Die offensive Drohung der Nato
Nach dem Drohnenvorfall im Schwarzen Meer warnt Washington davor, dass der Krieg mit Russland eskalieren könnte. Dabei wird eine Eskalation längst vorbereitet – von der Nato und ihrer Vormacht USA. Sie bauen eine offensive Drohkulisse auf und provozieren mit einer “Show of Force”.
Was machen die USA mit Drohnen vor der Krim? Diese Frage ist auch 24 Stunden nach dem Vorfall über dem Schwarzen Meer unbeantwortet geblieben. Die Amerikaner geben keine Auskunft – stattdessen beschuldigen sie Russland, den “Reaper” angegriffen zu haben und eine Eskalation zu riskieren.
Tatsächlich unterstreicht der Vorfall das Risiko, das die USA und Russland mit ihrem Stellvertreter-Krieg um die Ukraine eingehen. Die beiden verfeindeten Mächte sind sich mit ihren Kriegsmaschinen gefährlich nahe gekommen; schon ein kleiner Fehler kann eine unkontrollierte Kettenreaktion auslösen.
Wir waren auf einer rein defensiven Routine-Mission, heißt es beschwichtigend in Washington. Das mag sein. Allerdings kann man sich schwerlich vorstellen, dass die USA es zulassen würden, dass russische oder chinesische Drohnen vor der eigenen Küste fliegen. Schon ein paar Ballons haben in Washington Panik ausgelöst!
Und es geht ja nicht nur um amerikanische Drohnen. In den letzten Tagen und Wochen haben die USA mehrere Manöver mit B-52-Langstreckenbombern an den Grenzen der Ukraine und Russlands durchgeführt. “Show of Force” nennt man das bei den Militärs. Rein defensiv ist das nicht, vielmehr wird Russland provoziert.
Zudem bauen die USA und die Nato seit Monaten eine offensive Drohkulisse auf. Zunächst wurde sie mit den (angeblichen) atomaren Drohungen von Zar Putin begründet. Sollte Putin auch nur eine einzige taktische Atombombe zünden, so werde seine Invasions-Armee in der Ukraine auf der Stelle vernichtet!
“We have been very clear with the Russians publicly, and, as well as privately, to stop the loose talk about nuclear weapons,” Blinken said in an interview on CBS News’ 60 Minutes. It’s very important that Moscow hear from us and know from us that the consequences would be horrific. And we’ve made that very clear.”
The National Interest
Schon im Herbst begannen die USA und ihre Alliierten, die “passenden” Waffen an die Ostfront der Nato zu verlegen. Der Aufmarsch ist längst nicht beendet, wie auch deutsche Medien berichten: “USA bringen via Bremerhaven viele Panzer und MaxxPro nach Europa”, schrieb die “Nordsee-Zeitung” im Februar.
Neuerdings baut die Nato ein neues Militär-Hauptquartier in Polen auf. “In Rzeszów entsteht ein neues Ramstein”, schreibt die “Berliner Zeitung”. Das Örtchen gilt als “Tor zur Ukraine”. Rund 10.000 amerikanische Soldaten sollen dort stationiert sein, der Flughafen sei “einer der wichtigsten der Welt.”
Zwei Szenarien für eine Nato-Beteiligung
Mit Abschreckung hat das längst nichts mehr zu tun; auch nicht allein mit dem Umschlag von Waffen für die Ukraine. Vielmehr deutet alles darauf hin, dass Rzeszów zum “Hub” für eine mögliche Intervention alliierter Streitkräfte ausgebaut wird. Dabei gibt es offenbar zwei mögliche Szenarien.
- Das eine spricht von einem “Spillover” des Krieges im Rahmen einer ukrainischen Offensive. Wenn die Ukraine im Frühjahr beginnen sollte, die Krim anzugreifen und zurückzuerobern, müssten die USA und ihre Alliierten damit rechnen, dass die Fronten verschwimmen und die Nato in Kämpfe verwickelt wird.
- Das andere, immer öfter diskutierte Szenario läuft auf eine direkte Militär-Intervention hinaus. “Nato faces an all-out fight with Putin. It must stop pulling its punches”, hieß es kürzlich im “Guardian”. Die Allianz könne nicht länger defensiv handeln, sondern brauche einen Plan, um den Krieg zu gewinnen.
