Draghi verringert die Dosis
Wenn es nach den Kritikern der EZB ginge, hätte Präsident Draghi sofort den Ausstieg aus dem Anleiheprogramm verkünden müssen. Stattdessen verringert er nun die Dosis der umstrittenen “Droge”.
Ähnliche Töne hört man auch in Berlin. Doch so kurz nach der Bundestagswahl würde sich Draghi dem Vorwurf aussetzen, er folge den Wünschen der deutschen Politik, wenn er sich daran hielte.
Stattdessen halbiert der EZB-Chef das Volumen: das Anleihe-Programm wird von derzeit 60 Mrd. Euro im Monat auf 30. Mrd. zurück gefahren. Die Dosis der “Droge” wird also verringert.
Allerdings soll das Programm nun bis mindestens Ende September 2018 laufen – und damit neun Monate länger als bislang geplant. So kann Draghi auch die Wahl in Italien “überbrücken”.
Ist das nun die viel beschworene Wende der Geldpolitik? Ich würde eher vom Einstieg in die Wende sprechen. Denn die EZB hält sich weiter die Möglichkeit offen, das Kaufprogramm auszuweiten.
Die Notenbank werde die Käufe nicht abrupt stoppen, betonte Draghi. Zugleich mahnte er zu Geduld: “Die Wirtschaftserholung ist noch nicht nachhaltig.”
In Berlin sieht man das natürlich anders. Aber die EZB muss nicht nur an Deutschland denken, sondern auch an Italien oder Frankreich. Dort wird jetzt gespart, was dämpfend wirkt…
Winston
27. Oktober 2017 @ 21:39
Für mich hat der Euro fertig.
Ein externer Schock, die Beendigung des QE mit anschliessender Zinserhöhungen und Euro Aufwertung wird die Euro-Zone nie und nimmer überstehen.
Die Penetranz und auch Aggressivität mit der die EU-Technokraten dieses völlig dysfunktionale Konstrukt verteidigen ist schon fast grotesk wenn nicht surreal.
Es ist deshalb höchstwahrscheinlich das die Euro-Zone chaotisch auseinander bricht, das wäre der absolute Worst-Case.
hintermbusch
27. Oktober 2017 @ 10:59
Man darf gespannt sein, ob nicht bereits jede Änderung der Dosis den Crash auslöst. Das Finanzsystem ist inzwischen so überdreht, dass es nicht am Zinsniveau hängt, sondern an seiner n-ten Ableitung.
Das ist so ungesund, dass man wieder sagen kann: Der Crash kommt. Die Frage ist nur: wann?
Peter Nemschak
26. Oktober 2017 @ 15:09
Die Geldpolitik wirkt auf die Erwartungshaltung der Akteure, die sich an den Gedanken gewöhnen müssen, dass die Zeit extrem niedriger Zinsen sich dem Ende zuneigt. Eine schockartige Bewegung wäre nicht nur für die Länder in Süden sondern auch für Deutschland kontraproduktiv. Auch das Fed geht behutsam vor. Diskussionswürdig wäre, ob Draghi mit seiner jetzigen Maßnahme bereits früher hätte beginnen sollen. Nachdem die wirtschaftliche Erholung in den Euroländern nicht zeitgleich, auch unterschiedlich schnell und stark erfolgte, spricht einiges für seine Politik. Auch der strukturelle Anpassungsprozess dauert länger als manche glaubten. Entscheidend ist, dass die Richtung stimmt und die konjunkturelle Erholung den Anpassungsprozess nicht behindert. Die Politik, unabhängig von der jeweils an der Macht befindlichen Parteienkonstellation, neigt dazu, langfristig wirksame Ausgaben einzugehen, wenn kurzfristig die Staatskasse sprudelt, insbesondere vor Wahlen ihre Klientel bei Laune zu halten.