Die Merz-Regierung folgt Trump – und will andere mitziehen (“führen”)
Bevor er an die Macht kam, präsentierte sich Kanzler Merz als Vorreiter der europäischen Unabhängigkeit, auch von den USA. Kaum im Amt, folgt er US-Präsident Trump – genau wie seine Minister. Die anderen Europäer sollen mitziehen.
Als Erster fiel Merz um. Vor seiner Amtseinführung hat er sein zentrales Wahlversprechen – die Einhaltung der deutschen Schuldenbremse – gebrochen – um sich von Trump unabhängig machen zu können, wenigstens bei der Rüstung.
Von einer “neuen Sicherheitslage” und “akuter Gefahr” war die Rede, weil Trump den ukrainischen Präsidenten Selenskyj vorgeführt hatte. Prompt wurde die Schuldenbremse ausgesetzt, bei der Rüstung heißt es seither “Whatever it takes”.
Kaum im Amt, war alles vergessen. Bei seinem Antrittsbesuch in Kiew berief sich Merz sogar ausdrücklich auf Trump, als er neue Santionen gegen Russland und ein Ultimatum ankündigte. Plötzlich war der US-Präsident sein bester Buddy.
Danach kam Wadephul. Der neue CDU-Außenminister versuchte nicht einmal, sich von Trump abzusetzen. Trump halte fünf Prozent für Rüstung für notwendig, sagte Wadephul bei einem Nato-Treffen in Antalya. “Und wir folgen ihm da.”
Das war noch längst nicht alles. Deutschland sei bereit, „Vorbild zu sein“ und andere Nato-Partner aufzufordern, ebenfalls den USA zu folgen, sagte Wadephul. “Partnership in leadership” nannte man das früher. Trump kann zufrieden sein.
Auf derselben transatlantischen Linie ist die neue Bundeswirtschaftsministerin Reiche, ebenfalls CDU. Sie will die Beziehungen zu den USA „auch in Zukunft stärken und diese ausbauen“, sagte sie bei ihrem ersten Trip nach Brüssel.
Worte wie „Gegner“ würde sie nie in den Mund nehmen, „weil die Amerikaner, die USA, unser Partner bleiben“, erklärte Reiche. Trumps Handelskrieg, der sich auch gegen den Exportweltmeister Deutschland richtet, spielte sie herunter.
„Wir müssen verhandeln, wir müssen zu einer Lösung kommen, weil eine Eskalation keine Gewinner kennt“, so ihr Mantra. Ist es ein Zufall, dass EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen genauso denkt?
Nein, sie ist auch in der CDU – und spricht von der Aufrüstung bis zum Handel jeden Schritt mit Merz ab. Bleibt die Frage, wie die EU unter diesen deutschen Umständen so tun kann, als wolle sie sich von Trump emanzipieren…
Siehe auch Merz und von der Leyen: In der EU wird wieder deutsch gesprochen
P.S. Derweil warnt der frühere EU-Außenbeauftragte Borrell auf X:” Donald Trump is openly seeking to destroy Europe’s social, ecological, economic and democratic model. If we do not act now, and decisively, to stop him, the future of the EU risks to be bleak.”
Michael
16. Mai 2025 @ 14:42
Und werden die USA selbst den Etat von 3.4% auf 5% erhöhen? Oder werden die Erhöhungen der anderen NATO Mitgliedstaaten stattdessen angerechnet?
umbhaki
16. Mai 2025 @ 13:06
Vielleicht sollte man noch fix erwähnen, dass der neue Kanzler seine Kabinettsmitglieder zum Teil aus seinem alten Dunstkreis rekrutiert („Vetternwirtschaft“). Gemeint ist hier der CDU-nahe »Wirtschaftsrat«.
Herr Merz war da Vizepräsident bis zu seiner Wahl zum CDU-Chef 2022. Sein Nachfolger wurde ein gewisser Karsten Wildberger, der nun als Minister unsere Geschicke in Digitalangelegenheiten leitet.
Die neue Wirtschaftsministerin Katherina Reiche ist ebenfalls Mitglied in diesem erlauchten Kreis.
Dito der neue Chef des Verkehrsressorts, Patrick Schnieder.
Andere neue Mitglieder der Regierung in Reihe eins oder zwei stehend kommen aus Unternehmen und behalten teilweise ihre Positionen in den Unternehmen bei (z.B. der Agrarminister Alois Rainer, der „einen Gasthof mit Metzgerei“ führt).