Will sagen: Die Nato müsse bereit sein, selbst aktiv in der Ukraine einzugreifen. Und zwar spätestens dann, wenn Putin die Oberhand gewinnt und dem Westen eine, vieles Niederlage droht. Die nötigen Waffen werden offenbar gerade herangeschafft, das meiste davon über Deutschland…
Siehe auch “Die USA heizen den Krieg an – mit Deutschland als Drehkreuz” Mehr zum Krieg in der Ukraine hier
P.S. Der Vorfall mit den Drohnen und die Flüge der B-52 sind recht gut dokumentiert. Was fehlt, ist eine aktuelle Übersicht über die Truppen, die USA und Nato zusammengezogen haben (die letzte Nato-Karte ist von Juni 2022). Hat jemand eine gute und zuverlässige Quelle?
P.P.S. M. Monroy hat die sehr weit “vorwärts” weisende Aufklärung durch Nato-Drohnen beschrieben. Mit der Überwachungstechnik an Bord der “Global Hawk” könnten die westlichen Militärs mindestens 200 Kilometer weit in russischem Gebiet aufklären, der Artikel steht hier.
Kleopatra
16. März 2023 @ 12:15
@ebo: Aber jedenfalls ist das Schwarze Meer ein internationales Gewässer, an das im Süden und Westen NATO-Mitgliedstaaten grenzen. Und da Russland Aggressionskriege führt, gibt es auch Anlass, zu schauen, was die so machen.
Nicht nur das amerikanische Militär, sondern auch Präsident Biden will keine direkte militärische Konfrontation USA-Russland. Wäre das anders, wäre diese längst im Gang.
Hekla
16. März 2023 @ 11:20
@ebo: da ist das Hindukusch-Phänomen wieder.
Es ist doch mehr als fraglich, ob die NATO-Mitglieder Rumänien, Bulgarien und Türkei ausgerechnet 120 km vom Krim entfernt, das ja die allen bekannte, absolute rote Linie Russlands darstellt, „geschützt“ werden müssen. Nach dieser Logik müssten sich dort auch chinesische und iranische Drohnen nach Herzenslust tummeln dürfen, sie würden ja auch nur Freund Russland „schützen“.
Für mich eine hochriskante Provokation mit den USA in der wohlbekannten Rolle, völlig arglos, an allem unschuldig zu sein und nur völlig harmlose (und edle!) Absichten zu haben.
Hekla
16. März 2023 @ 09:56
@KK: ich befürchte, dass ein chinesischer (und womöglich auch noch erfolgsversprechender) Plan für den Westen völlig inakzeptabel wäre. Was für eine Blamage, wenn erst die Chinesen kommen müssen, um in Europa wieder einigermassen gesittete Verhältnisse herzustellen! Diese Bestätigung für China wird sicher aus vielerlei strategischen Gründen abgelehnt werden und mit einer erfolgreichen Eskalation hätte man das alles sofort vom Tisch. Heute sieht es in den Medien allerdings so aus, als würde man den Vorfall doch nicht wirklich aufblasen wollen.
Dennoch: schlimm eigentlich, wenn man als ein zu Frieden, Dialog, Gewaltverzicht und Demokratie erzogener Mensch feststellt, dass man in einer Region lebt, in der alle diese jahrzehntelang vermittelte Werte über Nacht völlig falsch und verachtenswert geworden sind – und das bereits ohne dass man in einem Kriegsgebiet leben würde oder unmittelbar vom Krieg betroffen wäre.
european
16. März 2023 @ 10:57
Zumal die Chinesen es soeben mit Diplomatie geschafft haben, dass Iran und Saudi-Arabien wieder an einem Tisch sitzen und aktiv an ihrer politischen und wirtschaftlichen Beziehung arbeiten. Auch das duerfte jenseits des Atlantiks, wo man von internationalen Konflikten lebt, mit grimmiger Miene aufgenommen worden sein, denn gleichzeitig sagt Saudi-Arabien sehr deutlich, dass es ihr Oel nur ohne Preisdeckel gibt.
