Die Sonne und ihre 26 Planeten, ein Mini-Nexit – und keiner fragt nach Merz
Die Watchlist EUropa vom 19. September 2024 – Heute mit News und Analysen zur obskuren Organisation der neuen EU-Kommission, der Asylwende in Holland und dem deutschen Kanzlerkandidaten
Die Mitglieder der “Brüsseler Blase” haben merkwürdige Hobbies. Wochenlang spekulieren sie, wer der neuen EU-Kommission angehören wird. Sobald die Namen da sind, sind sie schon fast wieder egal. Nun wollen alle wissen, wie das Organigram aussieht und wer welche Befehlskette kommandiert.
Verständlich, denn wer sich die Grafiken mit den neuen Kommissaren und ihren Aufgabengebieten ansieht, wird daraus nicht schlau. Die Themen wiederholen sich, die Kompetenzen überschneiden sich – und wer mit welcher Generaldirektion zusammenarbeitet, wird auch nicht auf den ersten Blick klar.
Dabei ist die Sache doch eigentlich ganz einfach: Alles dreht sich um von der Leyen und ihren Kabinettschef Seibert. Die Ressorts wurden ganz bewußt so zugeschnitten, dass wichtige Themen immer in mehreren Händen liegen, die Kommissare sich abstimmen müssen und die Chefin das letzte Wort hat.
Der grüne Europaabgeordnete Sergey Lagodinsky spricht denn auch von einer „Sonnensystem-Kommission“. 26 dunkle Planeten – die neuen, weitgehend unbekannten Kommissare – kreisen um die alles beherrschende Sonne. Aus der “Queen of Europe” ist eine Sonnenkönigin geworden…
Mehr zur neuen EU-Kommission hier und hier (Blog) sowie im Cicero “Alles dreht sich um von der Leyen”
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News & Updates
- Wilders will den “Mini-Nexit”. Die Niederlande haben in Brüssel den Ausstieg aus den EU-Asylregeln beantragt. Der Rechtspopulist Geert Wilders, der mit seiner rechten Partei für die Freiheit (PVV) erstmals in der Regierungs-Koalition sitzt, sprach von “neuem Wind” in den Niederlanden. “Dies ist ein Mini-Nexit”, sagte Wilders in Den Haag. Eigentlich wollte Wilders den Nexit – also den EU-Austritt. Zuletzt ist er davon aber abgerückt…
- EU will 200 Mio von Ungarn einbehalten. Die EU-Kommission will mit Geldkürzungen auf die Ankündigung Ungarns reagieren, eine vom Europäischen Gerichtshof verhängte Strafe wegen Verstößen gegen das Asylrecht nicht zu zahlen. “Wir werden nun die 200 Millionen Euro von kommenden Zahlungen an Ungarn aus dem EU-Haushalt abziehen”, sagte ein Sprecher. Dies könnte ländliche Regionen oder die Landwirtschaft treffen.
- Frankreich droht “ernste” Budgetkrise. Dies sagte der neue Premierminister Barnier. Zuvor hatte der französische Rechnungshof einen alarmierenden Bericht vorgelegt. Demnach wird das Ziel, das Budgetdefizit 2024 auf 5,1 Prozent zu senken, verfehlt. Danach setzte in Paris sofort ein heftiger Streit um mögliche Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen ein. Die Lage sei “sehr ernst”, so Barnier.
Das Letzte
Keiner fragt nach Merz. In Deutschland ist es DAS Thema, in der EU interessiert es niemanden: Dass CDU-Chef Merz nun offizieller Kanzlerkandidat der Christdemokraten ist, war den Journalisten in Brüssel nicht einmal eine Frage wert. Das ist bedauerlich – schließlich hat Merz seine politische Karriere in Brüssel begonnen, wo er von 1989 bis 1994 EU-Abgeordneter war. Doch bleibende Spuren hat er nicht hinterlassen. Und dass er nun für strikte Grenzkontrollen wirbt und das Schengen-System der Reisefreiheit gefährdet, verschafft ihm in Brüssel sicher keine neuen Fans…
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KK
19. September 2024 @ 22:51
„Keiner fragt nach Merz“
ich meine mich zu erinnern, dass die Nominierung des Kanzlerkandidaten mal am Ende eines mehr oder weiger demokratischen innerparteilichen Prozesses darstellte – inzwischen reicht es offenbar, wenn ein paar Hanseln in exponierter Stellung das unter sich auskungeln?