Disruption: Mays letzter Trumpf – Sorge um Deutsche Bank
War was? Einen Tag nach dem Scheitern des Brexit-Deals in London macht die EU schon wieder Business as usual. In Brüssel gibt man sich betont gelassen – dabei schlittert Europa in eine disruptive, schwer beherrschbare Lage.
Denn diesmal lässt sich die Krise nicht mit den “bewährten” Methoden lösen: Die Uhr anhalten, den Text neu verpacken oder einfach nochmal abstimmen lassen. So hat man es in der Krise um den Verfassungsvertrag gehalten.
Auch Sondergipfel, wie man sie aus der Eurokrise kennt, würden nichts bringen. Denn die EU hat sich zur Gefangenen ihrer eigenen “Geschlossenheit” gemacht. Der Deal kann praktisch nicht mehr aufgeschnürt werden.
Eine Lösung lässt sich nur noch in London finden – doch dort hat die einzige Ansprechpartnerin der EU, Premierministerin May, gerade eine historische Niederlage erlitten. Die Europäer haben aufs falsche Pferd gesetzt.
Und der britische Politikbetrieb befindet sich in einem desolaten Zustand. Die Konservativen sind in mindestens zwei Flügel zerfallen, Labour ringt mit sich selbst, und an Koalitionen ist ohnehin nicht zu denken.
[wp_ad_camp_2]
May appellierte am Mittwoch, nach einem knapp überstandenen Misstrauensantrag, zwar an alle Parteien, ihr “Eigeninteresse” hintanzustellen und gemeinsam einen Ausweg aus der Krise zu suchen.
Doch Labour-Chef Corbyn schlug das Angebot aus – erst müsse May einen “No Deal” ausschließen. Doch genau das will May nicht, denn die Drohung mit dem ungeordneten Brexit ist ihr letzter Trumpf!
Kurz: Für eine Lösung ist die EU auf ein Land angewiesen, das raus will (also kaum von außen zu beeinflussen ist) und sich dabei innenpolitisch selbst lähmt. Die einzige Hoffnung ist, dass niemand einen “No Deal” will.
An diese Hoffnung klammern sich auch die Finanzmärkte – noch. Auf das Abstimmungs-Debakel haben sie erstaunlich gelassen reagiert. Auch das ist ein Problem für die EU – sie hatte auf “sanften” Druck der Märkte gehofft.
Vielleicht kommt dieser Druck noch, vielleicht kriegen die Briten plötzlich Angst vor dem harten Brexit und suchen ein rettendes Ufer. Genauso gut können die Märkte aber auch überreagieren und das Chaos vergrößern.
Disruption liegt in der Luft, nach Paris nun auch in London und Brüssel. Doch alle Beteiligten tun so, als sei die Lage unter Kontrolle, als sei eigentlich nichts passiert. Und das beunruhigt mich am meisten…
Siehe auch “Ist der Brexit-Deal nun tot – oder nicht?”
Your Brexit soundtrack for the day:
–“Tell me what you want, what you really, really want” (Spice Girls)
–“You can’t always get what you want” (Rolling Stones, via @TimmermansEU)
–“Hello from the outside, at least I can say that I’ve tried” (Adele)
–“Help” (The Beatles)— Lili Bayer (@liliebayer) January 16, 2019
WATCHLIST:
- Wie geht es in Griechenland weiter? Nach dem Rücktritt des griechischen Verteidigungsministers Kammenos stellte sich Regierungschef Tsipras am Mittwochabend einer Vertrauensdebatte – und gewann. Von der weiteren Entwicklung hängt die Zukunft der Linksregierung ab, aber auch der Nato- und EU-Beitritt Mazedoniens. Athen muss noch der Umbenennung in “Nord-Mazedonien” zustimmen – und die Konservativen (also die Freunde von EVP-Spitzenkandidat Weber) sind dagegen!
WAS FEHLT:
- Die Krise der Deutschen Bank. Das größte deutsche Finanzinstitut steht auf der Kippe, Gerüchte über eine rasche Fusion mit der Commerzbank machen die Runde. Doch sowohl die Bundesregierung als auch die EU-Kommission halten sich bedeck, niemand will Stellung beziehen. Nur der linke Bankexperte F. De Masio schlägt Alarm: “Zwei Zombies zeugen kein schönes Kind”, warnt er. Die Deutsche müsse aufgespalten werden, um sie kontrolliert abzuwickeln.
Pjotr56
17. Januar 2019 @ 16:25
offtopic:
Andernorts ist auch noch was los (via fefe)
Generalstreik in Indien
http://blog.fefe.de/?ts=a2c1713a
Holly01
18. Januar 2019 @ 08:18
Deutsche Lückenpresse …..
vlg und Danke für den Hinweis
Georg Soltau
18. Januar 2019 @ 12:54
Guter Hinweis, aber gehören nicht gerade die Inder zu den “hunderte Millionen von Menschen auf der Welt” die laut Herrn Nemschak vom 16.01. @ 16:13 das neolibearale
Wirtschaftsmodell “aus bitterster Armut geführt hat”; ist es dann nicht undankbar wenn diese
wegen Lohnkürzungen streiken ?… es geht doch schließlich um die Wettbewerbsfähigkeit !
