Linke flirtet mit Mélenchon, Grüne pokern mit v.d. Leyen
Noch eine Überraschung im Europaparlament: Nachdem sie „Nein“ zu Von der Leyen gesagt haben, gehen die Linken auf Kooperationskurs mit dem französischen EU-Gegner Mélenchon. Derweil pokern die Grünen um Jobs.
Rund vier Wochen hat es gedauert, bis die Führungskrise bei den europäischen Linken beigelegt war. Doch nun ist es raus: Die Fraktion wird künftig von Martin Schirdewan (Die Linke) und Manon Aubry von der Bewegung „La France insoumise“ geführt, die Mélenchon gegründet hat.
Es ist die erste Kooperation zwischen den im EU-Vergleich eher gemäßigten deutschen Linken und der radikalen französischen Linksbewegung, die mit den „Gelbwesten“ sympathisiert und schon mal den Austritt aus der EU propagiert. Bisher gab es wenig Berührungspunkte, umso mehr Friktionen.
So sind die Mélenchon-Genossen nach 2015 auf Distanz zu den europäischen Linken gegangen, weil diese auch nach dem dritten Bailout treu zum griechischen Premier Alexis Tsipras hielten. Der deutsche Linkspolitiker Gregor Gysi hat versucht, zu vermitteln, doch das Mißtrauen blieb.
Kann es nun überwunden werden? Oder ist die neue Doppelspitze ein Formel-Kompromiss? Wir wissen es (noch) nicht. Klar ist nur, dass sich beide als Opposition zur „neoliberalen“ EU und ihrer neuen Kommissionschefin verstehen. Derweil strecken die Grünen schon wieder ihre Fühler aus.
Das Stimmgewicht der Grünen bei der Europawahl entspreche „vier Kommissaren“ in von der Leyens 28-köpfiger Kommission, sagte Ko-Fraktionschef Philippe Lamberts. „Wenn sie uns wollen, müssen sie bezahlen.“ Der Belgier betonte, es gehe den Grünen „an erster Stelle um das Programm“.
Damit verbunden seien aber „Positionen mit Verantwortung“ in der EU-Exekutive. Ob schon Sondierungs-Gespräche laufen? Die europäische Klimabank, die die neue Kommissionschefin angekündigt hat, wäre bestimmt prima zur Umsetzung grüner Positionen geeignet…
Siehe auch „Warum Grüne und Linke ‚Nein‘ sagen“ und „Die Grünen und die Macht in Brüssel“
Georg Soltau
19. Juli 2019 @ 14:28
@Kleopatra, Ihre Beiträge enthalten häufig wichtige Informationen über die relevanten vertraglichen Grundlagen der EU. Vielen Dank für diese Informationen, die sind sehr hilfreich.
Peter Nemschak
19. Juli 2019 @ 08:59
Die Grünen in Deutschland sehen sich schon als die Erben von CDU und SPD und anderer Zentrumsparteien in Europa. Dieses Hochgefühl ist ihnen zu Kopf gestiegen. Allein deshalb verdienen sie das Misstrauen der Wähler.
Kleopatra
18. Juli 2019 @ 20:55
Die Vorstellung in dem Zitat von Philippe Lamberts, das Stimmgewicht der Grünen bei der Europawahl entspreche “vier Kommissaren” in von der Leyens 28-köpfiger Kommission . “Wenn sie uns wollen, müssen sie bezahlen.” enthält zwei Denkfehler:
1) Die Quote, nach der Kommissarsposten zugeteilt werden, ist nicht die Fraktionsgröße im Parlament, sondern das Prinzip, dass jedes Land einen Kommissar benennen kann.
2) EU-Rechtsakte können zwar nicht ohne die Zustimmung einer Mehrheit des Rates, sehr wohl aber ohne Zustimmung des Parlaments erlassen werden. (Solange nicht eine Mehrheit der Abgeordneten gegen einen Rechtsakt stimmt oder eine konkrete Änderung fordert, kann der Rechtsakt in der vom Rat beschlossenen Fassung in Kraft treten).
Aus dem zweiten Grund ist es nicht die Kommission, die um das Parlament werben muss, sondern die grüne Fraktion, die im Parlament mit möglichst vielen anderen Fraktionen zusammenarbeiten muss; andernfalls hat sie keinerlei Einfluss.