Diktatur der Zahlmeister

Sein Schuldendienst wird zum Frondienst

Griechenland unterwirft sich fast vollständig den Forderungen der internationalen „Troika“ – und ist doch nicht vor der drohenden Pleite gerettet. Denn zum einen fehlt noch das grüne Licht der Euro-Finanzminister zum geplanten neuen Rettungspaket. Zum anderen beruht das neue Spardiktat auf einer ganzen Reihe ökonomisch fragwürdiger Annahmen – es etabliert eine absurde Diktatur der Technokraten und Zahlmeister, die nur auf das Gesetz der Märkte hören.

Alle Welt regt sich über die Griechen auf, die scheinbar nicht bereit oder in der Lage sind, sich auf überfällige „Reformen“ zu einigen. Tatsächlich haben die griechischen Parteien und die staatliche Verwaltung in Athen in der Schuldenkrise kläglich versagt. Allerdings gibt seit zwei Jahren nicht mehr die griechische Regierung, sondern die „Troika“ aus EU, EZB und IWF den Ton an – und ihre Austeritätspolitik hat die Lage massiv verschärft, wie selbst die „New York Times“ meint.

Die Konsequenzen müssen jedoch nicht Merkel, Sarkozy, Lagarde oder Draghi tragen, die hinter den Kulissen die Strippen ziehen und die Schraube immer wieder anziehen (siehe mein Eintrag „Berlin bremst Athen aus“). Vielmehr sollen die Griechen bluten – nach den Mitarbeitern im öffentlichen Dienst sind nun auch die Beschäftigten des Privatsektors, die Minijobber, Arbeitslosen, Rentner und Kranken an der Reihe.

Die größten Einschnitte werden ausgerechnet im Not leidenden Gesundheitswesen vorgenommen, zudem werden die Löhne eingefroren und der Mindestlohn gekürzt – angeblich, um die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern… Eine Deckelung der Preise ist hingegen nicht vorgesehen, auch Kapitalverkehrskontrollen zur Eindämmung der massiven Kapitalflucht soll es nicht geben. Ohne Kapital nützen jedoch auch Billglöhne nichts, ohne Kaufkraft auch keine Sparprogramme.

All dies ist eine Schande für Europa. Nach dem Ende der Souveränität und der Demokratie in Griechenland läutet es auch ein Ende der Tarifautonomie und der sozialen Marktwirtschaft ein. Was die Troika da fordert (hier der volle Text), das ist kein schnell vergessenes Diktat mehr, sondern es gleicht einer auf Jahre (mindestens bis 2020) angelegten Diktatur, deren einziges Gesetz das der Märkte und ihrer Vollstrecker in Washington, Frankfurt und Berlin ist.

Löhne deckeln, bis die Arbeitslosigkeit einen Schwellenwert X (zehn Prozent) erreicht hat, Gesundheitsausgaben kürzen, bis der Schuldenstand eine Prozentzahl Y (120 Prozent) zeigt, den Staatsbesitz verscherbeln, bis ein Primärüberschuss vom Wert Z (6 Prozent) erwirtschaftet wird: Künftig sollen Zahlen die Politik in Athen diktieren. Bürger und Politiker werden auf Kostenfaktoren reduziert, deren Stimme nicht mehr zählt.

Politisch ist dies unverantwortlich, wirtschaftlich absurd. Die Lohnkürzung führt zu einem Einbruch der Binnennachfrage und damit zu einer noch schlimmeren Rezession mit noch weniger Steuereinnahmen (aktuelle Zahlen hier) sowie noch mehr Defiziten. Der Zielwert der Arbeitslosigkeit von zehn Prozent ist dabei genauso willkürlich wie die 120 Prozent, auf die die Schulden bis 2020 sinken sollen. Bisher hat die Troika nur einen massiven Anstieg der Arbeitslosigkeit bewirkt, und nicht einmal die Vorhersage für die Schuldenquote 2011 hat gestimmt.

In Griechenland zeigt sich, was ganz Europa droht, wenn die marktgläubigen Technokraten die Macht übernehmen. Das viel beschworene „Europa der Werte“ geht vor die Hunde, eine Diktatur der Zahlen (und der Zahlmeister) entsteht. Was als Schuldendienst zugunsten der Gläubiger-Banken in Deutschland und Frankreich begonnen hat, verwandelt sich in Athen nun in einen Frondienst zu Ehren der Marktgötter und ihrer Jünger.

Aber vielleicht ist dies ja kein Zufall, sondern volle Absicht, nach dem Motto: an den „Pleite-Griechen“ wollen wir mal ein Exempel statuieren…

 

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