Ein böser Verdacht
Warum geht die EU-Kommission so hart gegen Polen vor, schont aber Ungarn? Wieso hat Bulgarien, das am 1. Januar den halbjährlich rotierenden EU-Vorsitz übernimmt, nichts zu fürchten?
Der Brüsseler Korrespondent von Libération, J. Quatremer, hat einen bösen Verdacht: Kommissionschef Juncker messe mit zweierlei Maß, schreibt er in seinem Blog “Les Coulisses de Bruxelles”.
Wer – wie Ungarns Orban – Mitglied der konservativen europäischen Parteienfamilie EVP ist, werde geschont. Wer dort nicht mitmacht – wie die PiS in Polen oder früher die Tories in UK – werde verfolgt.
Klingt zu simpel? Nun ja, bei näherer Betrachtung ist da schon einiges dran. Schließlich hat Orban den Rechtsstaat in seinem Land schon viel früher und radikaler demontiert als die PiS in Polen.
Zudem wird Quatremers These durch neue Beispiele aus anderen EU-Ländern bestätigt.
- Beispiel Spanien: Premier Rajoy kann sich in Sachen Katalonien alles erlauben – die EVP steht wie ein Mann hinter ihm.
- Beispiel Österreich: Der neue Jungspunt Kurz wurde von Juncker vor Weihnachten mit allen Ehren empfangen, Kritik am seinem rechten Koalitionspartner FPÖ gab es keine.
Kein Wunder, so Quatremer – Kurz ist schließlich der Erbe der ÖVP, die Mitglied der EVP ist. Genau wie CDU/CSU, die sich schon auf gute Nachbarschaft mit dem neuen Rechtsbündnis in Wien freuen.
Aus Wien – vom österreichischen “Standard” – kommt auch das jüngste Beispiel konservativer Kumpanei. Es geht um Bulgarien, das am 1.1.2018 den EU-Ratsvorsitz übernimmt.
Obwohl das Land chronisch korrupt ist und der Rechtsstaat nur auf dem Papier funktioniert, kommt kein Wort der Kritik aus Brüssel. Was könnte wohl der Grund dafür sein?
Nun ja, Premier Borissows Partei ist – glückliches Mitglied der EVP. Außerdem hat der Mann, folgt man dem “Standard”, noch eine andere wichtige Eigenschaft.
Borissow sei sehr bequem für die deutsche Kanzlerin und damit auch für die EU-Kommission in Brüssel, erklärt der 43-jährige Hristo Iwanow, ehemals Justizminister des Reformblocks.
Borissow, der leutselige, bullige Bulgare, schieße nicht quer und habe – auf den ersten Blick – keine Meinung. Das sei viel wert in Zeiten von Brexit, Victor Orbán und Jarosław Kaczyński.
“Wenn es in Brüssel ein Dossier gibt, und die Deutschen haben eine klare Position dazu, dann stimmen wir mit den Deutschen”, sagt Iwanow. “Und andernfalls so, wie es die Kommission tut. Es gibt keine eigene bulgarische Position.”
Was will man mehr? Der bulgarische EU-Vorsitz kann eigentlich gar nicht mehr scheitern – trotz Korruption und so…
Siehe auch “Wie unabhängig ist Bulgarien?”
Jiang Hu
8. Januar 2018 @ 04:54
“Warum geht die EU-Kommission so hart gegen Polen vor, schont aber Ungarn? Wieso hat Bulgarien, das am 1. Januar den halbjährlich rotierenden EU-Vorsitz übernimmt, nichts zu fürchten?”
Wie bitte? Der größte Skandal ist ja, wie die EU mit SPaniens kastillischen Ultranationalisten Rahoy umgeht und ihn einfach machen lässt. Rajoy hat in den letzten 4 Jahren praktisch die Meinungsfreihet abgeschafft, in Katalonien werden „Versammlungs- und Meinungsfreiheit“ massiv eingeschränkt. Für Facebook-Nutzer gibt es seit 3 Jahren drakonische Gesetze, die Aufruf zu Demonstrationen mit Terrorismus gleichsetzen und und und. Gegen Rajoy laufen viele Strafverfahren wegen Korruption. Aber die EU-Kommission interessiert es gar nicht.
https://www.heise.de/tp/features/Versammlungs-und-Meinungsfreiheit-achten-3934389.html
Hella-Maria Schier
6. Januar 2018 @ 01:53
Europas Richtung ist Demokratie-Abbau, das ist klar. Entfesselter Kapitalismus endet im Faschismus, wie schon Marx sagte .Ich frage mich aber, ob jemand auch hieran denkt: das wohl begründete Proklamieren von Europas Rechtsruck gibt leider auch jenen inquisitorischen “Antisemitenjägern” Auftrieb UND scheinbare Berechtigung, die überall angeblich “rechtsoffene” Gruppen und Persinen “entlarven”.
