Die Sprache der Macht

Zum 30. Jahrestag des Mauerfalls in Berlin hat die künftige Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eine denkwürdige Rede gehalten. Es ging nicht um die neuen Mauern in und um Europa, sondern um die “Sprache der Macht“.

Soft power alleine reiche nicht mehr aus, wenn sich Europa in der Welt behaupten wolle, sagte die CDU-Politikerin. Die EU müsse auch “die Sprache der Macht lernen”.

Das heiße “Muskeln aufbauen”, vor allem in der Sicherheitspolitik. Allerdings nicht ohne oder gegen die Nato, wie dies Frankreichs Präsident Macron fordert, sondern an der Seite der USA.

Außerdem müsse man “die vorhandene Kraft gezielter einsetzen, wo es um europäische Interessen geht”. Von der Leyen nennt vor allem China, aber auch “große Technologieunternehmen”.

Das ist interessant. Offenbar will von der Leyen die Handelspolitik nutzen, um China auszubremsen, und die Wettbewerbs- und Steuerpolitik, um Google & Co. Einhalt zu gebieten.

Beides ist nicht neu. Neu ist aber, dies mit “der Sprache der Macht” zu verbinden. Denn bisher haben weder China noch Google & Co. ihre Macht ausgenutzt, um der EU gezielt zu schaden.

Sie haben lediglich vorhandene Gesetzeslücken und Schwächen genutzt. Teilweise hat die EU sie sogar selbst eingeladen – wie bei der Privatisierung des Hafens von Piräus, die China nutzte.

Knallharte Machtpolitik im Handel haben dagegen die USA betrieben. US-Präsident Trump hat Strafzölle gegen Stahl und Aluminum aus der EU verhängt und mit Autozöllen gedroht.

Wo bleibt da die “Sprache der Macht“? Und wo bleibt sie im Streit um das Atomabkommen mit Iran oder im Krieg um Nordsyrien? Beides berührt strategische Interessen Europas.

Doch dazu schweigt von der Leyen. Sie schweigt auch zu den neuen Gräben zwischen Ost und West, die die EU spalten, und von den neuen Mauern, mit denen sich Europa abschottet.

Macron widersprechen, Merkel gefallen

Sollen wir das als Ohnmacht werten? Oder einfach nur als Sprachlosigkeit abtun? Nein – dass von der Leyen zu den echten Problemen schweigt, reflektiert ihre Herkunft und ihr Denken.

Sie redet als deutsche, transatlantisch geprägte Verteidigungsministerin, nicht als strategisch denkende Europäerin. Sie legt es darauf an, Macron zu widersprechen und Merkel zu gefallen.

Erstaunlich ist das nicht, sie sprach ja in Berlin. Ich finde es aber bedenklich. Zum 30. Jahrestag des Mauerfalls hätte ich mir mehr Nachdenklichkeit und mehr Weitsicht gewünscht…

Siehe auch “Europas neue Mauern” und EU feiert Mauerfall mit Eigenlob – und verstärkter Abschottung

P.S. Es gab schon einmal einen Artikel mit dem Titel “Die Sprache der Macht” in diesem Blog. Das war 2015, der Blogpost bezog sich kritisch auf einen Kommentar in der “Süddeutschen”. Ob VdL bei der SZ abgekupfert hat?