Pjotr56
18. Januar 2019 @ 12:27
Hab ich schon immer gesagt: Die Inder sind total undankbar! Allein schon, weil sie sich damals gegen ihre wohltätige Kolonialmacht diesem Gandhi anschlossen und gewaltlos Widerstand leisteten – wo kämen wir hin, wenn das Schule machte?
Zwinkersmilie.
Peter Nemschak
18. Januar 2019 @ 13:46
Nehmen Sie die Chinesen als weiteres Beispiel und vergleichen Sie ihre jetzige wirtschaftliche Situation mit jener unter Mao Tse Tung. Es sieht so aus als wäre egalitäres Denken derzeit auf unserem Planeten nicht mehrheitsfähig. Die Roten sollten sich fragen, warum das so ist.
Peter Nemschak
18. Januar 2019 @ 14:21
Es gibt heute eine indische und chinesische Mittelklasse, die vor wenigen Jahrzehnten undenkbar war. Ähnliches gilt in unterschiedlichem Ausmaß für andere Entwicklungsländer.
Pjotr56
17. Januar 2019 @ 15:24
Corbyn agiert sehr klug und geschickt: Kein Brexit ohne deal! Dass er dabei May vor sich hertreibt, ist sein Job in der Opposition – was sonst?
Das kann doch nur jemand kritisieren, der auf ein Abstimmungsverhalten in Form von abnicken innerhalb des Fraktionszwangs ala Deutscher Bundestag steht, politischen Stillstand schätzt sowie der Springer-Presse (Welt) noch etwas Zutreffendes zu entnehmen in der Lage ist.
May’s “letzter Trumpf” ist kein Trumpf! Sie hat einfach ein grottenschlechtes Blatt, garniert mit peinlichen Tanzeinlagen.
Die Hoffnung auf den “sanften” Druck der psychopathologisch rea-/agierenden Märkte kann nur jemand teilen, der sich dem sektenartigen Glauben des Neoliberalismus unterwirft, anstatt eine Politik for the many, not the few (für 99%, nicht 1 %) zu fordern und (medial) mit auf den Weg zu bringen.
Diese ganzen xyzexit Kampagnen der letzten Jahre dienten einzig dazu, die in der jetzigen Form gescheiterte Brüsseler EU der Banken, Konzerne und (selbsternannten) Eliten mit ihren demokratisch nicht legitimierten Führer/innen zu kaschieren.
Corbyn setzt auf Neuwahlen, dann dürfte May ausscheiden und damit werden die Karten neu gemischt.
Anschließend sehen wir weiter.
Peter Nemschak
17. Januar 2019 @ 21:26
Wie geht eine Politik für die Many, wenn es nichts mehr zu verteilen gibt?
Pjotr56
18. Januar 2019 @ 11:51
@Nemschak “nichts mehr zu verteilen”
Oh, das wußte ich nicht. Können Sie das mit Fakten belegen?
Georg Soltau
18. Januar 2019 @ 12:18
Sie haben recht, es gibt bald nichts mehr für die “Many” weil die “Few” wieder dabei sind das ergaunerte zu verzocken, wie z.B. bei der Deutschen Bank….nichts gelernt aus 2008 ?
Peter Nemschak
17. Januar 2019 @ 10:48
Statt aufzuschnüren könnte es einen Mini-Deal geben, der zu einem langen Provisorium führen könnte. Es geht darum, den reibungslosen Warenaustausch sicherzustellen bis ein endgültiges Abkommen erreicht ist. Bei der Deutschen Bank muss es nicht unbedingt die Commerzbank sein. J.P. Morgan Chase hat, so die Gerüchte, schon einmal Interesse gezeigt. Eine starke multinationale Bank ist besser als eine schwache nationale. Eine europäische Lösung bietet sich derzeit nicht an.
Holly01
17. Januar 2019 @ 16:28
Ein Institut das mit 15 Mrd. Börsenwert herumrennt und 1500 Mrd. an Bilanzvolumen ausweist, also bei einer Neubewertung/Schwankung innerhalb der Bilanz, in der ständigen Gefahr ist, nicht das Eigenkapital, sondern die Gesamtkapitalisierung zu vernichten, ist keine Bank, das ist ein Fall für eine Notschlachtung.
Genau das steht da an …
Da ist nur noch die Frage wer den Sicherungsring zieht.
vlg
Peter Nemschak
18. Januar 2019 @ 10:00
Meinten Sie, dass bei einer Neubewertung der Wert der Aktiven der Deutschen Bank Null ist? Dass die Deutsche Bank unter ihrem Buchwert notiert, heißt nicht zwingend, dass sie pleite ist — aber günstig zu haben für denjenigen, der das Kapital und Know-How besitzt sie zu sanieren. Wenn sich niemand findet, wird sie zerschlagen werden. So what?
Holly01
17. Januar 2019 @ 16:41
Bei Fusion bitetet sich aus Schland die DB und die HSH an, aus Italien die Monte di Pasta und dann darf Kärnten seine Hypo einbringen.
DAS wäre ein EU Projekt, das an die WS gehört ;-P
vlg