Seitens der SPD sieht es übrigens nicht viel besser aus. Unser neuer Finanzminister und Witzekanzler ist ein „Seeheimer“ genau wie der neue Bundesminister für Umwelt, Klimaschutz, Naturschutz und nukleare Sicherheit, Karsten Schnieder und übrigens auch der SPD-Fraktionsvorsitzende.
Wir werden jetzt von einer reinen Lobbyisten-Truppe regiert. Und ich habe noch gar nicht ernsthaft recherchiert …
KK
16. Mai 2025 @ 12:45
Von Merz würde ich noch nicht mal einen Gebrauchtwagen kaufen, und jetzt darf er das ganze Land verscherbeln. Und wenn ihn andere Regierungschefs (einer wird bei seinem aufgeblasenen Ego sicher nicht reichen) daran hindert, in Komplizenschaft mit von der Leyen ganz EUropa.
european
16. Mai 2025 @ 09:23
Merz ist der ungeeignetste Kanzler den die CDU haette stellen koennen. Er ist in den 90ern stecken geblieben, als Deutschland noch eine massgebende Rolle gespielt hat. Besonders durch die Finanzkrise hat sich gezeigt, dass die EU fuer viele Teilnehmer ein Gefaengnis ist mit Deutschland als Gefaengniswaerter. Daher der Zulauf zu den rechtsaussen Parteien und eigene Wege fuer die Teilnehmerlaender. Siehe Irland mit den China-Abkommen, siehe Italien mit aehnlichen Wegen, siehe Ungarn, Slowakei, Rumaenien, Bulgarien uvm.
Die ever closer union alla Deutschland, CDU und von der Leyen wird ein Traum bleiben und in sich zerfallen.
Thomas Damrau
16. Mai 2025 @ 08:57
Ich habe an Herrn Wadephul ein Paket mit einem Taschenrechner geschickt, da er offensichtlich in der Grundschule den Rechenunterricht geschwänzt hat.
Also zum Nachrechnen
— Haushalt 2024 480 Milliarden
— BIP 2024 4300 Milliarden (https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1251/umfrage/entwicklung-des-bruttoinlandsprodukts-seit-dem-jahr-1991/)
5% des BIP sind 215 Milliarden und wären 44,8% des Haushalts 2024.
Nun gibt es natürlich den berühmten Blankoscheck für Rüstung. Nehmen wir also mal an, dass von den 5% nur 2% aus dem Haushalt kommen und der Rest als Schulden aufgenommen wir: Macht 139 Milliarden Schulden pro Jahr.
Stellt sich die Frage, wie lange wir auf 5% bleiben wollen. Für immer? Kaum möglich: Die eitle Hoffnung, dass Wirtschaftswachstum neues Geld in die Kassen spülen wird, ist ein Catch22 ( https://de.wikipedia.org/wiki/Catch-22_(Dilemma) ). Wenn das BIP steigt, müssten ja auch die Rüstungsausgaben steigen – und auch der relative Anteil am Bundeshaushalt wird sich vermutlich nicht ändern.
Gehen wir mal von gleichbleibender Schuldenaufnahme für Rüstung über 10 Jahre aus: Macht 1390 Milliarden Schulden. Bei 2% Schuldzins müssten im Jahr 2035 27,8 Milliarden an Zinsen gezahlt werden – von Tilgung reden wir besser gar nicht. Nehmen wir weiter an, der Bundeshaushalt habe sich bis 2035 auf 556 Milliarden erhöht. Die Zinszahlung für die Rüstungsschulden würden dann 5% des Bundeshaushalts auffressen.
Die spinnen, die Römer! Um mal Obelix zu zitieren.
PS: Wir können die Berechnung auch mit anderen Annahmen durchführen: Es bleibt Wahnsinn. Wir können nicht das amerikanische Modell nachahmen:
— sich im Wesentlichen über militärische Stärke definieren
— neues Geld drucken, wenn die Kasse leer ist
ebo
16. Mai 2025 @ 09:16
Nah bisherigen Angaben soll “nur” ein Prozent aus dem Bundeshaushalt kommen. Der Rest sind neue Schulden.
Thomas Damrau
16. Mai 2025 @ 09:37
Danke für den Hinweis.
Wie ich geschrieben habe: Wir können mit anderen Annahmen starten (4% Rüstungsschulden wären natürlich noch fataler) -> die Folgen für die Gesellschaft wären im günstigsten Szenario tödlich.
