Die Slowakei hat “falsch” gewählt – wird Wahlsieger Fico bestraft?
Er hat die Slowakei in den Euro geführt und Streit mit der EU weitgehend vermieden. Doch weil R. Fico keine Waffen an die Ukraine liefern will, wird sein Comeback nach dem Wahlsieg am Samstag zum Problem erklärt.
Schon vor der Wahl sprach die EU-Kommission von “Desinformation” aus Russland, die Fico und seine Partei Smer-SD begünstigen könne. Alle Hoffnungen der Pro-EUropäer lagen bei der prowestlichen Partei “Fortschrittliche Slowakei”.
Doch bei der Parlamentswahl am Samstag kam diese nur auf den zweiten Platz. Ficos Smer-SD liegt mit rund 23 Prozent der Stimmen weit vorn; er wird wohl versuchen, eine Koalition mit der drittplazierten Partei HLAS zu bilden.
Anstatt die Regierungsbildung abzuwarten, machen viele Medien und Politiker ihrer Enttäuschung über den Wahlausgang Luft. Fico wird als “pro-russisch” diffamiert, seine Partei in eine “linkspopulistische” Ecke gestellt.
Angeblich droht auf EU-Ebene ein Bündnis mit dem rechtspopulistischen V. Orban aus Ungarn. Der “Linksruck” in der Slowakei könne die “Ukraine-Unterstützung schwächen”, schreibt die Nachrichtenagentur dpa.
Frieden? Gefährlich!
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Auf die Idee, dass die Wähler nicht für die Ukraine, sondern für ihr eigenes Land gestimmt haben könnten, kommt man nicht. Der Gedanke, dass Ficos Forderung nach Frieden richtig sein könnte, gilt als gefährlich.
In Brüssel sinnt man schon darüber nach, wie man Fico ausbremsen könnte. Eine Idee ist, ihn außenpolitisch zu isolieren. Eine andere, den Geldhahn mit Verweis auf die Rechtsstaatlichkeit zuzudrehen.
Die Konservativen im Europaparlament wollen zudem den EU-Kommissar Sefcovic “grillen”, weil er einst von Fico nach Brüssel geschickt wurde.
Wäre die EU eine echte Demokratie, würde sie den Wählerwillen respektieren und Fico an seinen Taten messen. Stattdessen sieht es so aus, als sollte das Land für seine “falsche” Wahl abgestraft werden…
Siehe auch Ukraine: Die Solidarität bröckelt, die Einheit auch
P.S. Kaum erwähnt wird Ficos Verstrickung in die Korruptionsskandale der letzten Jahre. Das scheint mir viel problematischer als seine Haltung zu Waffenlieferungen an die Ukraine – denn die Slowakei hat den Plan bei der Aufrüstung bisher übererfüllt (das Land schickte als Erstes Kampfjets)…
Robby
2. Oktober 2023 @ 03:13
Nimmt die EU Freiheit und Demokratie in den Mund sterben woanders die Menschen wie die Fliegen.
MarMo
1. Oktober 2023 @ 18:58
Die EU und Demokratie – das wird immer mehr ein Widerspruch. Meiner Meinung nach hat vdL die vorhandenen Reste von Demokratie so was von abgeräumt. Ekelhaft, diese Verunglimpfung eines Wahlergebnisses, das nicht zum Kriegskurs passt. In all diesen Vorgängen zeigt sich das „echte“ Bild der mal als Friedensprojekt gegründeten EU.
Katla
1. Oktober 2023 @ 18:10
Die Slowaken sollten doch die Deutschen zum Vorbild nehmen – “wir” sind ja davon bekannt, immer “richtig” zu wählen. Das Ergebnis einer “richtigen” Wahl können wir in Deutschland jeden Tag besichtigen und hautnah erleben: ein Kreis von ausgewiesenen, hochkarätigen Experten in allen Ressorts rackert sich für das Wohl und für das Wohlergehen der Bevölkerung ab. Wirtschaft, Aussenpolitik, Migration, Gesundheitswesen, Sozialpolitik, innere und äußere Sicherheit, alles ist in einem hervorragenden Zustand, die Bevölkerung könnte gar nicht zufriedener sein. So macht man das “richtig”, liebe Slowaken!
