Ein Hauch von Panik, ein Problem mit Pfizer – und bange Blicke nach Washington

Die Watchlist EUropa vom 20. Januar 2021

Die Fallzahlen in der Corona-Pandemie gehen zurück – dennoch verschärft Deutschland seinen (vergleichsweise milden) Lockdown. In Geschäften und im Nahverkehr müssen künftig medizinische Masken getragen werden. Außerdem soll mehr im Homeoffice gearbeitet werden, hieß es in Berlin.

Begründet wird die Verschärfung, die auch die weitere Schließung von Schulen und Kitas beinhaltet, mit der Virus-Mutante aus Großbritannien. Es gebe ernsthafte Hinweise, dass die mutierte Form sich stärker bei Kindern und Jugendlichen verbreite, sagte Kanzlerin Merkel.

Belege legte sie keine vor. Die neuen Maßnahmen scheinen denn auch mehr auf Vermutungen von Merkels umstrittenen Beratern zu beruhen, denn auf wissenschaftlicher Evidenz. Sie sind Ausdruck der schieren Angst – Merkel will auf Nummer sicher gehen.

Einen Hauch von Panik verspürt man auch in Brüssel. Dort fordert die EU-Kommission nun mehr Tempo bei den Impfungen. Angesichts von mehr als 400.000 Corona-Toten (mehr als in den USA) soll die Impfquote bis zum Sommer auf 70 Prozent steigen.

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Bereits im März sollen 80 Prozent der Menschen über 80 Jahre und der Beschäftigten im Gesundheitswesen immunisiert werden. Dies empfiehlt die Brüsseler Behörde in einer neuen Vorlage, die für den EU-Sondergipfel am Donnerstag bestimmt ist.

Kanzlerin Merkel und die anderen 26 Staats- und Regierungschefs wollen bei ihrer außerplanmäßigen Videokonferenz das weitere Vorgehen in der Coronakrise abstimmen.

Nach dem Willen von Ratspräsident Michel sollen sie auch die Frage erörtern, ob es einen EU-Impfpass und damit verbundene Vorteile geben soll. Griechenland fordert Reiseerleichterungen für Geimpfte. Deutschland und Frankreich lehnen das bisher ab.

EUropa ist weit zurückgefallen

Zunächst soll es jedoch darum gehen, die Impfquote zu erhöhen. Die EU ist dabei im Vergleich zu den USA, Großbritannien oder Israel weit zurückgefallen.

EU-Länder wie Belgien oder die Niederlande haben mit den Impfungen gerade erst begonnen, europaweit liegt die Quote bei ein Prozent. Dänemark ist vorn, Deutschland liegt nur im Mittelfeld.

Um eine schnelle „Durchimpfung“ zu erreichen, seien konkrete Zielvorgaben wichtig, heißt es in Brüssel. Allerdings bleibt unklar, wie die Mitgliedsländer die ehrgeizigen Ziele erreichen sollen.

Zuletzt hatte die US-Firma Pfizer, die den Biontech-Impfstoff produziert, vor Problemen gewarnt. Die Lieferungen an Italien wurden gerade um ein Drittel gekürzt…

Siehe auch “Merkel ist schlecht beraten – muß die EU es ausbaden?”

Watchlist

Gelingt die Amtsübergabe von US-Präsident Tump an seinen Nachfolger Biden? Oder wird der Tag, den die halbe Welt seit Monaten herbeisehnt, von Gewalt und neuen Zwischenfällen überschattet? Das ist auch für die EU wichtig. Schließlich setzt sie auf ein Revival der transatlantischen Beziehungen, die unter Trump auf den Hund gekommen sind. Wenn Bidens Start in der Festung Washington mißlingt (25.000 Nationalgardisten wurden mobilisiert), werden die EUropäer noch länger auf sich allein gestellt sein…

Hotlist

  • Trump geht, doch der politische Schaden bleibt – auch für das Ansehen der USA in Europa. Statt großem Zutrauen herrscht Skepsis, dass der neue Präsident Biden den Niedergang auf der weltpolitischen Bühne stoppen kann. Das zeigt eine Befragung des European Council on Foreign Relations (ECFR). Trotzdem will die EU unbedingt mit Biden zusammenarbeiten – von “strategischer Autonomie” ist keine Rede mehr…
  • Ist der neue CDU-Chef Laschet zu Russland-freundlich? Diese Frage ist, für mich überraschend, in der “Brussels Bubble” aufgetaucht – siehe den Beitrag im EU Observer hier. Der Grund dafür ist vermutlich der Nawalny-Biden-Komplex – in der EU lauern viele auf die Möglichkeit, härter gegen Moskau vorzugehen...
  • The head of the EU’s border force Frontex is under growing pressure to stand down after being accused by the European commission of acting unlawfully and giving misleading evidence to MEPs. – Die Story aus dem “Guardian” steht hier. Wir hatten mehrfach berichtet, zuletzt hier