China wird zur Obsession – auch für die EU

In unserer Sommerserie greifen wir die wichtigsten europapolitischen Themen dieses Jahres auf – und fragen, was daraus geworden ist. Teil 6: Die Obsession mit bzw. gegen China.

Repost vom 14. Juni 2021. Aktuelle Ergänzungen und Kommentare sind kursiv markiert.

Am Sonntag bei der G7, am Montag bei der Nato, schließlich (am Dienstag) bei der EU: Immer wieder spricht US-Präsident Biden bei seiner Europa-Reise über China. Das Reich der Mitte ist zur amerikanischen Obsession geworden.

Kein Wunder: China ist wesentlich besser als die USA durch die Pandemie gekommen, die Wirtschaft wächst schneller, und bei Impfstoffen und Infrastruktur-Projekten hat Peking auch die Nase vorn.

Die G7 haben nun beschlossen, die Aufholjagd zu beginnen – was eine gute Sache sein kann, denn Konkurrenz belebt das Geschäft. Und solange es um Vakzine, Straßen und Bahnnetze geht, können alle profitieren.

Problematisch ist allerdings, dass sich ein kleiner Club – die G7 – zur Weltregierung aufschwingt. Nach dem Debakel mit Ex-Präsdient Trump wäre ein wenig mehr Demut angebracht.

Zudem ist es ein Widerspruch in sich, wenn die USA und die EU die “Rückkehr des Multilateralismus” feiern – und dann zu Gericht über eines der wichtigsten Länder dieser Welt sitzen.

So wird der Multilateralismus ad absurdum geführt

China hat denn auch deutliche Kritik am G7-Format geübt. “Die Zeiten, in denen weltweite Entscheidungen von einer kleinen Gruppe von Ländern getroffen wurden, sind lange vorbei”, sagte ein Sprecher der chinesischen Botschaft in London.

Alle Staaten, egal ob groß oder klein, stark oder schwach, arm oder reich, seien gleich. “Weltpolitische Angelegenheiten sollten durch Beratungen aller Länder geregelt werden”, betonte der Sprecher.

Noch problematischer ist es, dass Biden nun auch noch die Nato und die EU in Stellung gegen China bringen will. Die Nato ist eine “Nordatlantische Allianz”, soll aber im Indopazifik für Ordnung sorgen.

Wird unsere Freiheit jetzt im Indopazifik verteidigt?

“Global Nato nennt man das jetzt. Dabei ist immer noch nicht klar, inwieweit China eine Bedrohung für die USA oder die EU sein soll. Wird unsere Freiheit jetzt auch im Indopazifik verteidigt – und wenn ja, gegen welche Gefahr?

Etwas klarer ist hingegen, welche Rolle der EU in diesem Spiel zugedacht ist. Sie soll sich um Russland kümmern, damit die Amerikaner freie Hand in Asien haben. Plötzlich lobt sogar Biden die “europäische Säule” in der Nato.

Dabei war sie lange umstritten. Genauso umstritten war der Rückzug der Nato aus Afghanistan. Plötzlich ist alles möglich – China ist zur Obsession geworden, die alten Prioritäten rücken in den Hintergrund.

Und die EUropäer leisten kaum Widerstand…

UPDATE: Statt Widerstand zu leisten, reiht sich die EU in die Eindämmungspolitik der USA gegen China ein. Neuerdings beschuldigen Washington und Brüssel das Reich der Mitte sogar, für groß angelegte Cyberangriffe verantwortlich zu sein. US-Präsident Biden droht, auf solche Attacken auch mit konventionellen Truppen zu reagieren. In den Medien wird immer offener ein chinesischer Angriff auf Taiwan diskutiert, der einen Weltkrieg auslösen könnte. Derweil verstärkt die EU ihre Präsenz im Indopazifik, sogar Deutschland hat eine Fregatte entsandt – angeblich, um die Seewege zu schützen…