Die Schlafwandler von Sibiu – Der Kampf um das Klima

Zwei Wochen vor der Europawahl treffen sich die EU-Chefs in Rumänien, um die Verteilung von Posten auszukungeln. Daß die Welt gerade an den Rand des Abgrunds schlittert, scheint sie nicht zu kümmern.

Es hätte alles so schön sein können. Fünf Wochen nach dem Brexit wollten sich die Staats- und Regierungschefs aus Europa treffen, um eine glorreiche Zukunft als EU-27 auszumalen.

Doch der Brexit ist vorerst ausgefallen, die Briten müssen sogar an der Europawahl teilnehmen. Und so wurde der Sondergipfel, der am Donnerstag in Sibiu (Rumänien) stattfindet, kurzerhand umfunktioniert.

Nun steht der Europatag im Mittelpunkt – und das feierliche Gelübde, auch in Zukunft „Stärke in Einigkeit“ zu suchen, wie es Kommissionschef Jean-Claude Juncker formuliert.

Mit “zehn Verpflichtungen für die Zukunft” – etwa der Wahrung von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie – wollen Kanzlerin Angela Merkel und die anderen EU-Chefs um Vertrauen bei den Bürgern werben.

Doch weil auch das keinen Gipfel füllt, hat Ratspräsident Donald Tusk noch einen anderen, heiklen Punkt auf die Tagesordnung gesetzt: die Besetzung von Topposten in der EU. Hier könnte es spannend werden.

Schließlich soll es auch um die Wahl des nächsten Kommissionspräsidenten gehen – eine Frage, die normalerweise die Europawahl klären sollte, und zwar über die Spitzenkandidaten.

Doch das ist nicht das einzige Ärgernis. Tusk provoziert nicht nur die Kandidaten, die er in ein enges Korsett zwängen und zur Not sogar übergehen will. Er lässt auch die Chance verstreichen, über Probleme zu reden, die wirklich drängen.

Davon gibt es eine ganze Reihe: die schlechte Konjunktur, die die EU-Kommission gerade in ihrer Frühjahrsprognose bestätigt hat; die drohende Finanzkrise in Italien; oder auch die Hängepartie beim Brexit.

Vor allem aber sollten die EUropäer über die Provokationen der USA sprechen. US-Präsident Donald Trump hat nicht nur den Handelskrieg mit China eskaliert, was die Weltwirtschaft und damit auch die Eurozone bedroht.

Trump legt es auch offenbar auf einen Krieg mit Iran an – jenem Land, dem die EU eigentlich beistehen wollte. Hier wäre ein klares Stopp-Signal aus Sibiu nach Washington wichtig. Doch das ist nicht zu erwarten.

Die Staats- und Regierungschefs wirken einmal mehr wie Schlafwandler, die sich lieber mit ihrem kleinlichen Postengeschacher beschäftigen, statt sich um die großen Krisen und Konflikte zu kümmern…

Siehe auch “Kriegsgefahr in Iran – EUropa ist gespalten

Watchlist

  • Russland erinnert mit einer großen Militärparade in Moskau an das Ende des Zweiten Weltkriegs. Der 9. Mai wird als Sieg als “Tag des Sieges” über Hitlerdeutschland gefeiert. Man darf gespannt sein, ob Kanzlerin Angela Merkel dazu ein paar passende Worte findet. 2015 war sie noch nach Moskau gereist, wenn auch erst einen Tag nach den Feiern. Diesmal zieht sie Sibiu vor, wo sie mit der deutschen Minderheit anstoßen will…

Was fehlt

  • Der Kampf um das Klima. Beim Gipfel von Sibiu wollen Frankreich, Belgien, Luxemburg und weitere EU-Staaten durchsetzen, dass sich die EU auf eine “klimaneutrale” Wirtschaft bis 2050 verpflichtet. Doch Deutschland ist, Seit’ an Seit’ mit dem Kohleland Polen, dagegen. Schon beim letzten regulären EU-Gipfel im März hatte Merkel einen Vorstoß von Staatspräsident Emmanuel Macron blockiert…