Thomas Damrau
1. Oktober 2023 @ 18:09
Genau genommen stören der WählerInnen nur: Jetzt haben sie einmal nach vielen Jahren Gelegenheit, ihre Meinung zu sagen – dann kommt in der Slowakei so ein Mist dabei heraus. Wir haben schon so viele Medien auf den richtigen Kurs gebracht und trotzdem verstehen in einigen Ländern die BürgerInnen immer noch nicht, wo der Hammer hängt.
In Deutschland funktioniert das viel besser – da wird immer Mitte gewählt: Ampel, Schwarz-Rot, Rot-Schwarz, Schwarz-Grün, Grün-Schwarz, im Notfall sogar Rot-Rot-Grün, mal mit Himbeer-, mal mit Erdbeer-Geschmack. Aber in jedem Fall mit der Garantie, dass sich nicht viel ändert. Das nenne ich eine stabile Demokratie.
Fragt sich jemand, warum in immer mehr Ländern schräge Vögel an die Macht kommen? „Neeeee – denn die Antwort ist klar: Schuld sind irgendwelche Internet-Trolle mit dubiosen Auftraggebern.“
Könnte der Unmut der Wähler etwas mit der aktuellen Politik im Land und in der EU zu tun haben? „Neeeee – keinesfalls, denn wir arbeiten ja zum Wohl der Bevölkerungsmehrheit.“
Meine Lösung: Die EU-Kommission sollte ein Programm auflegen, um Wähler für die markt-konforme Demokratie in der Retorte züchten. (Mit CRISPR-CAS müsste da doch was gehen …)
Helmut Höft
2. Oktober 2023 @ 12:08
@Thomas Damrau
Stimme großenteils zu, aber:
Immer nur die Mitte? Teils Bedingung (des gibt os etwas was man common sense nennt), teils Risiko (ich denkle an Mainstream) – bei Mutti nannte man das „regieren nach Zahlen“ ( https://www.spiegel.de/politik/regieren-nach-zahlen-a-978a374b-0002-0001-0000-000129095167 ), ich glaube, dass die Mitte die Region ist, wo der Haufen am höchsten, der „Geruch am strengsten“ ist. (SCNR)
Wie immer gilt Bockenförde ( https://de.wikipedia.org/wiki/B%C3%B6ckenf%C3%B6rde-Diktum ), Anders gesagt: Wenn vieleMenschen nicht mittuen, wird’s schwierig!
Demokratie, freie Gesellschaft das sind Dinge, an denen jeder immer mitarbeiten muss.
Arthur Dent
1. Oktober 2023 @ 17:53
Als biederer Hinterwäldler entstand der Mensch, nicht als Verantwortung tragender Weltbürger. Er hatte Sorge hat ums tägliche Brot für sich und seine Sippe. Letztendlich wählt man immer das Prinzip des vollen Kühlschranks, da können sich die urbanen Wohlfühlblasen die Welt in ihren schönsten Farben herbeiphantasieren. Den Menschen, denen jetzt schon immer mehr Geld für alles Nötige fehlt, ist das Hemd näher als die Hose. Wetten, dass es sich 2025 ausgeampelt hat – mal sehen, wohin wir dann “falsch abgebogen” sind.
KK
1. Oktober 2023 @ 16:37
„Wäre die EU eine echte Demokratie, würde sie den Wählerwillen respektieren…“
Wohl gesprochen – wenn eine durch und durch korrupte und mit der OK in Verbindung gebrachte Figur mit deutlichem Abstand eine Wahl gewinnt, nur weil sie für Frieden eintritt, sollte man sich in Brüssel und den anderen Hauptstädten mal Gedanken machen!