Dünne „Beweise“ für russische Einmischung

Kurz vor der Europawahl hat EU-Justizkommissarin Vera Jourova vor organisierten Desinformations-Kampagnen im Wahlkampf gewarnt. Doch Beweise für eine angebliche russische Einmischung legte sie nicht vor. Es gibt wohl auch keine.

„Wir dürfen nicht zulassen, dass auch nur in einem Mitgliedstaat die Wahlergebnisse durch Manipulation verfälscht werden. Nicht nur, aber auch, weil diese Wahlen Schicksalswahlen für Europa sind“, sagte die tschechische Politikerin dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“.

Das ist schon an sich witzig – schließlich steht bereits fest, dass die Ergebnisse in einem Mitgliedsstaat verfälscht werden: In Großbritannien! Die Briten wollten die EU verlassen und auf keinen Fall mehr an der Europawahl teilnehmen. Nun müssen sie doch – wenn das keine „Manipulation“ ist…

Aber das meint Jourova natürlich nicht. Sie meint auch nicht die USA, die sich mit massiven Drohungen und Sanktionen (Stahl, Aluminium, Nord Stream 2, Iran) in die EU-Politik und damit auch in den Wahlkampf einmischen. Von dem amerikanischen Strippenzieher Steve Bannon ganz zu schweigen.

Nein, sie meint einzig und allein Russland. Die russischen Einmischungs-Versuche zielten darauf ab, existierende Polarisierungen in der Gesellschaft zu verstärken, sagte die Kommissarin. „Das macht es schwer, sie zu erkennen. Wir erleben ein digitales Wettrüsten. Europa muss sich darauf einstellen.“

Wer nun auf Beweise oder zumindest Indizien für russische Störmanöver gehofft hatte, wird enttäuscht. Jourova konnte ihre Warnung nicht mit Fakten unterlegen. Auch die EU-Abwehrzelle „East Stratcom“ hat keine Belege vorgelegt, obwohl sie die Medien systematisch nach Trolls, Bots und Fake News absucht.

Nur die „New York Times“ wagte sich mit einem Bericht vor. „Russia Is Targeting Europe’s Elections. So Are Far-Right Copycats“, lautet die Headline. Doch der Beitrag aus London (!) ist ziemlich dünn. Auf italienischen Kommentar-Seiten und auf deutschen Servern, die auch die Antifa nutze, seien russische Spuren entdeckt worden.

Aber wo sind die „Desinformationen“, die die Russen angeblich verbreiten? Die wilden Gerüchte um den Großbrand in Notre Dame, die alle möglichen Spinner verbreitet haben, können ja wohl kaum als Beweis für russische Einmischung taugen. Mit dem Europawahlkampf haben sie ohnehin nichts zu tun.

Da vertraue ich dann doch lieber dem deutschen Verfassungsschutz. Dessen Chef Thomas Haldenwang sieht in Deutschland bisher keine entsprechenden Bestrebungen. Der Inlandsgeheimdienst habe dies zwar fest im Blick, sehe diese Gefahr aber auch in Abstimmung mit europäischen Partnern derzeit nicht…

Siehe auch „Der Kampf um die Desinformation“ (Gastbeitrag)