Reden ist Appeasement, Krieg ist Frieden

Kommissionschefin von der Leyen soll die EU aus der Dauer-Krise holen. Dabei hat sie sie selbst mit verursacht. Was taugt ihr Programm für die zweite Amtszeit? – Teil vier einer mehrteiligen Serie. Heute: Realitätsverlust in der Außenpolitik.

Die EU hat keine Antwort auf die außenpolitische Katastrophe, schrieben wir im Oktober 2023. An die beiden Kriege in der Ukraine und in Gaza gehe sie mit doppelten Standards heran, was ihre Glaubwürdigkeit erschüttere. Zudem fehle eine Strategie zur Lösung der Konflikte. Daran hat sich leider nichts geändert.

  • Im Krieg im Nahen Osten hat die EU an ihren Doppelstandards zugunsten Israels festgehalten. Obwohl Israel von internationalen Gremien massivster Kriegsverbrechen und sogar des Völkermords beschuldigt wird, hat sich an der engen Kooperation zwischen Brüssel, Berlin und Tel Aviv nichts geändert.

Die deutsche EU-Kommissionschefin von der Leyen kam mit ihrer umstrittenen, pro-israelischen Außenpolitik durch, obwohl Spanien, Irland und Belgien dagegen hielten. Vehemente Kritiker ihrer Politik wie die irische Europaabgeordnete C. Daly wurden nicht wiedergewählt.

Das neue Europaparlament präsentierte sich bei seiner Eröffnungssitzung im Juli als “Haus der Falken”. Die erste Resolution galt der Ukraine; sie forderte einen “Sieg” über Russland. Außerdem wurden darin die Sondierungsgespräche von V. Orban in Moskau und Peking verdammt.

In ihrer Antrittsrede verurteilte von der Leyen Orbans eigenmächtige “Friedensmission” als schändliches “Appeasement”. Sie sagte der Ukraine weitere militärische Unterstützung zu und kündigte eine massive Aufrüstung an. Zudem soll sich die EU künftig auch um Taiwan kümmern.

Erschreckender Realitätsverlust

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Damit wandelt von der Leyen auf den Spuren von US-Präsident Biden. Sie will Bidens verheerende Außenpolitik fortführen, auch ohne Biden. Nur durch verstärkte Kriegsanstrengungen in der Ukraine, so ihr Credo, werde sich der Friede in EUropa sichern lassen.

Diplomatie ist Appeasement, Krieg ist Frieden – mit diesen absurden wie gefährlichen Postulaten verkehrt von der Leyen die historische EU-Mission in ihr Gegenteil. Doch das ist nicht einmal das Schlimmste. Wirklich beunruhigend ist der eklatante Realitätsverlust.

Schließlich ist dieser Krieg nicht zu gewinnen. Die Ukraine ist seit Monaten in der Defensive. “Niemand glaubt mehr an einen Sieg”, hält der renommierte französische Experte P. Boniface fest. Der Militärkonflikt mit Russland werde nur unnötig verlängert – auf Kosten der Ukrainer.

Die USA profitieren, die EU verliert

Doch während die USA von dem “endless war” profitieren – ihre Waffenindustrie floriert – wird EUropa mehr und mehr geschwächt. Die kontraproduktiven Sanktionen, die exorbitanten Energiepreise und die hohen Kosten des Krieges überfordern Deutschland und die EU.

Es wäre daher im wohl verstandenen Interesse der Ukrainer und der EUropäer, möglichst schnell eine Verhandlungslösung herbeizuführen. Doch dazu müsste man erstmal den Realitäten ins Auge blicken und den Bürgern reinen Wein einschenken – bisher ist von der Leyen dazu nicht bereit.

Dabei hat sogar der ukrainische Präsident Selenskyj begonnen, das Narrativ zu ändern – und Verhandlungen mit Russland ins Gespräch gebracht. In Kiew hat man offenbar mehr Sinn für die Realitäten als in Brüssel. Die europäische Aussenpolitik wirkt völlig entrückt…

Teil 3 zur Flüchtlingskrise steht hier