Wir können in der EU staatliche Aktivitäten nicht auf US-amerikanische Verhältnis runter-strippen (auch wenn so mancher AfD-Fan, FDPler und wirtschaftsnaher CDUler sich das in ihren feuchten Träumen so vorstellen): Die Europäer sind einen aktiven Staat gewohnt, der für Infrastruktur und ein Minimum an sozialem Ausgleich sorgt.
Wenn dafür das Geld ausgeht, wird die Radikale Mitte ( https://redfirefrog.wordpress.com/2024/03/02/das-glaubensbekenntnis-der-radikalen-mitte/ ) noch weit unter die 56% Zustimmung bei den Wählern fallen, die sie heute noch repräsentiert( https://dawum.de/Bundestag/ ).
Skyjumper
16. Mai 2025 @ 10:57
“Nehmen wir weiter an, der Bundeshaushalt habe sich bis 2035 auf 556 Milliarden erhöht. Die Zinszahlung für die Rüstungsschulden würden dann 5% des Bundeshaushalts auffressen.”
Ich sehe da das ein oder andere klitzekleinen Berücksichtigungsmanko, da wir nicht ausschließlich die zusätzlichen Rüstungsschulden sehen dürfen:
+ da gibt es noch die bereits vorhandenen Schulden – lächerliche 2,4 Mrd.
+ da gibt es die regelmäßigen neuen, “normalen” Schulden von 3 % des BIP
+ da gibt es die 500 Mrd. zusätzliche Schulden für das Investitionsprogramm
Dann sprechen wir wahrscheinlich schon eher über 100 Mrd. € an jährlichen Zinslasten im Bundeshaushalt. Wenn, ja wenn die Käufer der Anleihen denn dann überhaupt noch bereit sind so eine Ramschanleihe für 2% zu kaufen.
Skyjumper
16. Mai 2025 @ 13:06
ups. Bei der 1. Position (vorh. Schulden) sind gleich 2 Fehler drinnen. Zum einen sprechen wir da nicht über Milliarden, sondern Billionen. Zum anderen darf ich da nur die Bundesschulden nehmen. Korrekt wäre daher 1,65 Billionen.
Die Zinslasten müsste ich dann auch korrigieren. Das geht dann wohl eher in Richtung 85 Mrd. p.a.
Arthur Dent
18. Mai 2025 @ 23:09
@Thomas Damrau
Nun, einen Taschenrechner braucht er gar nicht – er hat sich einfach der Meinung Donald Trumps angeschlossen. Warum plötzlich fünf Prozent? Eine Begründung hab ich nicht gehört, vom Verteidigungsminister hab ich auch nichts gehört, vom Parlament auch nicht. Was soll angeschafft werden? Einen oder zwei Flugzeugträger vielleicht, damit Deutschlands Freiheit auf der ganzen Welt verteidigt werden kann?
Guido B.
16. Mai 2025 @ 08:11
Apropos „Alternativlosigkeit“:
Demokratie ist die Staatsform der gleichberechtigten Alternativen und des freien Meinungswettbewerbs. Wer das Wort „alternativlos“ im Munde führt, hat das Wesen der Demokratie nicht verstanden oder will sie abschaffen.
Merke:
Sowohl als auch = Demokratie = gesund
Entweder oder = Totalitarismus = ungesund
Diversität und Pluralismus beleben eine Gesellschaft. Konformität und Uniformismus ersticken eine Gesellschaft. Wer etwas als „alternativlos“ darstellt, will Gleichschaltung (im Sinne von Monokultur). Wir wissen, was herauskommt, wenn sich jemand zum Führer einer gleichgeschalteten Gesellschaft aufschwingen will. Die Mode mag sich in den letzten 100 Jahren geändert haben. Bei den Gesinnungen bin ich mir nicht so sicher.
Guido B.
16. Mai 2025 @ 07:14
Es wird seit 2022 viel über Partnerschaft geredet. Die EU beschwört die Partnerschaft mit den USA. Russland beschwört die Partnerschaft mit China.
Die Geopolitik ist noch nicht bereit für Multipolarität. Sie fällt zurück in den Kalten Krieg mit zwei verfeindeten Blöcken und einem Eisernen Vorhang. Das ist der Mindset der politischen Leader.
Die wirtschaftlichen Leader (Konzerne) haben diesen Mindset schon lange hinter sich gelassen. Die Globalisierung der Wertschöpfung ist das wirtschaftliche Ebenbild der Multipolarität.
