Drei fragwürdige Behauptungen zur Krise in Georgien
Die Krise in Georgien eskaliert, Brüssel gibt die Schuld allein der Regierung in Tiflis. Doch ganz so einfach ist es nicht. Hier einige dringend nötige Korrekturen.
- Wurde die Parlamentswahl gefälscht? Das behauptet nicht nur die Opposition in Georgien, sondern neuerdings auch das Europaparlament. Doch dafür gibt es keine Belege. Die EU spricht deshalb bisher auch nur von “Unregelmäßigkeiten”, die untersucht werden müssten.
- Bricht die Regierung mit der EU? Auch dieser Vorwurf steht im Raum, nachdem Tiflis angekündigt hatte, die Beitrittsgespräche für vier Jahre auf Eis zu legen. Doch die erste derartige Ankündigung – Stop der Gespräche – kam von der EU, und das sogar schon Ende Oktober.
Zitat des EU-Botschafters: “Due to the course of action taken by the Georgian government, EU leaders stopped Georgia’s accession process. It remains on hold as long as Georgia continues to move away from the EU, our values and our principles.“
- Ist die Präsidentin die einzig rechtmäßige Vertreterin Georgiens, hält sie die Werte der EU aufrecht? Auch dies wird immer wieder behauptet, nicht zuletzt von Salome Surabischvili selbst. Doch nun hat sie angekündigt, auch nach dem offiziellen Ende ihrer Amtszeit weitermachen zu wollen.
Surabischvilis Amtszeit endet laut Parlamentspräsident Papuaschwili am 16. Dezember. Wenn sie trotzdem einfach weiter macht, überschreitet sie ihr Mandat – ein klarer Verstoß gegen die Regeln.
Fazit: Die Lage in Georgien ist nicht schwarz-weiß. Es sieht vielmehr so aus, als sei die engste Verbündete der EU, Präsidentin Surabischvili, selbst im Begriff, das Recht zu brechen…
Siehe auch “Chaos in Georgien”
P.S. Die baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen verhängen nationale Sanktionen gegen die georgische Führung. Damit fallen sie der neuen EU-Außenbeauftragten Kallas in den Rücken, denn Sanktionen sind nur EU-weit vorgesehen. Das muß die viel beschworene baltische Solidarität sein…
The Battle of Hogwarts between good and evil in real life. #GeorgiaProtests
— Marika Mikiashvili 🇬🇪🇺🇦🇪🇺 (@Mikiashvili_M) December 1, 2024
📷 david.munjishvili pic.twitter.com/epYpE1Haw7
So sahen übrigens die jüngsten “friedlichen Proteste” vor dem Parlament in Tiflis aus. Ein Glück, dass nichts an- bzw. abgebrannt ist… 😉
Helmut Höft
3. Dezember 2024 @ 09:50
Grds. zu allen Kommentaren die sich mit “Wahlebtrug” beschäftigen: Von Trump lernen heißt siegen lernen! Pinkt.
Belege, Beeweise, historische Entwicklung: *pfff*
Betreffend “Was nicht sein kann, was nicht sein darf …” hier das Original “Die unmögliche Tatsache” aka “Palmström-Syndrom” https://www.gedichte7.de/die-unmoegliche-tatsache.html
Macht Spaß sich das langsam mit entsprechender Betonung vorzulesen.
Thomas Damrau
3. Dezember 2024 @ 08:02
Weil nicht sein kann, was nicht sein darf …
Aus Sicht der EU-kraten ist es nicht vorstellbar, dass die georgische Bevölkerung in ihrer Mehrheit nicht mit fliegenden Fahnen in die EU möchte und eine Regierung wählt, die nicht gänzlich mit Russland brechen möchte. (Womit ich Manipulationen bei der Wahl nicht ausschließe.) Nebenbei bemerkt: Den GeorgierInnen wird unterstellt, dass sie sich mehrheitlich für eine EU begeistern, die von den augenblicklichen EU-BürgerInnen mehr und mehr abgelehnt wird.
Aber wir kennen das Muster vom Euro-Maidan:
1) Die EU bekommt nicht, was sie will.
2) Der gewählten Regierung wird die Legitimität abgesprochen.
3) Die Opposition wird motiviert auf die Straße zu gehen.
4) In der EU-Öffentlichkeit wird unterstellt, dass die Opposition die wirkliche Stimme des Volkes sei. EU-Politiker mischen sich unter die Protestierenden und erklären ihre Solidarität.
5) Es kommt zu gewalttätigen Auseinandersetzungen, die von den westlichen Medien allein der Regierung angelastet werden. Aus Sicht der EU ein weiterer Beweis für die Illegitimität der Regierung.
6) … und dann zündet man in Brüssel Kerzen in den Kirchen an und betet für einen Umsturz, der die der EU gefügige Opposition an die Macht bringt.
