Würden Sie diesen Vertrag unterschreiben?

Der Entwurf für den Brexit-Vertrag hat die britische Regierung in die Krise gestürzt und viele Briten schockiert. Selbst schuld – wir haben Euch ja gleich gesagt, dass der Brexit nur Nachteile bringt, heißt es in Brüssel. Doch so einfach ist es nicht.

Natürlich haben die führenden Brexiters den Briten Lügenmärchen erzählt. Dass sie keine EU-Beiträge mehr zahlen müssen, ihr marodes Gesundheitssystem sanieren können und ganz schnell von ganz viel Freihandel profitieren – alles Bullshit.

Heute würde man „Fake News“ dazu sagen. Doch damals – beim EU-Referendum 2016 – wagte es kein einziger EU-Spitzenpolitiker, den Lügen von Farage & Co. zu widersprechen. Und niemand sagte den Briten, was sie beim Brexit erwarten würde.

Die Wahrheit ist, dass die EU auf ein „No“ nicht vorbereitet war – und dass sich ihre Position im Laufe der Verhandlungen immer mehr verhärtet hat. 2016 wußte auch in Brüssel niemand, wie es 2018 enden würde.

Nun liegt der fertige Austrittsvertrag auf dem Tisch – und er enthält selbst für die EU-Profis in Brüssel und eingefleischte EU-Anhänger in London einige unangenehme Überraschungen.

Der größte Knackpunkt ist wohl, dass Großbritannien womöglich dauerhaft in einer Zollunion mit der EU verbleiben muss. Die ist im neuen „Backstop“ für Irland vorgesehen – der Austritt ist nur einvernehmlich möglich.

„May accord leaves Britain bound to Brussels“, analysiert die FT. Der „Spectator“ geht noch weiter – und präsentiert die „Top 40 horrors“, die der Vertragsentwurf aus britischer Sicht enthält. Hier nur die ersten fünf:

  1. From the offset, we should note that this is an EU text, not a UK or international text. This has one source. The Brexit agreement is written in Brussels.
  2. May says her deal means the UK leaves the EU next March. The Withdrawal Agreement makes a mockery of this. “All references to Member States and competent authorities of Member States…shall be read as including the United Kingdom.” (Art 6). Not quite what most people understand by Brexit. It goes on to spell out that the UK will be in the EU but without any MEPs, a commissioner or ECJ judges. We are effectively a Member State, but we are excused – or, more accurately, excluded – from attending summits. (Article 7)
  3. The European Court of Justice is decreed to be our highest court, governing the entire Agreement – Art. 4. stipulates that both citizens and resident companies can use it. Art 4.2 orders our courts to recognise this. “If the European Commission considers that the United Kingdom has failed to fulfil an obligation under the Treaties or under Part Four of this Agreement before the end of the transition period, the European Commission may, within 4 years after the end of the transition period, bring the matter before the Court of Justice of the European Union”. (Art. 87)
  4. The jurisdiction of the ECJ will last until eight years after the end of the transition period. (Article 158).
  5. The UK will still be bound by any future changes to EU law in which it will have no say, not to mention having to comply with current law. (Article 6(2))

Auf gut deutsch: Dieser Vertrag trägt keine britische Handschrift, er ist kein Kompromiss – Brüssel hat sich auf ganzer Linie durchgesetzt (1). Für die Übergangszeit nach dem Brexit gelten alle – auch die neuen – EU-Regeln in UK weiter (2 und 5). Sogar noch 8 Jahre nach dem Ende der Übergangsperiode bleibt der EuGH die höchste rechtliche Instanz (3 und 4).

Hand aufs Herz: Kann man das wirklich als „Austritt aus der EU“ bezeichnen? Und, wenn Sie Brite wären: Würden Sie einen solchen Vertrag unterschreiben?

Siehe auch: Top secret: Wie der Brexit-Deal zustande kam“