Sie haben Deutschlands Linke gespalten und bekämpfen alle kritischen Stimmen und alternativen Medien, denen es gelingt, sich Gehör zu verschaffen. Sie sorgen für Auftritssverbote von Personen wie Daniele Ganser und Ken Jebsen, die Gegner der Kriegspolitik sind, indem sie ihnen Isrealfeindluchkeit vorwerfen, und diffamieren die Friedensbewegung als “Querfront”, sie tabuisieren Kritik am Finanzsystem. Die Tücke ist, dass sie das angeblich von l i n k s tun! Die Mechanismen ihres Spiels werden zu wenig durchschaut, sie müssten deutlich öffentlich bloßgestellt werden! Denn sie sind eben n i c h t links! Man nimmt die Gefahr, die von ihnen ausgeht, nicht ernst genug, nur weil die das falsche Etikett tragen, das kann mich oft schwarz ärgern. Sie spalten von der Linken diejenigen Bereiche ab, die dem herrschenden System ein Dorn im Auge sind, indem sie sie in irgendeiner Spielart als ” rechts” duffamieren! So Eliten- und Kapitalismuskritik, Antikriegspolitik und EU-Kritik. Aber damit nehmen sie nicht nur den Linken die Substanz bis zum völligen Dahinschwinden, sie füttern damit auch die Rechten, die sich die abgespaltenen linken Bereiche nat. gerne selbst auf die Fahne schreiben und entsprechend Wähler gewinnen! Damit wird die Behauptung der Pseudolinken, Friedenspolitik, Kapitalismuskritik und EU-Skepsis seien “rechts” zur selffulfilling prophesy! Sie füttern die Rechten und bekämpfen dann mit Verweis auf die “rechte Gefahr” die demokratischen, pazifistischen und wirklich linken Kräfte! Was die EU-Kritik betrifft, wird dieses Spiel schon lange so betrieben, es ist eine langjährige PR-Strategie, hier allen Widerstand propagandistisch nach rechts zu schieben, der den europäischen Rechtsruck massgeblich mit verursacht hat.Aber die Etikettengläubigkeit und die Denkblockade und blinde Phobie der Linken, sobald man etwas “rechts” nennt, verhindern leider wirksam, dass diese Strategie durchschaut wird. Fazit: der Gegner ist nicht blöd, er kommt nicht nur von einer Seite und er kennt und nützt unsere mentalen Schwächen. Wer das “Verschwörungstheorie” nennt, ist schon wieder auf ihn hereingefallen.
Hella-Maria Schier
6. Januar 2018 @ 00:36
Spanien verließ schon den Boden der Rechtsstaatlichkeit, als Rajoy vor ein paar Jahren das sog. „Maulkorbgesetz“ durchbrachte, dass den Spaniern ihre zuvor ausgeprägte Demonstrationsfreudigkeit austreiben sollte. Europaweit nahm man es wenig zur Kenntnis. Ein Grund vielleicht: Während die neuen Rechtspopulisten , welche es in Spanien nicht gibt, in anderen EU-Ländern viel Aufmerksamkeit erregen, findet weit weniger Beachtung, was die alte rechte Garde tut, wie RaJoys PP. Und was soll man von der Merkel-Regierung halten, die zwar immer laut gegen Rechtspopulisten tönt, mit Rajoy aber befreundet ist…? –
Kleopatra
4. Januar 2018 @ 09:12
Dass Parteiloyalitäten eine Rolle spielen, ist eine zu erwartende Folge der Entscheidung dafür, die EU-Politik nach europäischen Parteien zu organisieren. Dann muss z.B. der Kommissionspräsident vor jeder entschiedenen Distanzierung von problematischen Politikern darüber nachdenken, ob sie nicht zu denjenigen gehören, denen er seine (relative) Mehrheit für seine Wahl verdankt. (Siehe Juncker und Orbán etc.). Eine überparteiliche, richterähnliche Autorität kann er nur dann haben und ausüben, wenn er nicht davon abhängig ist, ob es etwas mehr EVP- als sozialdemokratische Abgeordnete im WP gibt oder umgekehrt.
wolfgang fubel
3. Januar 2018 @ 15:31
Diese Leute in Brüssel sind von Uns nicht gewählt nicht von den Völkern
Europas Autorisiert und auch nicht mehr abwählbar. Sie haben Sich
jeglicher Strafrechtlichen Verfolgung entzogen und Sich selbst in dieses
System installiert. Ihre Entscheidungen sind unwiederruflich und alternativlos.
Was soll an diesen zusammen gewürfelten Haufen von ausrangierten Versagern
„Demokratisch“ sein?? Diese überbezahlten Nichtsnutze sind der Untergang
einer Gutgemeinten Gemeinschaft, nur mit den Schlechtesten Personal,das
in Europa aufzutreiben wahr!
Dort paart sich bodenlose Dummheit mit maßloser Arroganz!
Manfred Waltermann
29. Dezember 2017 @ 10:46
Der Bruch von Regeln ist die Regel in dieser EU
Seit Jahren fährt die EU mit der von den massgeblichen Mitgliedsstaaten betriebenen und zu verantwortenden Politik als Geisterfahrer auf der EU-Auobahn!
