Draghis Abrechnung, Faesers Alleingang – und Orbans Provokation

Die Watchlist EUropa vom 10. September 2024 – Heute mit News und Analysen zur Wirtschaftskrise in Europa, zur Migrationspolitik in Deutschland und zu einer bizarren Bustour nach Belgien.

Konjunkturflaute in Deutschland, Krise bei Volkswagen, Existenzangst bei Thyssen Krupp: Die Hiobsbotschaften aus der Wirtschaft reißen nicht ab. Nun schlägt ein prominenter Ökonom Alarm: Ohne eine neuen Marshallplan könne Europa nicht im Wettbewerb mit den USA und China bestehen, sagte der frühere Chef der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, in Brüssel. 

„Dies ist eine existentielle Herausforderung“, warnte der frühere Euro-Retter aus Italien. Europa drohe ohne einen radikalen Kurswechsel eine „langsame Agonie“. Die Produktivität sei zu niedrig, vor allem bei der IT hinke Europa hinterher.

Um den Rückstand aufzuholen, seien zusätzliche Investitionen von 750 bis 800 Mrd. Euro pro Jahr nötig. Dies wäre mehr als doppelt so viel, wie der US-Marshallplan nach dem Ende des 2. Weltkriegs nach Europa gepumpt hat. 

Neue europäische Schulden

Dabei könne man sich nicht auf private Investoren verlassen, so Draghi. Vielmehr müsse die EU über eine gemeinsame Finanzierung nachdenken – wenn möglich über neue Schulden nach dem Vorbild des Corona-Aufbaufonds – der sich allerdings als Flop erwiesen hat.

Außerdem müssten die hohen Energiepreise runter. Draghi plädiert auch für weniger EU-Bürokratie vor allem bei High-Tech – und für mehr Freiheit für Konzerne und Fusionen: Er will “europäische Champions” möglich machen.

Sein Bericht zur „Zukunft der europäischen Wettbewerbsfähigkeit“ liest sich wie eine Abrechnung mit dem bisherigen Kurs. Die EU könne sich nicht länger auf Binnenmarkt und Handel verlassen, heißt es darin. Durch den Wegfall der günstigen Energie aus Russland habe man einen Wettbewerbs-Nachteil erlitten.

Nun droht die Bruchlandung

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Das auch unter Ökonomen umstrittene Konzept der Wettbewerbsfähigkeit stellt Draghi allerdings ebenso wenig infrage wie die Sanktionen gegen Russland. Dabei tragen die Strafen zu den überhöhten Energiepreisen gerade in Deutschland bei.

Am gescheiterten „European Green Deal“ will er festhalten. Allerdings sei das versprochene Wachstum bisher ausgeblieben. Die EU produziere zwar mehr grüne Energie – doch die günstigen Preise kämen nicht beim Verbraucher an.

Kommissionschefin von der Leyen hatte ihren Deal 2019 als “Mondlandung” gepriesen. Daraus wurde nichts, die USA und China haben die EU abgehängt. Folgt man Draghi, so droht nun auch noch eine Bruchlandung…

Siehe auch “Draghi rüstet auf” und Der “Green Deal” ist tot, hoch lebe die “saubere” Industrie

News & Updates

  • Faeser wagt nationalen Alleingang. Der Streit um Zurückweisung unerwünschter Migranten an den deutschen Grenzen spitzt sich zu. Bundesinnenministerin Faeser ordnet Kontrollen an allen Grenzen an, Österreich stellt sich quer. “Österreich wird keine Personen entgegennehmen, die aus Deutschland zurückgewiesen werden”, sagte Innenminister Karner. Er habe den Chef der österreichischen Bundespolizei angewiesen, “keine Übernahmen durchzuführen”. Da deuten sich ernste Probleme an. Und das nicht nur mit Wien, sondern auch mit Brüssel. Denn Faesers Vorstoß ein harter Schlag gegen die Reisefreiheit im Schengenraum… – Artikel im Blog
  • Der Kreml widerspricht Scholz. Rücken Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland endlich in greifbare Nähe? Das hatte Kanzler Scholz am Wochenende angedeutet. Doch nun kommt die kalte Dusche aus Moskau. “Was eine friedliche Beilegung des Konflikts in der Ukraine betrifft, zeichnen sich bislang keine greifbaren Konturen ab”, sagte Dmitri Peskow, Sprecher von Präsident Wladimir Putin, in Moskau. Auch aus Kiew kommen keine Friedens-Signale – im Gegenteil. – Mehr im Blog
  • Milliardenstrafe für Google? Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg verkündet am Dienstag sein Urteil über mögliche Steuernachzahlungen in Milliardenhöhe für Apple. Die Europazentrale des US-Technologieriesen ist in Irland. 2016 hatte die EU-Kommission festgestellt, dass Irland Apple unrechtmäßige Steuervergünstigungen von bis zu 13 Milliarden Euro gewährt habe. Google ging in Berufung, nun urteilt die höchste Instanz. – Übrigens ist Irland immer noch ein Steuerparadies, mehr dazu hier (X)

Das Letzte

Orban schickt Busse mit Flüchtlingen nach Brüssel. Nicht nur in Deutschland, auch in Ungarn spitzt sich der Streit um die Flüchtlingspolitik zu. Regierungschef Orban will nun Busse voller Migranten nach Brüssel schicken, um gegen eine 200 Millionen Euro-Strafe der EU zu protestieren. Dies wiederum ruft die belgische Interims-Regierung auf den Plan: Sie spricht von einer “Provokation”. Mehr bei Euronews (english).

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