Die kommende Krise
Die Konjunkturaussichten für 2019 sind eh’ schon mau. Doch nun droht der EU und Deutschland auch noch ein Doppelschock: Der Brexit und die neuen US-Strafzölle auf (vorwiegend deutsche) Autos. Kommt die große Krise?
Das hängt vom Timing ab, sagen Experten wie W. Münchau. Wenn der Brexit geordnet verläuft und US-Präsident Trump mit seinen Autozöllen zögert, könnte die Sache noch glimpflich ausgehen.
EU economy could face simultaneous threat of US car tariffs and hard Brexit. This raises important strategic issues for EU, UK and US. – https://t.co/VKWTz4IeXi
— Wolfgang Munchau (@EuroBriefing) 19. Februar 2019
Wenn es hingegen zum chaotischen Brexit-Crash kommt und Trump kurz davor oder danach auch noch den Zollhammer schwingt, könnte dies eine neue Krise auslösen, vielleicht sogar eine Rezession.
Doch das ist mir zu kurz gedacht. Wir haben es nicht mit kurzfristigen, konjunkturellen Risiken zu tun, sondern mit langfristigen, strukturellen Problemen. Jenseits der aktuellen, durchaus disruptiven Konflikte kommen zwei brisante Mega-Trends zusammen.
Der eine Trend ist, dass der Freihandel und die Liberalisierung der Märkte an ihre Grenzen stoßen. Die USA machen dicht, fast alle anderen Märkte sind schon offen, neue Handelsabkommen bringen kaum noch Extra-Wachstum.
Das neoliberale Paradigma, dem die EU immer noch nachhängt (“Wir sind die Champions des Freihandels”), läuft sich tot. Deshalb greifen die Abkommen auch immer tiefer in die Politik ein – Zollschranken aufheben reicht nicht mehr.
Der zweite Trend ist, dass Deutschland “das China der Eurozone” geworden ist, immer größere Exportüberschüsse erzielt und sich dabei immer mehr von der EU abkoppelt. Die wichtigsten Kunden sind jetzt die USA und China, Frankreich ist abgeschlagen.
Doch auch der Exportweltmeister kann nicht ewig so weiter machen. Deutschland hat gigantische industrielle Überkapazitäten aufgebaut, die eines Tages wie eine Blase platzen werden. Berlin könnte dann versuchen, sie auf Europa abzuwälzen.
Doch die EU-Staaten verfolgen – auf deutschen Druck – genau dieselbe Strategie: Wachstum durch Export, auf Teufel komm raus! Hier ist ein schwerer innereuropäischer Konflikt angelegt, der früher oder später ausbrechen wird.
Selbst wenn es Deutschland gelingen sollte, die EU gefügig zu halten: Irgendwann macht sich das Export-Modell selbst kaputt, weil den deutschen Überschüssen französische oder italienische Defizite gegenüberstehen.
Eines nicht mehr allzu fernen Tages werden die Importeure nicht mehr in der Lage sein, ihre Schulden zu bezahlen. Es ist die kommende Krise – das deutsche Europa stößt an seine inneren, hausgemachten Widersprüche.
Der Brexit und Trump sind nur ein Vorgeschmack, fürchte ich…
Siehe auch “Die Malaise im Binnenmarkt”
Peter Nemschak
21. Februar 2019 @ 14:59
@Holly 01 Sicher wird es das. Der Weltuntergang, wie Sie in sich vorstellen, wird im April 2019 nicht stattfinden. Der harte BREXIT als Möglichkeit ist längst eingepreist, zumindest bei den Banken, Großunternehmen und Zentralbanken. Den Handelsstreit mit China und der EU gibt es schon lange. Seit Trump wird er bloß im Schaufenster und mit weniger diplomatischen Worten geführt. Mir scheint, Sie trauern der stabilen Weltordnung während des Kalten Kriegs nach. Ohne klar definierten Hegemon kommt eine multilaterale Ordnung schnell ins Wanken. Es wäre gelogen zu behaupten, dass wir in Westeuropa von der pax americana nicht profitiert hätten.
Holly01
21. Februar 2019 @ 22:18
„Mir scheint, Sie trauern der stabilen Weltordnung während des Kalten Kriegs nach“
Das ist eine steile These. Wo leiten Sie das denn ab?
Die Nachkriegsordnung hatte eine Menge Verlierer und die Amis haben ganz sicher ihren Schnitt gemacht.
vlg
Baer
21. Februar 2019 @ 11:54
Ein durch reale Werte hinterlegtes Geld hätte eine derartige Verschuldung der Welt überhaupt nicht ermöglicht.DieNutzniesser dieses Systems sind diejenigen, die zuerst an das aus dem Nichts geschaffenen Geld kommen und damit reale Werte erwerben.
Diese Ausbeutungsmaschinerie dient alleine dem Zweck der Gewinnmaximierung der Plutukraten.Damit muss endlich Schluss sein
Dieses Imperium USA ist in seiner Endphase mit möglicherweise tödlichen Folgen für die Menschheit.
