diplomatie, die noch nicht mal was kosten würde.
Aber Waffen, Waffen, Waffen! Davon können die Bellizisten in Brüssel und Kiew den Hals nicht voll bekommen!
Arthur Dent
30. Juni 2024 @ 10:20
Sollte RN gewinnen, könnte sich das Kräfteverhältnis von einer förderalistischen EU hin zu einem Europa der Nationen verschieben. In den Augen der die EU beherrschenden Managerklasse stellt das RN eine unwillkommene patriotische Alternative zu ihrer globalistischen Weltsicht dar. Ein Sieg des RN würde zeigen, dass Frankreich die vorherrschende kosmopolitische und technokratische Ordnung der EU-Oligarchie ablehnt
exKK
30. Juni 2024 @ 14:08
Die “globalistische Weltsicht” ist ja durch das vielfältige Sanktionsregime des Westens eh schon stark angeknackst. Und auch durch den offenen Wirtschaftskampf des Westens gegen missliebige Staaten – und letztlich auch den nicht ganz so offenen der USA gegen Europa.