KK
2. Dezember 2024 @ 19:03
“Doch die erste derartige Ankündigung – Stop der Gespräche – kam von der EU, und das sogar schon Ende Oktober.”
Hiostorische Fakten spielen in unserer “Wertegemeinschaft” einfach keine Rolle mehr. Es wird alles so hingebogen, dass die eigene Sicht die einzig wahre ist.
Und wenn Präsidenten über ihre eigentliche Amtszeit hinaus einfach im Amt verbleiben wollen, dann ist das bei den im Sinne des Westens tickenden wie Surabischvili oder Selenskyj völlig in Ordnung… aber wehe, das macht einer, der es gewagt hatte, aufzumucken. Dann gibts sofort Liebesentzug, Sanktionen und oft auch das Anheizen eines Bürgerkriegs…
Armin Christ
16. Dezember 2024 @ 16:22
Demokratie ist……
…… wenn “der Westen” gewinnt
european
2. Dezember 2024 @ 18:28
Die georgische Präsidentin war aufgefordert, Belege für ihre Vorwürfe des Wahlbetruges vorzulegen, was sie verweigerte. “Es sei nicht ihr Job”.
https://www.reuters.com/world/europe/georgian-prosecutors-investigate-election-fraud-summon-president-testify-2024-10-30/
Bei der Gelegenheit möchte ich auf einen Artikel auf Telepolis vom 5. August diesen Jahres hinweisen, der genau dieses Debakel vorausgesagt hat.
https://www.telepolis.de/features/Georgiens-drohendes-Wahldebakel-Wie-der-Westen-die-realen-Verhaeltnisse-verkennt-9824033.html
“In Georgien sind für den 26. Oktober Parlamentswahlen angesetzt. Die einhellige Meinung unter den Georgiern, mit denen ich gesprochen habe, ist, dass bei einem Sieg der Regierungspartei, die Opposition, unterstützt von pro-westlichen NGOs, behaupten wird, die Ergebnisse seien gefälscht – was zum Start einer Massenprotestbewegung führen wird, um die Regierung des Georgischen Traums zu stürzen.”
Der Artikel beschreibt die Situation in Georgien sehr genau, das Agieren der fremden NGO’s insbesondere von Canvas und deren Finanzierung. Er sagt aber auch ganz klar, dass bereits bei der letzten Wahl von der Opposition behauptet wurde, es handle sich um Wahlfälschung, was nach einer eingehenden Untersuchung nicht bestätigt werden konnte.
Der Autor des Artikels, Anatol Lieven, hat mit seinem Artikel sehr präzise vorhergesagt, was passieren würde und offensichtlich war sich die Bevölkerung auch darüber im Klaren.
KK
2. Dezember 2024 @ 19:11
“Die georgische Präsidentin war aufgefordert, Belege für ihre Vorwürfe des Wahlbetruges vorzulegen, was sie verweigerte. “Es sei nicht ihr Job”.”
Was soll das Ganze denn dann? Nach rechtsstaatlichen Prinzipien gilt erst mal die Unschuldsvermutung, und ohne einen hinreichenden, idR auch von Anzeigenden entsprechend zu belegendem Anfangsverdacht ermittelt auch keiner, dessen “Job” es ist.
Im Gegenteil, es gibt zB im deutschen Strafrecht auch die Tatbestände des §145d oder 164 StGB – Interessierte können ja mal reinschauen.
Stef
2. Dezember 2024 @ 17:14
„Fazit: Die Lage in Georgien ist nicht schwarz-weiß.“
Ein Merkmal der Debatte rund um Ukraine, Georgien, Moldawien und Russland ist, dass für viele Mitbürger die Debatte sehr wohl schwarz-weiß ist: Russland ist immer alleine schuld, die anderen immer nur Opfer. Die EU ist ein demokratischer Rechtsstaat, Russland das Gegenteil. Es wird zunehmend schwer, angesichts einer solchen Einseitigkeit überhaupt noch von „Debatte“ zu sprechen.
Skyjumper
2. Dezember 2024 @ 19:32
Die EU kann gar kein Rechtsstaat sein da ihr die Staatlichkeit als solche fehlt. Und was die Rechtsstaatlichkeit der einzelnen Mitgliedsstaaten der Union anbelangt muss man leider in letzter Zeit immer öfter ins Grübeln kommen ob das im Geiste dieses Wortes wirklich noch gegeben ist.
Tatsächlich gewinnt man eher den Eindruck als wenn aufkommende, innere Differenzen zunehmen auf einen äusseren Feind gelenkt werden sollte.
Michael
2. Dezember 2024 @ 19:36
Die politische Debattenkultur ist schon längst in eine ideologische Debattenunkultur umgeschlagen!