Trump redet wie ein politischer Leader und handelt wie ein wirtschaftlicher. Er will das Staatliche überwinden, um das Geschäftliche zu entfesseln.
Für die Geopolitik ist Trump ein Gewinn. Die europäischen Politiker sollten sich an ihm ein Beispiel nehmen. Jede Nation ist aufgefordert, im besten Eigeninteresse zu handeln. Die ideologische Blockbildung kastriert die Freiheit der Nationen. Sie hindert die Nationen an ihrer Entwicklung. Die EU und vdL sind der Inbegriff für ideologische Blockbildung. Die Freiheit der Nationen wird reguliert von zentralistischen ideologischen Führern, die eine multipolare Welt verhindern wollen, weil sie Angst vor dem globalen Wettbewerb haben.
Die Europäer sind Geopolitiker des Eisernen Vorhangs, Trump ist Geopolitiker des globalen Wettbewerbs. Er will verhandeln und gewinnen. Die Europäer wollen ausgrenzen und dominieren.
Es ist eine Frage des Mindsets.
Ute Plass
16. Mai 2025 @ 11:46
Immer wieder wichtig, die “Demokratiefrage” zu stellen:
”
Wer ist eigentlich für die Gesellschaft verantwortlich? – Für unsere Gesellschaft als Ganzes?”
https://www.youtube.com/watch?v=Xc1XVJR48Ek
Skyjumper
16. Mai 2025 @ 19:36
Eine, meiner Betrachtung nach, recht gute Analyse. Jedoch fehlt die entscheidene Schlußfolgerung, das Demokratie nicht ohne volle Eigenverantwortung auskommen kann. Und das eben auch im negativen Sinne, also: es geht mir nicht gut, und nur ich bin Schuld und kann daraus keine Ansprüche gegen andere Ableiten. Es gibt bestenfalls Almosen.
Diese Grundvoraussetzung für eine funktionierende Demokratie ist durch die zunehmende Verklärung der Demokratie in Vergessenheit geraten. Wir beziehen uns zwar gerne auf „die“ Demokratie der Antike, wir negieren aber dabei völlig, dass die antiken, griechischen Stadtstaaten ein wirklich vollkommen anderes Verständnis der demokratisch-berechtigten Staatsbevölkerung hatten als wir es heute pflegen.
Zum besseren Verständnis – und vorausgesagt sei, dass es DIE Demokratie nicht gab, es gab viele unterschiedliche, und im steten Wandel befindliche Systeme – am Beispiel Athens, bzw. des attischen Staates um 500 v.C. zum Höhepunkt der Demokratie:
Bevölkerung des Staatsgebietes: ~ 300.000 Menschen
Bürger mit Bürgerrechten: ~ 30.000 Bürger
Von den Bürgern hatten ~ 300 (reiche) das passive Wahlrecht zu hohen Ämtern, ca. 900 (besser gestellte) das passive Wahlrecht zu mittleren Ämtern, und ca. 8.000 das Aktivrecht zur Teilnahme an der Volksversammlung. Das war‘s. Mit Demokratie wie wir sie heute definieren hatte das quasi nichts zu tun.
Arthur Dent
18. Mai 2025 @ 22:54
@Ute Plass
zur Demokratiefrage – vielleicht müssen wir erst einmal die Demokratie demokratisieren. Dazu müssen wir den obsolet gewordenen Begriff der Volkssouveränität wiederbeleben. Souverän ist nicht der Staat, sondern das Volk, nicht als Ethnos, sondern als Demos, nicht als Volks- sondern als Rechtsgemeinschaft. Also als ein im Prinzip heterogenes Kollektiv von Staatsbürgern, die sich selbst ein Gesetz (Verfassung) geben, unter dem sie leben wollen. (In Deutschland war das anders – dem Volk wurde das Grundgesetz von der Obrigkeit überreicht, wie Moses die Zehn Gebote. Väter und Mütter des Grundgesetzes wurden nicht gewählt, sie wurden ernannt. Eine Volksabstimmung zum GG hat es auch nicht gegeben – schon die Präambel ist gelogen).
Nicht das verfassungsgebende Volk ist an die Verfassung gebunden, sondern die Staatsapparate: Regierung, Verwaltung, Gerichte. In Deutschland werden die Dinge auf den Kopf gestellt, wenn der Schutz der Verfassung Aufgabe eines Inlandsgeheimdienstes sein soll.