Ein Jahr Ukraine-Krieg: Was im offiziellen Narrativ fehlt

Wir sind die Guten, Russland ist an allem schuld: Ein Jahr nach dem Beginn der russischen Invasion in der Ukraine klammert sich der Westen an dieses Narrativ. Doch es gibt drei Flecken auf der angeblich weißen Weste.

  1. Russland hat angegriffen, schon klar. Aber kurz vor dem 24. Februar eskalierten die ukrainischen Attacken auf den Donbass (und die Gegenangriffe). Die OSZE hat alles dokumentiert, die EU und die USA haben es verdrängt. Seit der „Zeitenwende“ wird nur noch über die Ereignisse seit dem 24. Februar diskutiert, die Vorgeschichte wird ausgeblendet. Die Attacken lieferten Zar Putin den fehlenden Vorwand für die „Spezialoperation“ – wurden sie vom Westen gedeckt?
  2. Russland will keinen Frieden, heißt es in Brüssel und Washington. Dabei gab es im März 2022 einen fast fertigen Friedensplan, ausgehandelt vom damaligen israelischen Premier Bennett. Ob er tragfähig gewesen wäre, wissen wir nicht – Bennett schätzt die Chancen auf 50:50. Er sagt aber auch, dass sein Plan vom UK und den USA blockiert wurde. Trotzdem zog Putin seine Truppen – wie vereinbart – aus Kiew ab. Warum hat man diese Chance nicht genutzt?
  3. Russland habe Energie als „Waffe“ genutzt und am Ende die Gaspipeline Nord Stream 1 und 2 gesprengt, heißt es. Doch dafür gibt es bis heute keine Beweise. Das Aus für Nord Stream haben die USA angekündigt, schon vor dem Krieg. Was wäre, wenn S. Hersh Recht hätteund die Amerikaner Nord Stream zerstört haben? Das käme einer Kriegserklärung gegen Deutschland und Russland gleich. Warum gehen Deutschland und die EU dieser Frage nicht nach?

Nur wer alle drei schwarzen Flecken ausblendet, kann eine weiße Weste vorweisen. Wer sie hingegen zur Kenntnis nimmt und die Konsequenzen überdenkt, wird am offiziellen Narrativ zweifeln.

Wir hätten es dann mit einem Krieg zu tun, der von beiden Seiten (incl. USA) geplant wurde, und der nicht schnell zu Ende gehen durfte. In diesem Krieg wird die Wahrheit vertuscht und Deutschland erpresst.

Aber das auszusprechen oder auch nur zu denken ist in Brüssel undenkbar, vor allem am ersten Jahrestag der „unprovozierten und ungerechtfertigen russischen Aggression“ (EU-Speak).

Dies ist ein „imperialistischer Krieg“, betont EU-Chefin von der Leyen – und wir sind die Guten. Doch selbst dieses neue Narrativ, hinter dem wohl auch neue Absichten stecken, geht nach hinten los.

Denn die halbe Welt assoziiert „Imperialismus“ und „Krieg“ mit den alten europäischen Kolonialmächten und den USA. Warum nur?

Siehe auch „Kriegs-Narrativ verfängt nicht: Der Westen verliert an Einfluß“

P.S. Auch am Jahrestag lehnt der Westen einen Waffenstillstand ab. Ein chinesischer Vermittlungsvorschlag, der eine Waffenruhe enthält, wurde von EU und Nato ausgesprochen kühl aufgenommen. Offenbar war das Nein zu Gesprächen (Punkt 2) kein Ausrutscher. – Mehr hier