Was wir derzeit als Chaos in zentralen EU-Bereichen erleben, ist das Ergebnis von Nichtbeachtung der – von den Mitgliedern selbst beschlossenen – Gesetze!
Am Anfang stand der Bruch der Maastricht-Kriterien durch die BRD und Frankreich, der nie geahndet wurd Das. war der Freibrief für alle Nachahmerstaaten! –
Die Veschuldungskatastrophe in der EU – mit der EZB-Druckerpresse und einer Null-Zins-Politik ihres italienischen Präsidenten nur scheinbar kaschiert – wird in einem Desaster enden. Oder hat jemand einen plausiblen Ausstiegsplan von Herrn Draghi in Erinnerung, mit dem er gedrucktes Geld in mehrfacher Billionen-Euro-Höhe einmal wieder einsammeln will?!-
Wenn diese Blase platzt, wird von DIESER EU nicht viel übrig bleiben.
Die Bürger in der EU werden dann nicht nur die Kosten tragen müssen, sondern in ihrem Misstrauen gegen die Handelnden – leider zu spät – bestätigt! –
Ich sehe mich als europafreundlich, aber nicht als Freund dieser EU-Politik!!
….und im März 2018 wählt Italien!!
hemei2
29. Dezember 2017 @ 09:20
Schön wäre es, wenn alle regierenden Politiker, die gegen die Gesetze eines Landes verstoßen, sich dafür verantworten müssten.
Baer
29. Dezember 2017 @ 09:05
@Nemschak
Jetzt wird’s billig. Rajoy bricht Gesetze, ist nachgewiesen korrupt,aber die Katalanen sind die Bösen.
Wo ist da wohl die Verschwörung zu suchen.Demokratie nur für den Stärkeren?Die Katalanen werden von Spanien ausgenommen wie Weihnachtsgänse und dürfen sich nach Ihren Verständnis nicht dagegen wehren.
Makaberes Verständnis von Demokratie.Von sonstigen Rechtsbrüchen der EU Granden garnicht zu reden.
Aber auf diesem Ohr scheinen Sie einen guten Optiker zu benötigen.Nichts für ungut,aber so langsam kommt’s mir bei Ihren Ausführungen hoch.
Peter Nemschak
29. Dezember 2017 @ 11:39
Warum ist rund die Hälfte der Katalanen für einen Verbleib bei Spanien? Katalonien ist gespalten. Die Streitparteien werden sich früher oder später in eigenem Interesse einigen müssen, und das möglichst ohne Einmischung von außen durch einen sich paternalistisch gebenden Überstaat EU.
Karl Pongratz
3. Januar 2018 @ 11:06
Ähm, wo hat sich denn die EU in Spanien/Katalonien eingemischt? Sie hat ja gerade nichts getan außer Rajoy die Stange gehalten weil er zufällig in der richtigen Partei ist.
Peter Nemschak
28. Dezember 2017 @ 12:59
Ideologisch gefärbte Verschwörungstheorie. Polen und Spanien sind schlicht wichtiger als das kleine Ungarn. Spanien hat überdies nichts verbrochen. Lassen wir die Kirche im Dorf. Die Katalanen, nicht die Spanier sind die Separatisten und damit gegen den Geist der EU, die ein Bund von Nationalstaaten nicht Regionen ist.
ebo
28. Dezember 2017 @ 15:44
Spanien ließ einen gewählten Politiker per EU-Haftbefehl suchen, obwohl das nicht von der Rechtsgrundlage gedeckt war. Nun hindert er denselben, wiedergewählten Politiker daran, sein Amt anzutreten. Finden Sie das ok?
Peter Nemschak
28. Dezember 2017 @ 17:30
Schon vergessen, dass Puigdemont spanische Gesetze verletzt hat und sich deshalb verantworten muss, gewählt hin oder her? Eine gewonnene Wahl heilt keinen Rechtsbruch. Wollen Sie etwa einen Separatismus in Europa? Die Hälfte Kataloniens kann diesem nichts abgewinnen. Die Streiterei wird weitergehen. Warum soll sich die EU ungefragt einmischen? Beide Streitparteien müssten um Vermittlung ersuchen.
Claus
29. Dezember 2017 @ 10:16
Als UN-Vertragsstaat gilt auch in Spanien das Selbstbestimmungsrecht der Völker. Es steht über anderslautenden Bestimmungen, die in der Verfassung Spaniens stehen mögen. Als Mariano Rajoy hätte ich, bevor ich die Backen aufblase und Schlägertruppen nach Katalonien schicke, mal bei Wiki nachgelesen, da steht:
„Das Selbstbestimmungsrecht der Völker ist eines der Grundaxiome der Charta der Vereinten Nationen. Es wird in den Artikeln 1, 2 und 55 erwähnt und als eine Grundlage der Beziehungen zwischen den Staaten bezeichnet.“
Und (1) lautet:
„(1) Alle Völker haben das Recht auf Selbstbestimmung. Kraft dieses Rechts entscheiden sie frei über ihren politischen Status und gestalten in Freiheit ihre wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung.“
Ist doch alles ganz einfach, oder? Man muss nur lesen können.