Wenn man dann noch die Stimmen aus Afrika hoert, dann wird klar, wie sehr wir mittlerweile isoliert sind. Sehenswert dazu der Kommentar von Floyd Shivambu, ein suedafrikanischer Politiker der Linken, der kuerzlich sehr klare Worte waehrend der IPU Assembley in Bahrein gesprochen hat.
https://youtu.be/QMPsM6uKOqY
Kurz gesagt: Euer Krieg, euer Problem. Wir haben andere Probleme und es gibt sehr viel mehr humanitaere Krisen auf dieser Welt und auf unserem Kontinent. Wir sind es leid, dass jedes Zusammentreffen immer wieder auf den Ukraine-Konflikt gelenkt wird. Wir wollen uns um andere Krisen kuemmern.
Womit er Recht hat.
Da wird auch der Besuch von Habeck und Scholz in Brasilien nicht viel aendern. Die BRICS -Staaten lassen sich nichts mehr vorschreiben. Dieser Konflikt hat den aufstrebenden Laendern den Ruecken gestaerkt und wenn man jemals vorhatte, genau das zu verhindern, so ist dieser Schuss perfekt nach hinten losgegangen. Die europaeischen Politiker sollten endlich wach werden und genau hinsehen, wem sie da so bedingungslos folgen. Die Bevoelkerung scheint mir da schon viel weiter zu sein.
Kleopatra
16. März 2023 @ 08:33
Grob die halbe Schwarzmeerküste gehört NATO-Mitgliedstaaten; damit ist die Frage beantwortet, was eine amerikanische Drohne dort tut – sie ist zum Schutz der Verbündeten aktiv.
ebo
16. März 2023 @ 09:54
Die Krim “gehört” meines Wissens nicht irgendwelchen Nato-Staaten, auch die Ukraine ist – trotz eifriger Bemühungen – noch nicht Mitglied im Club.
Auch der “Schutz der Verbündeten” ist zweifelhaft. Nach allem, was man aus Washington hört, wird Reaper doch eher zur Aufklärung rund um die Ukraine genutzt, also zu aktiver Kriegsführung.
Hoffnungsvoll stimmt, dass das US-Militär auf De-Eskalation setzt. Zumindest General Milley will keinen bewaffneten Konflikt mit Russland. Aber wer hört noch auf Milley?
KK
15. März 2023 @ 22:11
@ Hekla:
„Es war ja um die Ukraine relativ ruhig in den letzten 10 Tagen – war es nur wegen dem wenig erfolgreichen Kriegsverlauf? Es kam auch nichts von den üblichen Waffenforderungen und moralischen Erpressungen Richtung Westen…“
Vielleicht könnte der Grund in zaghaften Verhandlungen liegen, in denen China eine zentrale Rolle spielt? Und von denen wir hier erst mal nichts erfahren, wenn man nicht mal in eine der wenigen Zeitungen schaut, die nicht vollkommen gelenkt erscheinen:
https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/waffenstillstand-in-der-ukraine-china-hat-einen-genialen-plan-nehmen-wir-ihn-ernst-li.327861
Wobei ich nicht zwingend davon ausgehe, dass das unbedingt ein gutes Zeichen sein muss: Es könnte auch dazu führen, dass sich der „Werte“westen mal wieder genötigt sieht, solche eine Entwicklung zu torpedieren – und diesmal notfalls sogar mit einem direkten militärischen Eingreifen jede Aussicht auf Waffenstillstand zunichte machen will. Denn da allenthalben die Munition langsam aber sicher ausgeht, schliesst sich allmählich das Fenster für eine erfolgversprechende weitere Eskalation.
Robby
15. März 2023 @ 21:17
Der Artikel der NZZ ist ein Jahr alt.
Oder meinen Sie einen anderen?
ebo
15. März 2023 @ 21:31
Dann lieber was Neues!
Art Vanderley
15. März 2023 @ 21:09
Will nichts schönreden, aber diese Drohnensache sieht aus wie eins dieser Scharmützel, das man eben machen kann ohne allzu große Gefahr der Eskalation. Braucht man ab und an auf beiden Seiten um zu zeigen wo der Feind sitzt und wo die Guten.
Hekla
15. März 2023 @ 19:36
Ja, was haben die USA über dem Schwarzen Meer zu suchen? Und weshalb wird dieser Vorfall, der mir im Vergleich zu anderen Vorfällen in diesem Krieg eher läppisch erscheint (schließlich ist nur unbemanntes Gerät abgestürzt) politisch so hochgekocht, Botschafter einbestellt, etc.? Und warum sekundieren dabei die Medien wieder so übereifrig?