Aber lieber ein Ende mit Schrecken,als ein Schrecken ohne Ende.
Plutokratie und Politik in der jetzigen Form bedarf einer dringenden Korrektur.
Zombiebanken und Zombie unternehmen würde es mit einem ordentlichen Geldsystem nicht geben.
Holly01
20. Februar 2019 @ 21:28
Das Problem ist der Kontrollverlust der USA.
Wenn der Hegemon sich nicht mehr durchsetzen kann und sich Systeme, wie Personen verselbstständigen dann kommt es zu Kaskadeneffekten.
Die USA können keinen großen Krieg führen. Wäre es anders, gäbe es die Einflußverluste in Venezuela, Afghanistan und Syrien überhaupt nicht.
Die FED ist einen Blick wert. Laut DWN hat Yellen verkündet, der Zinszyklus werde abgebrochen (keine Erhöhungen mehr obwohl vorher angekündigt) UND die Bilanzverkürzung der FED wird beendet.
Es gibt eine Regel: Wette nie gegen die Notenbank. Notenbanken sind allmächtig und die FED die Notenbank der Notenbanken. Uneingeschränkte Finanzmacht.
Nun KANN die FED ihre Politik nicht mehr durchsetzen?
Wenn die Notenbank der Leitwährung die Kontrolle verliert, gibt es eine Flucht aus der Leitwährung.
Folge ist eine massive Inflation. Damit brechen alle Märkte die auf Dollar lauten zusammen. Niemand gibt zB Rohstoffe für eine Währung ab, die hyperinflationiert.
Sollten die Amis mit den ganzen Konflikten die sie losgetreten haben nicht klar kommen und ist der Geldzufluß in Richtung USA weiterhin der artig gestört, dann wird das auch für die USA unkontrollierbar.
Ein extrem verschuldeter und monetär extrem überdehnter Hegemon, verliert die Kontrolle über seine eigene Währung und damit über die Leitwährung.
Popcorn?
Was wir in Europa sehen ist nur etwas Verwirrung. Mit dem was eine post hegemoniale Zeit mit sich bringt weit weit entfernt, aber schon jetzt durchaus bemerkenswert.
vlg
ebo
21. Februar 2019 @ 00:07
Die USA führen einen Wirtschaftskrieg, auch gegen Europa. In Deutschland glaubt man aber immer noch, mehr Freihandel sei die Lösung. Dabei ist der deutsche Leistungsbilanz-Überschuss ein wichtiger Teil des globalen Problems – er ist mittlerweile größer als von Japan und Russland zusammen!
Holly01
21. Februar 2019 @ 00:27
Sehr sehr spannend, wird das FED System die Erschütterungen aus dem Brexit und den Wirtschaftskriegen verkraften?
Der April 2019 wird interessant.
vlg
Peter Nemschak
20. Februar 2019 @ 17:43
Die Handelsbilanz Deutschlands mit den USA ist ziemlich ausgeglichen, was Trump übersieht. Dass die sogenannten Importeure nicht wettbewerbsfähig sind, lassen manche Kritiker gerne unter den Tisch fallen. Was die Reformvorschläge für Italien betrifft, siehe die Ausführungen von Ch. Lagarde, Chefin des IMF.
Peter Nemschak
20. Februar 2019 @ 17:21
Korrektur: ich meinte die Leistungsbilanz. Trump schaut nur auf die Handelsbilanz. Was machen wir, wenn die Krise nicht kommt?
ebo
20. Februar 2019 @ 19:49
Sie ist doch schon da. Deutschland ist haarscharf an der Rezession vorbei geschrammt. Und glauben Sie etwa, die Exporte könnten ewig weiter wachsen?
Peter Nemschak
21. Februar 2019 @ 10:00
Konjunkturen sind zyklisch. Deutschland hat auch jede Menge Importe, Güter und vor allem Dienstleistungen aus allen Teilen der Welt. Sie denken ähnlich wie Corbyn in statischen planwirtschaftlichen Kategorien. Das System der WTO hat sich auf Grund der wirtschaftlichen Entwicklung der Welt überholt und gehört reformiert. Nachdem dies angesichts der vielen Mitgliedsstaaten (über 190 !) und Interessenskonflikte nicht möglich ist, werden alternative Wege beschritten werden. Irgendwann wird sich ein Block von USA, China, Japan und EU herausbilden, welcher auf Grund seiner Stärke und kritischen Masse das System neu definieren wird. Die anderen werden sich anpassen müssen. Multilateralismus heißt nicht, dass alle dasselbe Gewicht und denselben Einfluss haben. Der Wettbewerb der Staaten um Macht und Einfluss ist die Konstante in einer sich ändernden Welt, Ungleichheit der Motor. Ist es auf nationaler Ebene etwa anders?
ebo
21. Februar 2019 @ 10:09
Haben Sie den Artikel überhaupt gelesen? Es geht ja gerade nicht um die konjunkturellen Probleme.