Die gelähmte Union
Ist die Europäische Union eigentlich noch handlungsfähig? Beim EU-Gipfel präsentiert sie sich zwar wieder mit einer prall gefüllten Agenda. Doch die Chefs wirken wie gelähmt, die Politik dreht sich im Kreis.
Das gilt nicht nur für die Besetzung von Topjobs, um die ein beispielloser Machtkampf entbrannt ist. Auf allen Ebenen kämpfen die EU-Politiker mittlerweile um die Nachfolge von Jean-Claude Juncker & Co.
Es gilt auch für die Außenpolitik, die ganz oben auf die EU-Agenda gerückt ist. Die Einmischung Russlands in der Ukraine und die Gasbohrungen der Türkei vor Zypern werden zum Gipfel-Thema.
Doch die Chefs handeln nicht, sie setzen einfach nur ihre längst gescheiterte Politik fort. So werden die Sanktionen gegen Russland verlängert, und die EU droht der Türkei erneut “angemessene Maßnahmen” an.
Das geht schon seit Jahren so, gebracht hat es nichts. Die eigentliche Herausforderung – der Aufmarsch der USA im Nahen Osten und das Scheitern des Atomabkommens in Iran – gehen die EUropäer nicht an.
Dabei wäre es höchste Zeit, um die drohende Eskalation abzuwenden. Die EU müßte ihre Versprechen an Iran umsetzen und gleichzeitig die Tonart gegenüber den USA verschärfen. Doch das tut sie nicht.
Wie gelähmt wirkt die Union auch in der Wirtschafts- und Finanzpolitik. Zwar rechnen Verantwortliche in Brüssel mit “dramatischen” Entwicklungen, ein harter Brexit und neue US-Strafzölle drohen.
Doch der EU-Gipfel greift diese Sorgen nicht auf. Lieber feilscht er erneut um Details des so genannten Eurozonen-Budgets, das längst zur Lachnummer verkommen ist (das steht Freitag auf dem Programm).
Und der Brexit? Da reicht es gerade mal für einen “Infopoint” am Freitagnachmittag kurz vor dem Gipfel-Ende, bei dem die Chefs ihre altbekannten Positionen bekräftigen wollen.
Dass der Austrittsvertrag gescheitert ist und sich in London ein Hasardeur darauf vorbereitet, den Brexit mit der Brechstange durchzuziehen, scheinen Merkel & Co. zu ignorieren…
Siehe auch “So viel Machtkampf war nie” und “Patt im Personalpoker”
Was sonst noch auf dem Gipfelprogramm steht
Was nicht auf dem Gipfelprogramm steht
Watchlist
- Verstößt die polnische Justizreform gegen EU-Recht? Dazu äußert sich der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs. Es geht um die Änderung der Ruhestandsregeln für Richter an ordentlichen Gerichten und die neue Befugnis des polnischen Justizministers, über die Verlängerung von Dienstzeiten zu entscheiden.
Was fehlt
- Die waghalsigen Manöver der Grünen in Brüssel. Nach dem Erfolg bei der Europawahl hätte man erwarten können, dass die Öko-Partei harte Forderungen beim Umwelt- und Klimaschutz stellt. Das tut sie auch – doch gleichzeitig unterstützen die (vor allem deutschen) Grünen den CSU-Spitzenkandidaten Manfred Weber.
- Eine “progressive Allianz” gegen Weber habe keine Chance, heißt es zur Begründung. Und Weber könne die konservative EVP vielleicht ein wenig modernisieren. Zur Sicherheit fordern die Grünen aber auch EU-Topjobs. Ihre Spitzenkandidatin Ska Keller könne Parlamentspräsidentin werden – oder Außenbeauftragte…
Oudejans
20. Juni 2019 @ 09:59
>>”… doch gleichzeitig unterstützen die (vor allem deutschen) Grünen den CSU-Spitzenkandidaten Manfred Weber.”
Wäre das nicht eigentlich mehr ein Aufmacher als Fernerliefen?
ebo
20. Juni 2019 @ 10:14
Wieso? In Deutschland läuft es doch genauso. Wer sind denn die größten Merkel-Fans, und wer drängt denn zur Macht?
Peter Nemschak
20. Juni 2019 @ 10:47
Mit der SPD und den Linken ist kein Staat zu machen. Das wissen die Grünen. Sie dürfen nicht zu weit nach links ausscheren sondern müssen für die Bürgerlichen attraktiv bleiben. In Österreich müssen sie sich von den rechtsliberalen NEOS unterscheiden und sind daher politisch links von der Mitte.
Oudejans
20. Juni 2019 @ 17:49
Merkel ist ja meines Wissens nicht CSU…
Übrigens gestern Goslar, und heute Personalvorschläge, auch anrüchig.
Baer
20. Juni 2019 @ 09:11
Ich erinnere mich an eine Aussage von JC Juncker bez.der hohen Vergütung in der europäischen Politszene.Er sagte :“ Wer die Besten will muss auch bestens bezahlen.“
Wenn es wirklich danach gehen würde,wäre Brüssel bereits verarmt.
Die Unfähigkeit der handelnden Personen würde in der freien Wirtschaft zur sofortigen Entlassung wegen erwiesener Inkompetenz führen.
Das Verhalten den USA , und ihrer aggressiven Kriegspolitik gegenüber gehört nach DenHaag,
Aber nichts passiert.
Wer Verträge bricht , den Wohlstand der Völker vernichtet,und Kriegseinsätze aktiv mitbetreibt hat auf ganzer Linie versagt.Warum sollten Versager weiter hoch bezahlt werden.
Es wird Zeit für einen grundlegenden Wechsel,denn sonst fliegt uns das gesamte Konstrukt mit einem Riesenknall um die Ohren.
Wollen wir das? Ich nicht.
Peter Nemschak
20. Juni 2019 @ 08:25
Ein hard-BREXIT bedeutet weder das Ende des UK noch der EU. Nachdem die europäische Wirtschaft ungleich größere Interessen in den USA als im Iran hat, kann die EU real für den Iran wenig tun. Gegenüber Russland besteht solange kein Handlungsbedarf als sich Russland aus der Ostukraine nicht zurückzieht bzw. seine Unterstützung für die Separatisten nicht beendet. In Sachen Bankenunion könnte sich Deutschland mehr bewegen allerdings als Gegenleistung verlangen, dass Staatsanleihen von EU-Ländern in den Bankbilanzen ratingabhängig mit Eigenkapital zu unterlegen ist.