Es war ja um die Ukraine relativ ruhig in den letzten 10 Tagen – war es nur wegen dem wenig erfolgreichen Kriegsverlauf? Es kam auch nichts von den üblichen Waffenforderungen und moralischen Erpressungen Richtung Westen, dabei bietet sich dafür die Situation um Bachmut herum hervorragend an. Woher diese scheinbare Ruhe in und um die Ukraine selbst? Bereitet man sich etwa schon auf Grösseres vor und sind die bewusst lancierten Mutmaßungen, die USA könnten sich aus dem Ukraine-Business zurückziehen, doch nur Ablenkungsmanöver? Für mich sieht diese aufgeblasene Drohnengeschichte jedenfalls so aus, als würden schon Vorwände zum Eingreifen gesucht.
Ich muss hier nochmal meine rhetorischen Fragen stellen: würden „die“ für die Ukraine den 3. Weltkrieg riskieren oder sogar vom Zaun brechen? Würden „die“ wegen einer Drohne den 3. Weltkrieg riskieren oder sogar vom Zaun brechen? So planvoll und strukturiert, wie sie bisher vorgegangen sind, würden sie dabei auch nur eine Sekunde über die möglichen Konsequenzen nachdenken?
KK
15. März 2023 @ 19:00
“Wir waren auf einer rein defensiven Routine-Mission, heißt es beschwichtigend in Washington. Das mag sein. Allerdings …Schon ein paar Ballons haben in Washington Panik ausgelöst!”
Das ist alles so billig, dass man sich nur wundern kann, dass Aberhundertemillionen immerhin einer intelligenten Spezies zugerechnete Individuen darauf hereinfallen.
Bzw. offenbar darauf hereinzufallen allzu bereit sind, denn man muss schon ganz aktiv, konsequent und regelrecht angestrengt wegschauen, um diese ganzen Widersprüche nicht zu bemerken… selbst die allzu beschönigenden Meldungen in der “tagesschau” und “heute” müssten doch einen nur halbwegs verständigen Geist aufhorchen lassen, so offenkundig ist diese ganze verlogene Bigotterie…
ebo
15. März 2023 @ 19:02
Nicht aufregen. Wer die amerikanische Brille aufsetzt und lieber über Überschwemmungen in Kalifornien informiert wird als über Massenstreiks in UK, Frankreich und Griechenland, wird das schon alles richtig verstehen 🙂 Die europäische Brille muß erst noch erfunden werden…
Thomas Damrau
15. März 2023 @ 18:13
Mit dem Konzept des Stellvertreterkriegs als Basis kann man mögliche Eingriffsszenarien anders unterscheiden:
– Wenn der Proxy auf die Siegesstraße eingebogen ist, besteht die Verlockung, gemeinsam mit dem Proxy dem Gegner den “endgültigen” Todesstoß zu versetzen. Im Falle des Ukraine-Kriegs: Falls die russische Armee einen ungeordneten Rückzug anträte, könnte die NATO gemeinsam mit der Ukraine nach Russland vorstoßen – in der gewagten Hoffnung, dass die russischen Entscheidungsstrukturen schon so paralysiert sind, dass der atomare Gegenschlag ausbleibt.
– Wenn der Proxy am Verlieren ist, stellt sich die Frage, ob man bereit ist, die Niederlage zu akzeptieren – vor allem, wenn der Konflikt zum “Kampf um den Fortbestand der eigenen Kultur” stilisiert wurde. Im Falle des Ukraine-Kriegs: Würde die NATO eine Eroberung Charkiws durch die russische Armee hinnehmen – oder sich veranlasst sehen, im Sinne der “gerechten Sache” die Waffe selbst in die Hand zu nehmen.
Beide Szenarien wären unkalkulierbar in ihren Konsequenzen.
ebo
15. März 2023 @ 18:38
Richtig. Ich schaue mehr durch die Nato-Brille. Allerdings scheint sich auch die US-Perspektive langsam zu verschieben. Man ist enttäuscht von der Ukraine und bringt ein (teilweises) Disengagement ins Spiel. Das kann natürlich auch ein taktisches Spielchen sein, um die EU noch mehr in den Krieg zu drängen – und die nächste “Etappe” in China vorzubereiten…